Wer ist die Frau in Offenbarung 12, 13-15
06.04.2021 um 17:55snafu schrieb:Die Frau mit dem Mond zu Füßen wird Mondsichelmadonna genannt. Also ist die Frau mit dem Mond und der Sonne und den Sternen in christlicher Sichtweise offenbar die schwangere Maria, die ihr göttliches Kind erwartet, das vom Satan verfolgt wird.Zwar kommt diese Mariendarstellung tatsächlich von jener Offenbarungspassage her, dennoch ist dies nicht generell christliche Deutung dieser Stelle. Selbst Katholiken verstehen die Passage unterschiedlich, Maria ist nur eine Deutung.
snafu schrieb:Im kabalistischen Sinn würde ich die Frau dennoch mit Shekinah in Entsprechung setzen, da Shekinah und Malkuth gewissermaßen gleiche Bedeutung haben, als "Gegenwart Gottes".Mal abgesehen, daß die Kabbala - eigentlich - eine jüdische Sache ist, die zur Anwendung auf jüdisches Schrifttum konzipiert ist. Vor allem aber gilt selbst in der außerjüdischen "Kabbala", daß es verschiedene Deutungsmöglichkeiten gibt. Wenn Du also die Frau aus der Offenbarung so interpretieren willst, kannst Du das für Dich natürlich so handhaben. Aber Du kannst schwerlich sagen, daß dies auch für andere so gelten müsse, gar, daß es so "gemeint" sei.
snafu schrieb:Nachdem Isis mit ihrem (wiederauferstandenen) Gemahl Osiris ein Kind gezeugt hatte, musste sie vor Seth (Bruder von Osiris) fliehen, da dieser ihrem ungeborenen Kind nach dem Leben trachtete. Seth wollte Alleinherrscher über das Reich sein, der Sohn von Isis und Osiris wäre jedoch der rechtmäßige Herrscher. Isis floh ins Nildelta und verbarg sich in einem Papyrusdickicht, wo sie ihr Kind (Horus) zur Welt brachte, es aufzog und es (mit Hilfe von Osiris, der im Duat weilte) vor Seths Angriffen beschützte.In welchem ägyptischen Mythos wird das so beschrieben? Ich mein, es gibt ja zahlreiche Mythen, in denen Horus mal das Kind von Isis ist, mal ihr Ehemann (und mal das Kind von Hathor). Horus wird zwar im Verborgenen geboren und groß gezogen, aber in welchem Mythos wird er dabei von Seth bedroht, der Horus zu verschlingen trachtet? Klar kämpft Horus später mit Seth, und zwar als Osirissohn, um die Thronnachfolge des verstorbenen Osiris zu klären.
Mir scheint doch eher, daß es keinen Mythos gibt, der mit der Szene aus der Offenbarung übereinstimmt, sondern daß es vielmehr in den diversen separaten Horus-Mythen immer mal einzelne Elemente gibt, die Offb12 ähneln.
Offenbarung12 lehnt sich jedenfalls an keinen konkreten Isis-Horus-Mythos an. Es könnten vielleicht patchworkartig Elemente aus dem Isis-Horus-Mythenkranz übernommen worden sein. Aber selbst das erscheint mir zweifelhaft, zumindest im Sinne einer bewußten Übernahme. Nicht nur, weil das ja schließlich "heidnisch" ist und von "Götzen" handelt. Sondern vielmehr, weil es hier gar nicht um ne Thronnachfolge eines verstorbenen Vaters geht, und später, wenn es um die Niederwerfung des Drachen geht, gar nicht mehr von dem Kind aus jenem Zeichen die Rede ist, also gar nicht Bezug auf Offb12 genommen wird. Und nur für sich genommen sind irgendwelche Isis-Horus-Bezüge arg dürftig.
