http://de.rian.ru/opinion/20130527/266198787.html (Archiv-Version vom 25.06.2013)Fünf Hindernisse auf dem Weg zum Frieden in Syrien
Zehn Monate nachdem das Blutbad in Syrien durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) als Bürgerkrieg eingestuft wurde, arbeiten Moskau und Washington an einer Lösung des Konfliktes – zumindest auf diplomatischer Ebene.
Im Juni sollen in einer Syrien-Konferenz das Assad-Regime und die Opposition eine politische Lösung des Konfliktes aushandeln.
Ein Lösungsplan zwischen den syrischen Konfliktseiten war bereits bei den Genfer Gesprächen erreicht worden. Wenige Wochen später scheiterte er, weil sich niemand an die Vereinbarungen hielt. Hat der neue Friedensvorstoß mehr Aussicht auf Erfolg? RIA Novosti sprach mit russischen Nahost-Kennern über die fünf größten Hindernisse auf dem Weg zum Frieden in Syrien.
Assad-Regime fürchtet Hinrichtungen
Frieden in Syrien sei möglich, wenn ein Teil der Machtelite zurücktrete – nicht nur Präsident Baschar al-Assad, der einen Rücktritt verweigere, sondern auch die Spitzen von Armee und Sicherheitsdiensten, so Wladimir Achmedow vom Institut für Orientalistik. Doch das bedeutet, dass die Spitzenbeamten freiwillig abtreten müssen, was kaum wahrscheinlich ist. Die Aufständischen müssen auf einen Kompromiss eingehen und ihnen, denen sie mehrmals mit Hinrichtung gedroht haben, Sicherheitsgarantien anbieten.
Islamisten gegen Kompromisse
Neben den gemäßigten Oppositionellen ist Syrien voll von bewaffneten Islamisten, von denen viele Dschihad-Kämpfer aus dem Ausland sind. Islamistische Gruppen wie die mächtige „Islamische Front für die Befreiung Syriens“ könnten zum Dialog bereit sein, doch Organisationen wie die Al-Nusra-Front, die mit dem Terrornetzwerk Al-Qaida verbunden ist, oder die „Syrische Islamische Front“, streben nach Assads Tod und Scharia-Gesetzen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie auf einen Kompromiss eingehen werden. Laut Boris Dolgow vom Institut für Orientalistik könnten die Extremisten nur ins Abseits gedrängt werden, wenn die gemäßigten Oppositionellen und die Regierung gemeinsame Sache machen. Die zwei verfeindeten Lager an den Verhandlungstisch zu bringen, ist jedoch eine schwierige Aufgabe.
Gemäßigte Oppositionelle sind schwach und getrennt
Der Syrien-Konflikt begann im März 2011 friedlich mit der Forderung nach demokratischen Reformen. Die gemäßigten Oppositionellen dominieren weiterhin den politischen Flügel der Opposition, vor allem in der Syrischen Nationalen Koalition (SNC) – ein Gremium, das von 20 westlichen und arabischen Ländern, darunter den USA, Frankreich, Katar und Saudi Arabien anerkannt wurde. Nach der Niederschlagung der Protestaktionen und dem Beginn des blutigen Bürgerkrieges wurden die Liberalen von den Radikalen verdrängt. Für einen erfolgreichen Verlauf der Verhandlungen müssen die liberalen Kräfte in der syrischen Opposition wieder die Oberhand gewinnen. Wegen des Machtkampfes der liberalen Kräfte um die Führungsrolle in der SNC scheint dies aber aussichtslos zu sein.
Iran und Hisbollah brauchen Assad
Syrien ist Irans größter Verbündeter im Nahen Osten. Der Iran versorgt die verbündete libanesische Hisbollah-Bewegung über Nachschubrouten in Syrien. Sowohl der Iran als auch seine Partner und geopolitischen Feinde verfolgen ihre ganz eigenen Interessen in diesem Konflikt.
Die Hisbollah-Extremisten kämpfen für Assad. Elitesoldaten der iranischen Revolutionsgarde werden als Militärausbilder nach Syrien geschickt. Wie einige Medien berichten, stehen im Iran 120.000 Freiwillige parat, um Assad im Kampf zu unterstützen.
Die von sunnitischen Mitgliedstaaten dominierte Arabische Liga soll die syrischen Oppositionellen mit Waffen versorgen, vor allem die Dschihadisten. Zudem lehnen sie den Plan ab, religiöse Extremisten durch Liberale zu ersetzen. Doch die Arabische Liga kann wohl dazu gebracht werden, sich nicht zu sehr einzumischen, sagte Achmedow.
Ein weiterer Feind des Iran sind die USA, die zusammen mit der EU Medikamente, Kommunikationsmittel und Kampffahrzeuge in die syrischen Krisengebiete schicken. Eine offene Bewaffnung der Assad-Feinde ist für den Westen der Plan B (falls die bevorstehenden Verhandlungen scheitern), so Achmedow. Forschritte bei Friedensverhandlungen sind in diesem Fall aber kaum zu erwarten.
Wie kann der Gewaltspirale ein Ende bereitet werden?
In Syrien herrschen Zustände wie im Mittelalter. Die meisten Verbrechen wurden anscheinend von ausländischen Extremisten, Vertretern der syrischen Machtelite und notorischen Kriminellen begangen. Im April tauchte ein schockierendes Video auf, das zeigt, wie ein oppositioneller Kämpfer einem Assad-Soldaten das Herz heraus schneidet und hinein beißt.
„Das Land ist von der Gewalt vergiftet“, sagte Irina Swjagelskaja vom Moskauer Institut für Internationale Beziehungen. Kein einziger Konflikt, auch wenn er barbarisch und grausam ist, dauert ewig. Nehmen wir die Beispiele Ruanda, Balkan oder Kaukasus. Doch für ein Ende dieser Konflikte war eine intensive äußere Intervention nötig, zuweilen mit dem Einsatz von Friedenstruppen. Im Fall Syrien äußerte bislang kein einziges Land die Bereitschaft, seine Truppen nach Syrien zu entsenden. Ohne äußere Hilfe könnte die Regelung des Syrien-Konfliktes noch Jahrzehnte dauern.