Brauchen wir Gott?
10.11.2006 um 18:18
Teil 3:
Jeder religionslose Mensch begeht eine Pflichtvernachlässigung, wenn ertäglich und stündlich nicht Alles aufbietet, was in seinen Kräften steht, die Religion zuuntergraben. Jeder vom Gottesglauben Befreite, der es unterlässt, das Pfaffenthum zubekämpfen, wo und wann und wie er nur immer Gelegenheit dazu hat, ist ein Verrätherseiner Sache. Also Krieg dem schwarzen Gesindel –, unversöhnlicher [9]Krieg bis aufsMesser! Aufreizung gegen die Verführer, Aufklärung für die Verführten! Lasset uns jedesMittel des Kampfes in unsere Dienste nehmen: Die Geissel des Spottes, wie die Fackel derWissenschaft; wird diese nicht zureichen, – greif- und fühlbarere Argumente!
VorAllem hüte man sich, in der Arbeiterbewegung Gottes-Phrasen und Religions-Gefaselschweigend mitanzuhören. So wenig in dem Lager der sozialen Revolution – und wasausserhalb desselben steht, ist eben reactionär – monarchistische Agitationen oderPrivateigenthums-Beschönigungen Raum finden können, so wenig ist in demselben Platz fürgöttlichen Blödsinn. Und, wohl gemerkt: je “anständiger“ Diejenigen erscheinen, welchedas verfluchte Religionsblech mit den Arbeiterbestrebungen vermischen wollen; je “besser“deren Ruf ist, desto gefährlicher sind sie. Wer den Gottesschwindel in irgend einer Formpredigt, kann nur ein Dummkopf oder ein Schurke sein. Beide Sorten taugen nichts zurFörderung einer Sache, welche nur dann ihr Ziel zu erreichen vermag, wenn sie voll undganz auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntniss steht und sich der Ehrlichkeit ihrerVerfechter erfreut.
Opportunitätspolitik ist da nicht bloss vom Uebel, sie istein Verbrechen. Lassen die Arbeiter irgend welche Pfaffen sich in ihre Angelegenheitenmischen, so sind sie nicht nur belogen und betrogen, sonder auch alsbald verrathen undverkauft.
So selbstverständlich es ist, dass der Hauptkampf des Proletariatssich gegen den Kapitalismus zu richten hat und mithin auch auf die Zerstörung desGewaltmechanismus desselben, des Staates, abzielen muss, so wenig darf in diesem Kampfedie Kirche ausser Acht gelassen werden. Die Religion muss systematisch im Volkeuntergraben werden, wenn dasselbe zu Verstand kommen soll, ohne welchen es nicht dieFreiheit erringen kann.
Für die Dummen, resp. Verdummten, so weit sie nochbesserbar erscheinen, werfe man u. A. folgende Fragen auf:
Wenn Gott will, dassman ihn kenne, liebe und fürchte, warum zeigt er sich nicht? Ist er so gut, wie diePfaffen sagen, welchen Grund hat man, ihn zu fürchten? Ist er allwissend, weshalbbelästigt man ihn mit seinen Privatangelegenheiten und Gebeten? Ist er allgegenwärtig,wozu ihm Kirchen bauen? Ist er gerecht, weshalb denkt man denn, er werde die Menschenbestrafen, welche er voller Schwächen erschuf? Thun die Menschen nur aus Gottes GnadeGutes, welchen Grund hätte er dann, sie dafür zu belohnen? Ist er allmächtig, wie könnteer es zulassen, dass wir ihn lästern? Ist er aber unbegreiflich, weshalb beschäftigen wiruns mit ihm? Ist die Kenntnis von Gott nothwendig, weshalb schwebt er im Dunkel? U. s. w.Vor solchen Fragen steht der gläubige Mensch, wie ein Ochs vor dem Berge.