Könnt man ja noch sagen "Ja, aber das mit Sonne aufm Kopp, Mondsichel unter'n Füßen und Sternenkleid, das is ja mal Übernahme. Gibts freilich nicht bei Isis. Isis trägt zuweilen bis regelmäßig die Sonne auf dem Haupt, aber das machen auch andere Götter und sogar irdische Stiere. Was es gibt, das sind Darstellungen von der Isis, wie sie dem Horuskind (manchmal auch einem ägyptischen Pharao) die Brust gibt. Hier wird tatsächlich diskutiert, ob das Motiv der "Maria lactans", der das Jesuskind säugenden Maria, dieser Vorlage nachgestaltet wurde. Freilich ist ein solches Bildmotiv auch nicht gerade unerfindlich und kann problemlos auch unabhängig davon entwickelt worden sein.
snafu schrieb:Auch in der Johannesapokalypse herrscht, nachdem das Kind geboren ist, Uneinigkeit im Himmel, in 12:7: "Da entbrannte im Himmel ein Kampf ("Gericht"); Michael ("Re") und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen ("Seth") zu kämpfen.Kampf = Gericht? Und Michael = Re? Das muß man schon so sehen wollen, und selbst dann ist das noch gewaltig zurechtgebogen.
snafu schrieb:Die Flucht der Isis und Angriffe von Seth gegen das Kind werden auch auf einem Papyrus (pWien D. 12006) aus ca. 50 bis 100 nCh. erwähnt.Nein, werden sie nicht, sondern sie werden daraus einfach mal angenommen. Ist bei Stadler ja mal deutlich zu erkennen:
"Die Frage, die Isis, die große Göttin, stellte, indem sie sagte: 'Bin ich unversehrt? Werde ich eine Mißgeburt haben?' Das Kind sprach zu ihr: Türkis <ist das>, welches im Fayum war. Er wird unversehrt sein. Sie werden die starke Kampfeskraft des Month, des Herren von Theben, geben: Er wird stark sein. Die, nach denen du fragst, sie sind unversehrt wie´Month`. Ptah wird erschaffen, Amun sich ihm <als> Hauch des Lebens nähern, Thot ihm eine schöne Lebenszeit zuschreiben. Deine Frucht, sie wird unversehrt sein. Du wirst ihren [Ch]arakter formen, dein Sohn, er wird dich schützen und er wird den strafen, der ihn gestraft hat. Er wird Rache nehmen [für] das wiederum, was Osiris, seinem Vater, getan wurde'."Hier wird also interpretiert, was Isis wohl mit ihrer eigenen Unversehrtheit und der ihres ungeborenen Kindes meint. Doch zielen beide Fragen eben darauf ab, was Stadler als dritten Punkt benennt: aus einer kranken Frau und aus einer Mißgeburt erwächst kein starker Osiris-Rächer, der es mit Seth aufnehmen könnte. Ihre Sorgen zielen also einzig darauf ab, nicht darauf, daß irgendeine Unbill während der Schwangerschaft stattgefunden hätte. So geht denn auch die Antwort des Kindes einzig auf dieses Ziel ein, und gerächt soll einzig Osiris werden, keine Gewalttat gegen Mutter und Kind.
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/2058/ S.4 der PDF
Die Fragen der Isis befassen sich mit der Verfolgung und den Gewalttaten durch Seth gegen sie selber und gegen ihr Kind, und sie bringen die Sorgen der Göttin zum Ausdruck, daß Horus die Herrschaft antreten möge. [...]
