rgnf schrieb:Wie ist das aus deiner Sicht mit dem Karma und der Wiedergeburt aus?
Das ist ein schwieriges Thema. (Habe es in "Ist Buddhismus Humbug" schon einmal geschrieben)
Die (nach Angaben) treueste buddhistische Schule soll der Theravada Buddhismus sein.
Er lobt sich selbst immer damit die Lehre noch ganz genauso so zu verfolgen, wie es die ersten Mönche Buddhas damals taten.
Das bedeutet auch, das sie weiterhin Karma und Wiedergeburt im klassisch bekannten Modell betrachten,
(und das obwohl Buddha meist ganz andere Aussagen diesbezüglich traf - komme dazu)
Heißt: Sie sammeln ihr Leben lang systematisch gutes Karma um (sollten sie nicht erleuchtet werden) eine "nicht ganz so schlimme" Wiedergeburt zu erleben.
Hiermit habe sowohl ich, als auch alle anderen Anhänger anderer buddhistischen Schulen (besonders des Mahayana) aufgrund der implizierten Aufforderung seinen Fokus darauf zu richten das zukünftiges gut verläuft, ein Problem.
Der Fokus dieser Buddhisten liegt immer auf dem Punkt ihrer nächsten Wiedergeburt, niemals aber in der Gegenwart.
Die ist nur Mittel zum Zweck und diese Sicht lehnen besonders Zen Buddhisten ab.
Ich sehe es folgendermaßen.
Buddha selbst lehnte es ebenfalls ab, Aussagen über Metaphysische Themen zu machen. Er wollte weder beantworten was nach dem Tod kommt, noch wollte er einem erzählen worin der Sinn des Lebens liegt, geschweige denn wie wir entstanden sind.
Stattdessen legte er darauf Wert, zu sagen, dass er die Überwindung des Leidens lehre. Im Malunkyaputta-Sutta wies er diverse metaphysische Fragen zurück und sagte, dass diese nicht dazu beitragen würden, zum Verlöschen zu führen.
Das möchte ich ganz kurz mit den Stellen aus den buddhistischen Schriften belegen, nicht das ich euch hier Unfug erzähle:
Als der Erhabene einst in Anāthapindikas Bhikkhuheim im Jetahain bei Sāvatthi weilte, kam dem ehrwürdigen Malunkyaputta, während er einsam meditierte, folgender Gedanke: Der Erhabene hat nichts darüber gelehrt, ob die Welt ewig oder nicht ewig, begrenzt oder unbegrenzt ist, ob Seele und Leib ein und dasselbe oder Verschiedenes sind, ob ein Vollendeter nach dem Tode lebt oder nicht lebt oder sowohl lebt als auch nicht lebt oder weder lebt noch nicht lebt. Daß mir der Erhabene darüber nichts erklärt hat, das gefällt mir nicht und befriedigt mich nicht. Ich will zum Erhabenen gehen und ihn darüber befragen. Wenn er mich über diese Fragen belehrt, will ich bei ihm weiterhin den reinen Wandel führen, wenn nicht, will ich das Streben aufgeben und zum niederen Leben zurückkehren. -
Gegen Abend, als Malunkyaputta seine Andacht beendet hatte, suchte er den Erhabenen auf, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und trug ihm seine Gedanken vor. Dann fuhr er fort: «Wenn der Erhabene die Fragen beantworten kann, so möge er es tun; wenn er es nicht kann, möge er aufrichtig sagen, daß er es nicht weiß.» Der Erhabene erwiderte: «Malunkyaputta! Habe ich zu dir gesagt: Komm und führe den reinen Wandel bei mir, ich will dir erklären, ob die Welt ewig oder nicht ewig, begrenzt oder unbegrenzt ist, ob Leib und Leben dasselbe oder verschiedenes sind, ob ein Vollendeter nach dem Tode lebt oder nicht?» - «Nein, Herr!» -
«Oder hast du zu mir gesagt: Ich will beim Erhabenen den reinen Wandel führen, weil der Erhabene mir diese Fragen erklären wird?» - «Nein, Herr!» -
«Wenn es sich so verhält, worüber beklagst du dich dann? Wenn jemand sagte, er wolle solange nicht den reinen Wandel beim Erhabenen führen, als dieser ihn nicht über jene Fragen belehrte, so würde er sterben, ehe ihn der Erhabene darüber belehrt haben könnte.
Ebenso würde jemand, der mit dem reinen Wandel warten wollte, bis er über jene Fragen belehrt worden wäre, sterben, bevor man ihn darüber belehren könnte. Mag die Ansicht, daß die Welt ewig ist, richtig sein, so läßt sich damit doch ein reiner Wandel nicht begründen; ebensowenig läßt er sich mit der Ansicht begründen, daß die Welt nicht ewig ist. Ob nun das eine oder das andere richtig ist, auf jeden Fall gibt es Geburt, Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung, deren Überwindung schon in diesem Leben ich lehre. Mögen über die anderen von dir genannten Fragen die einen oder die anderen Ansichten richtig sein, so läßt sich doch mit keiner davon ein reiner Wandel begründen, aber jedenfalls gibt es Geburt, Altern und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung, deren Überwindung schon in diesem Leben ich lehre.