JederNachdenkende muss aber zugeben, dass nicht ein einziger Beweis für die Existenz einesGottes je erbracht worden ist. Ausserdem liegt nicht die geringste Nothwendigkeit für dieExistenz eines [10]Gottes vor. So wie wir bereits die Eigenschaften und Regeln der Naturkennen, ist ein Gott in oder ausserhalb derselben geradezu zwecklos, gänzlich überflüssigund mithin ganz von selbst hinfällig. Sein “moralischer“ Zweck ist noch nichtiger.
Es gibt ein grosses Reich, in welchem ein Herrscher regiert, dessen Verfahren denGeist seiner Unterthanen in Unordnung bringt. Er will gekannt, geliebt und geehrt sein,und Alles bemüht sich, die Begriffe zu verwirren, die man sich von ihm machen kann. DieVölker, welche seiner Gewalt unterworfen sind, besitzen über den Charakter und dieGesetze ihres unsichtbaren Souveräns bloss solche Ideen, als ihnen seine Ministermittheilen; diese hingegen geben es zu, dass sie selbst keine Vorstellungen von ihremMeister sich machen können, dass sein Wille unerforschlich, seine Ansichten undEigenschaften unergründlich sind; so sind seine Diener unter sich selbst nie einig überdie Gebote, die sie von ihm auszugeben vorgeben, dessen Organe sie sich nennen; erverkündet dieselben in jeder Provinz seines Reiches verschieden; sie schmähen sichgegenseitig und Einer beschuldigt den Andern des Betruges und der Verfälschung. DieEdikte und Gebote, welche sie zu verkünden beauftragt zu sein vorgeben, sind dunkel; essind Räthsel, die von den Unterthanen, denen sie zur Belehrung gegeben sein sollen, nichtverstanden und nicht errathen werden können. Die Gesetze des verborgenen Monarchenbedürfen der Erklärungen; doch Jene, die sie erklären, sind nie unter sich einig; Alles,was sie von ihrem verborgenen Fürsten erzählen, ist ein Chaos von Widersprüchen; siesagen auch nicht ein Wort, das sich nicht auf der Stelle als Lüge erweisen liesse. Mannennt ihn ausserordentlich gut; dennoch gibt es auch nicht einen Menschen, der sich nichtüber seine Beschlüsse beklagt. Man nennt ihn unendlich weise, und in seiner Verwaltungscheint Alles der Vernunft und dem gesunden Verstand entgegen zu sein. Man rühmt seineGerechtigkeit und die Besten seiner Unterthanen sind gewöhnlich die am wenigstenBegünstigten. Man versichert, dass er Alles sieht, und seine Allgegenwart heilt Nichts.Er ist, sagt man, ein Freund der Ordnung, und in seinem Staate ist alles in Verwirrungund Unordnung. Er tut Alles aus sich selbst, aber die Ereignisse entsprechen seltenseinen Plänen. Er sieht Alles voraus, aber er weiss nicht was da kommen wird. Er lässtsich nicht ungestraft beleidigen und dennoch duldet er die Beleidigung eines Jeden. Manbewundert sein Wissen, die Vollkommenheit seiner Werke, dennoch sind seine Werkeunvollkommen und von kurzer Dauer. Er schafft, zerstört und verbessert an dem, was ergemacht hat, ohne je mit seinem Werke zufrieden zu sein. Bei allen seinen Unternehmungensieht er nur auf seinen eigenen Ruhm, dennoch erreicht er den Zweck, allgemein gerühmt zuwerden, nicht. Er arbeitet blos an dem Wohlergehen seiner Unterthanen, aber denselbenmangelt grösstentheils das Nothwendigste. Jene, die er am meisten zu begünstigen scheint,sind gewöhnlich am wenigsten mit ihrem Schicksal zufrieden; man sieht sie fast Alle stetsgegen einen Herren sich auflehnen, dessen Grösse sie bewundern, dessen Weisheit sierühmen, dessen Güte sie verehren, dessen Gerechtigkeit [11]sie fürchten und dessen Gebotesie heiligen, welche sie nie befolgen. ––
Dieses Reich ist die Welt; dieserHerrscher ist Gott; seine Diener sind die Pfaffen, die Unterthanen die Menschen, –– eineschöne Gegend!
