@Simowitsch das Problem heißt hie wie da: Eitelkeit. Mit etwa 14 Jahren +-3 Jahre beugen sich die meisten dem empfundenen äußeren Druck und entwickeln abgehobene Eigentümlichkeiten, suchen krampfhaft und oft für alle Beteiligten peinlich nach Selbst-Definition, Distanz, Hingabe, Individualität, Charakter, Exklusivität, Exquisität. Im Streben, sich von der Masse abzuheben, wird so manch einer ungewollt überheblich.
Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort.
Friedrich Schiller
Greift vermeintliche Schwachpunkte der Masse auf und will sie durch Vermeidung, Distanz und Unverständnis zur Palette seiner Stärken zählen.
Doch all das sind schöne Lügen. Wir haben kaum bewusst Einfluss auf die Entwicklung unseres Charakters. Taten formen ihn, Herausforderungen, Situationen.
Es ist unbedeutend, was wir glauben, wer wir sind und in welch hohen Tönen wir von uns sprechen: was zählt, sind unsere Taten.
So ist Atheismus wie jede Ideologie zum großen Teil auch Image und glorifiziertes und über alle Maßen umetikettiertes Mitläuferttum. Denn mitlaufende, blinde, hörige Schafe sind ja offiziell die Gläubigen und sie sind alle gleich. Hätte ich als Kind diese naive Verballhornung geschluckt, hätte ich mir vermutlich ebenso "Atheist" auf die Fahne geschrieben.
Der Zwang, klare Gegenposiitionen einnehmen und auf Konfrontationskurs gehen zu müssen, ist das alte Spiel des Dualismus. So behende wir uns auch argumentativ durchwinden, so geheuchelt und gestelzt ist das Ganze. Vor allem bei solch großen Themen und unklaren Begriffen.
Ich bin mir sicher, in vielen der Punkten, die Atheisten für sich vereinnahmen, bin ich überwiegend Atheist. Umgekehrt bei den Religiösen ist das aber genauso.
Güte beim Denken erzeugt Tiefe,
Güte beim Verschenken erzeugt Liebe,
Güte in den Worten erzeugt Wahrheit.
Laotse
Nun werden die Vereinnahmten und Vereinnahmenden sicher behaupten, die Ausnahme seien so Typen wie ich. Sie lügen! Die Idioten sind sie, denn die Antworten darauf, ob diese Welt bewusst erschaffen wurde, und ob wir von Zeichen, Omen und Zufall geleitet werden, stehen uns nicht zu.
Mit anderen Worten sollte man sich jedes Wort zu diesen Dingen klemmen und dem Bauchgefühl der Leute nicht reinreden. Im Zwang, alles analysieren und begreifen zu wollen, sollte man sich vor Urteilen hüten, insbesondere wenn es um den Sinn des Lebens geht. Propaganda geht zu weit, will sie anderen ihren Lebenssinn und ihre jahrtausend alte Weisheiten streitig machen und dieses noch auf pauschal negierende, verdammende Weise - Surrogat des Hasses, der seit Menschengedenken Keile zwischen uns treibt. Und weil diese argwöhnische Spalterei so primitiv und verwurzelt in uns steckt, lugt sie auch in der Jugend hervor.
Dass sowas an Fahrt gewinnt, liegt auch ein bisschen daran, dass wir den Kern unseres Lebenssinns und Zusammenseins ausschweifend sabottieren: die Werbung. Wir werben umeinander, aber nicht mehr um uns selbst willen, sondern um Vorwände. Wir sind so sehr um Vorwände bedacht, dass wir beinah handlungsunfähig, charakterlos sind.
Selbst die Werbung ob Glaube oder Unglaube ist solch ein Vorwand, Leute auf unsere Seite zu ziehen und Freunde/Verbündete zu gewinnen. Was jedoch ist diese Basis der Gewissheit, einen Schöpfer könne es nicht geben?: eine schöne, bequeme Lüge, die uns vorgaukelt, die Welt ein wenig mehr im Griff zu haben.
Und dennoch sind wir Blätter im Wind, Nussschalen im Weltenstrom und hoffnungsvoll für glückliche Pfade, schicksalshafte Wendungen und höhere Gerechtigkeit.
Somit erklärt sich auch die Urform allen boshaftigen Dreinredens: gefühlte Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, Misere. Man hat recht, weil man recht hat. Selbst wenn die Perspektive durchs Kaleidoskop längst davonflüchtete. Die Straße zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.
An dieser Stelle das kleine Fazit, dass Himmel und Hölle und all die jenseiten, religiösen Themen aller Welt bekannt und von Bedeutung sind, egal in welchem Diskurs.
Gerade das bringt so manchen auf die Palme: wie kann etwas so überragend unerreichbar so viel größer sein als man selbst? Was ein Spaß, vermöge man es, dies Kartenhaus einzureissen!
Nur besteht dieses Kartenhaus aus vielen kleinen Kartenhäusern, sogar die eigene Perspektive darauf ist eins und alle müssen sie vergehen und wieder auferstehen.