Darum, Malunkyaputta, lasset das, was ich nicht erklärt habe, unerklärt sein und haltet euch an das, was ich erklärt habe. Nicht erklärt habe ich ob die Welt ewig oder nicht ewig, begrenzt oder unbegrenzt ist, ob Seele und Leib dasselbe oder Verschiedenes sind, ob ein Vollendeter nach dem Tode lebe oder nicht lebt. Ich habe es deshalb nicht erklärt, weil dies nicht zum Heile beiträgt, nicht einen reinen Wandel begründet, nicht zur Abwendung, nicht zur Wunschlosigkeit, nicht zum Aufhören, nicht zur Beruhigung, nicht zu hohem Wissen, nicht zum Erwachen, nicht zum Nirwana führt. Dagegen habe ich erklärt, was das Übel ist, woraus das Übel entspringt, wie das Übel aufhört und auf welchem Wege das Übel zum Aufhören gebracht wird. Ich habe das deshalb erklärt, weil es zum Heile beiträgt, einen reinen Wandel begründet, zur Abwendung, zur Wunschlosigkeit, zum Aufhören, zur Beruhigung, zu hohem Wissen, zum Erwachen, zum Nirwana führt. Darum lasset das, was ich nicht erklärt habe, unerklärt sein und haltet euch an das, was ich erklärt habe.»
http://palikanon.com/majjhima/kurt_schmidt/m063.htmWie man sieht, Buddha sagte das in seinen Lehrreden immer wieder selbst:
Habe ich es dir nicht voraus gesagt, Ananda:
Von allem, was uns lieb und wert ist, müssen wir uns trennen, müssen uns von ihm abschneiden.
Wie wäre es denn möglich, dass, was geboren wurde, geworden, gestaltet, der Auflösung untertan ist, sich nicht auflöste ?
Das kann nicht sein.
Deshalb denken besonders Zen Buddhisten gar nicht erst darüber nach was geschieht, oder verwenden als Ersatz z.B das psychologische Modell des Meisters Shohaku Okumura - dass Wiedergeburt in den "sechs Daseinsbereichen" gliedert und nichts mit dem Leben nach dem Tod zu tun hat, sondern symbolisch für eine grundlegende geistige Verfassung steht, die uns gerade dominiert.
Höllenwesen: fügen einander Schmerzen zu und sehen keinen anderen Sinn in ihrer Existenz. Wegen dieser Haltung leiden sie.
Hungrige Geister: sind voller Gier, wollen immer mehr als sie haben, sind dennoch nie zufrieden und deshalb leiden sie.
Tiere: sind ihr ganzes Leben lang am Arbeiten - Jagen, Essen, Nachkommen zeugen...ihr ganzes Leben besteht nur aus Arbeit und deshalb leiden sie.
Kämpfende Dämonen (Asuras): gehen auf einen altindischen Gott der Gerechtigkeit zurück und wollen immer Recht haben, ihre Meinung durchsetzen. Sie liegen ständig mit anderen im Streit und haben nie Ruhe. Deshalb leiden sie
Menschen: sind nicht wie Tiere mit Arbeit zufrieden, sondern wollen Resultate - Erfolg, Macht, Einfluss., Vor allem aber wollen sie Sicherheit - einen sicheren Job, Versicherung, Rente. Da es diese absolute Sicherheit nicht gibt, haben sie Zukunftsängste (die Tieren unbekannt sind) und daher leiden sie.
Himmelswesen oder Devas: haben alles was sie sich wünschen. Allerdings fürchten sie sich vor Neidern und davor, dass freundliche Menschen sie nur wegen ihrer Macht mögen und sie in Wirklichkeit nur ausnutzen wollen. Außerdem haben sie praktisch keine echten Freunde. Deshalb leiden sie.
Du siehst also, anstatt diese Darstellung vom "Rad der Wiedergeburt" wörtlich zu nehmen, kann sich jeder von uns in einer dieser psychologischen Modelle wiederfinden und wir im Laufe seines Leben dutzendfach
Viele Menschen leben nur für ihre Arbeit (Tiere) bis sie anfangen Ziele zu stecken (Menschen) und dabei Ellenbogen einsetzen (Asuras). Wenn sie schließlich erfolgreiche Manager (Devas) sind, merken sie, dass es auch nicht das wahre ist - und werden wieder gierig (Hungergeister) oder sind wütend über ihre Unzufriedenheit und beginnen andere zu quälen (Höllenbewohner).
Die Vorstellung das unsere "karmischen Überreste" in spätere Lebewesen übertragen werden würde sich mit der allumfassenden Regel des Vergänglichen widersprechen. Es würde der Lehre über den Unnutz von Spekulation widersprechen, es wurde der rationalen Art des Shakyamuni Buddha widersprechen.
Es sind in meinen Augen hinduistische Einflüsse, die dieses Bild prägten. Die ganzen Buddhistischen Schriften sind davon geprägt.
Aber Buddhismus ist nicht Hinduismus.
Man kann an die wörtliche Wiedergeburt gerne glauben, da habe ich nichts dagegen, aber sie ist aber für die Lehre irrelevant, weil es Spekulation ist. Du leidest jetzt ! Es gilt dieses Leiden zu bekämpfen, nicht das, das du vermutlich, eventuell irgendwann mal in irgendeiner Wiedergeburt erleben könntest.
@rgnf