Der Gott der Christen speciell ist, wie wir gesehen haben, einGott, der Verheissungen macht, um sie zu brechen; der Pest und Krankheiten über dieMenschen kommen lässt, um sie zu heilen. Ein Gott, der die Menschen verkommen lässt, umsie zu bessern. Ein Gott, der die Menschen nach seinem Ebenbilde schuf und doch nicht derUrheber des Bösen sein soll; der sah, dass seine Werke sehr gut waren, und doch baldwahrnahm, dass sie schlecht sind; der es wusste, dass die Menschen von der verbotenenFrucht essen würden, und dennoch dafür das ganze Menschengeschlecht verdammte.
Ein Gott, der so schwach ist, um sich vom Teufel überlisten zu lassen, so grausam,dass ihm kein Tyrann der Erde verglichen werden kann, das ist der Gott derjüdisch-christlichen Götterlehre.
Derselbe ist ein allweiser Pfuscher, der dieMenschen vollkommen erschuf und sie doch nicht vollkommen erhalten konnte, der den Teufelerschuf und ihn doch nicht zu beherrschen vermag, ein Allmächtiger, der MillionenUnschuldiger verdammte wegen des Fehlers Einiger; der durch die Sündfluth alle Menschenvertilgte bis auf einige, und ein neues Geschlecht erzeugen liess, nicht besser als derfrühere; der einen Himmel machte für die Thoren, die an die Evangelien glauben, und eineHölle für die Weisen, die sie verwerfen. – Er ist ein göttlicher Quacksalber, der sichdurch den heiligen Geist selbsterzeugte; der sich selbst als Vermittler sandte zwischensich und Andere; der, verachtet und verhöhnt von seinen Feinden, an ein Kreuz genageltwurde wie eine Fledermaus an ein Scheunenthor; der sich begraben liess, von den Todtenauferstand, die Hölle besuchte, lebendig in den Himmel fuhr und nun seit achzehnhundertJahren zur rechten Hand seiner selbst sitzt, um zu richten die Lebendigen und die Todten,dann, wenn es keine Lebendigen mehr geben wird. Er ist ein schrecklicher Tyrann, dessenGeschichte mit Blut geschrieben werden sollte, weil sie eine Religion des Schreckens ist.Hinweg denn mit der christlichen Götterlehre; hinweg mit einem Gott, erfunden durchPriester des blutigen Glaubens, die ohne ihr wichtiges Nichts, womit sie Alles erklären,nicht länger im Ueberfluss schwelgen, nicht länger Demuth predigen und selbst im Glanzeleben; nicht länger Sanftmuth predigen und Hochmuth üben, sondern durch die Aufklärung inden Abgrund der Vergessenheit geschleudert werden. Hinweg denn mit der grausamenDreieinigkeit – dem mörderischen Vater, dem unnatürlichen Sohn, dem wollüstigen Geist!Hinweg mit all den entehrenden Phantasmen, in deren Namen die Menschen zu elenden Sklavenentwürdigt und durch die Allmacht der Lüge von den Mühen der Erde auf die Freuden des[12]Himmels verwiesen werden. Hinweg mit ihnen, die mit ihrem geheiligten Wahne der Fluchder Freiheit und des Glückes sind!
Gott ist nur ein von raffinierten Schwindlernerfundenes Gespenst, vermittelst welchem die Menschen bisher in Angst erhalten undtyrannisirt wurden. Aber das Truggebilde zerfliesst sofort, wenn es unter dem Glasenüchterner Untersuchung betrachtet wird; und die betrogenen Massen werden unwillig, aufsolche Popanze noch länger zu achten, vielmehr führen sie den Pfaffen die Worte desDichters zu Gemüte:
“Ein Fluch dem Götzen, zu dem wir gebeten
In Winterkälteund Hungersnöthen.
Wir haben vergebens gehofft und geharrt;
Er hat uns geäfft,gefoppt und genarrt.“