snafu schrieb:Möglicherweise könnten das Papyrus und die Apokalypse d Johannes aus dem fast gleichen Zeitraum stammen. Die ägyptische Geschichte selbst ist ca 4000 Jahre alt, und es gibt verschiedene Versionen davon. Meiner Meinung nach ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie auch Johannes, dem Schreiber der Apokalypse, bekannt war.Stadler selbst sagt, daß die spezifischen Details des Papyrus sich sonst nirgends finden lassen, also schon mal nix mit älterem Vorlauf. Na und wenn das in der zweiten Hälfte des 1.Jh. im fernen Fayum aufkam, isses dann doch ein arg weiter Weg, um rechtzeitig im fernen Kleinasien (oder auf Patmos) ankommen zu können. Daß die Motive dieses Papyrus je über Fayum oder die Grenzen Ägyptens ausgestrahlt haben, scheint ja mehr als fraglich zu sein, oder kennst Du wirkungsgeschichtliche Interpretationen zu diesem Papyrus, die solche außerägyptischen Nachwirkungen benennen?
snafu schrieb:Isis wurde ja noch bis 300 Jahre nCh. auch in Südeuropa, noch als Himmelsmutter und Gottesmutter verehrt. Sie wurde auch oft mit Flügeln dargestellt:Ähm, wo wird denn Maria in Gestalt der Himmelskönigin mit Flügeln dargestellt? Na jedenfalls sind die Flügel in Offb12 weit naheliegender von der alttestamentlichen Adlersflügel-Metaphorik her zu verstehen. Auch und gerade, wenn es darum geht, von einem gefährlichen Ort zu einem Ort unter Gottes Schutz zu gelangen (Israel mit Adlersflügeln aus Ägypten gebracht). Isis' Flügel dienen denn auch anderen als Schirm und Schutz (vergleichbar dem Mantel der Schutzmantelmadonna oder den Flügeln der Glucke, die Jesus erwähnt), nicht der Isis selbst. Weswegen in Offb12 auch schwerlich daran gedacht ist, daß die Jungfrau die Flügel an ihrem Körper bzw. an ihren Armen hatte.
snafu schrieb:Ich habe hier eine pdf gefundenAch, hast Du auch... Naja, ist schließlich der erste Treffer, wenn man bei Google pWien D. 12006 reinschreibt. Und der zweite, dritte, vierte, ... zehnte ...
snafu schrieb:Das finde ich auch interessant: In der ägyptischen Geschichte hilft Osiris, der im Totenreich wohnt, der Isis mit seiner göttlichen Kraft, Seth zu besiegen.Asar? OK, ist ja nix neues, mit Osiris, irgendnem Asar, bis hin zum Lazarus tingelste ja schon seit Jahren durchs Forum. Bleibt dennoch Quatsch. Denn einen ägyptischen Asar für Osiris gibts nun mal nicht. Osiris wird im Ägyptischen nicht mit einem Knacklaut eröffnet, sondern mit einem W. Also ähnlich wie das englische Dabbeljuh, oder wie das W, von einem Besoffenen gesprochen. Den Knacklaut kennen die Ägypter durchaus, in deutscher Umschrift wird dafür oft 3 geschrieben. Auch in den benachbarten semitischen Sprachen kennt man diesen Konsonanten, hebräisch Alef, arabisch Alif. Und bei Übertragungen vom Altägyptischen ins Hebräische oder umgekehrt wird ein 3 zum ' und ein W zum W. Aber kein 3 zum W oder W zum '. Nur die Griechen, die mit den semitohamitischen Knack- und Aspirationsvarianten nicht so viel anfangen konnten, ließen diese oft weg (oder machten sogar ein G daraus, weswegen wir die Stadt 'Asa als Gasa kennen und den Hünen 'Aljat als Goliat). Und so kennen wir halt den Osiris und denken dann wunder, wie ähnlich der doch mit 'esär ist. Is aber nicht!
Osiris ist der griechische Name, im alten Ägypten hiess er ASAR, genau wie das hebräische Verb für helfen.
Lazarus ist immerhin die griechische Form des auch aus rabbinischer Quelle bezeugten Personennamens L'asar, Kurzform von El(e)'asar, "Gott hat geholfen". Hat also wirklich was mit dem hebräischen 'asar zu tun. Womit freilich noch nicht gesagt ist, daß der Name einen Bezug zu der Story haben muß, in der er vorkommt.