Das Interview von Schall und Rauch ist eine Farce, da wird nur Pro Domo Kost für den geneigten Blogleser geliefert, Freeman ist kein Interviewpartner sondern der Stichwortgeber des iranischen Botschafters.
"So hatte der Iran bis Ende 2010 den niedrigsten Benzinpreis der Welt, mit 7 Eurocent pro Liter. Dieser wurde stark subventioniert, was aber jetzt aufgehoben wurde, weil zu kostspielig und um Energiesparmassnahmen zu fördern. Der Liter kostet nun 28 Eurocent."
Das ist eine glatte Lüge, der Liter Benzin kostete vor mehr als einem Jahr, als ich das letzte mal getankt habe 700 Toman (1 Toman = 10 Rial, 12 Toman sind ungefähr 1 Cent) also knapp 60 Cent. Da bekommt der deutsche Autofahrer bestimmt feuchte Augen, aber viele Iraner können sich Benzin nicht leisten, geschweige denn ein Auto. Die Geschichten über die Ursachen variieren, Umweltschutz, Energiepsarmaßnahmen, die Regierung scheut sich das Wort in den Mund zu nehmen, das den Umständen am ehesten entspricht: Rationierung. Statt die eigene Raffineriekapazität zu erhöhen wird versucht eine nicht lebensfähige Autoindustrie zu erhalten und Geld in Atomtechnologie investiert.
"Freeman:Ist das so wie der echte Iran ist, ein offenes und freundliches Land?"
Der Iran ist ein gastfreundliches Land, mit sehr gastfreundlichen Menschen, aber solche Kommentare sollte man zum Zwecke der Neutralität eigentlich allenfalls für das Ende aufheben.
Die Schmeichelei zum Einstieg macht einem klar, wohin das Interview führt. Das ganze erinnert mich an Nixon vs. Frost, nur das Frost zum Ende hin Nixon in die Knie zwang. Das hofft man hier vergebens.
"Botschafter:Aber jetzt produziert der Iran die meisten Notwendigkeiten selber, die meisten Güter und Dienste welche die iranische Bevölkerung benötigt."
Das stimmt, der Iran hat eine eigenständige Industrie aufgebaut, was allerdings kein Verdienst der islamischen Republik ist, sondern bereits unter dem Shah seinen Anfang nahm. Die U-Bahn von Teheran, sogar das Atomprogramm sind Relikte aus der Zeit vor der Revolution. Auch die Autoindustrie. Der Peykan, das erste iranische Auto wurde vor der Revolution gebaut und war auf dem Entwicklungstand damaliger japanischer Modelle.
Die heutige Autoindustrie des Iran ist nicht viel moderner als damals, die Produktivität ist im Vergleich mit der weltweiten Konkurrenz viel zu gering; auf dem internationalen Markt könnte die iranische Autoindustrie gar nicht bestehen. Auf dem iransichen Markt dominieren ausländische Autohersteller trotz immenser Schutzzölle.
Die Qualität iranischer Autos ist auch eher mässig. Man stelle sich einen KIA zum Preis eines BMW vor.
Das gilt für viele Bereiche der iranischen Industrie, obwohl in manchen Bereichen sogar Überkapazitäten geschaffen wurden, wie im Pharmasektor. Bei uns werden soviele Antibiotika produziert, das sie sogar in frei verkäuflichen Hautcremes gegen Pickel enthalten sind, was mein Hausarzt mir nicht glauben wollte.
"Botschafter:Das ist die Hauptsünde des iranischen Volkes, weil sie die unterdrückten und unterprivilegierten Menschen der Welt gegen den Willen der Unterdrücker helfen."
Hier hätte der Interviewer mal fragen können, wie konkret denn diese Hilfe aussieht. Aber statt dessen gibt er lieber ein weiteres Stichwort:
"Freeman:Sie sagen also damit, weil der Iran sich nicht den Mächten unterwirft und gehorcht, wird er als schwarzes Schaf bezeichnet."
Und darauf folgt gleich eine Suggestivfrage, natürlich ganz im Sinne des Interviewten:
"Freeman:Ist es der Befehl, das Land muss die globalen Konzerne ins Land lassen, damit sie die Ressourcen ausplündern können? Oder ist es der Zwang, die westliche Kultur ungehindert ins Land zu lassen?"
Auch heute verkauft der Iran sein Öl ins Ausland, aber was ist daran schlecht? Wenn die Erdöleinahmen auch wirklich dem Volk zu Gute kommen, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber das Geld wird dazu verwendet um unproduktive Wirtschaftssektoren am Leben zu erhalten. Das nicht wirklich im Sinne der Arbeitnehmer, sondern im Sinne halbstaatlicher Unternehmen an denen ein gigantischer Apparat von staatlichen Funktionären beteiligt ist.
Zur Kultur: Im Iran gibt es Coca Cola, Fastfood-Läden und das iranische Staatsfernsehen besteht aus Propaganda und seichter, kitschiger Unterhaltung. Das iranische Kunstkino wird fast nur im Ausland wahrgenommen, kritische Künstler werden verfolgt oder ins Exil getrieben. Wie jede Diktatur ist auch die Iranische, jeder Kreativität abträglich.
"Botschafter:Man darf nicht die eigenen nationalen Interessen anderen Länder aufzwingen, denn dann ist das Resultat eine Unterdrückung und das sehen wir ja überall. Wir sind völlig dagegen. Wir wollen das Recht der Völker sich selber zu regieren erhalten, die Unabhängigkeit und das Recht auf Souveränität."
Die iransiche Führung hat mehrmals innerhalb der OPEC seinen Einfluss geltend gemacht, Bahrain als abtrünnige Provinz des Irans bezeichnet, aber lassen wir das...
"Freeman:Die Prinzipien die Sie nennen widersprechen aber völlig den Mächten, denn sie wollen Unterwerfung."
Warum gibt er nicht gleich die Antworten selbst oder lässt den Botschafter seinen Blog vorlesen?
So geht es noch ein wenig weiter, hier kommt meine Lieblingstelle:
"Freeman:Glauben Sie die Wahrheit wird irgendwann siegen und die Lüge aufgedeckt werden?"
An Selbsgerechtigkeit kaum zu überbieten, man selbst sieht sich im Besitz der absoluten Wahrheit und dem Interviewpartner wird natürlich jedes Wort geglaubt, solange es nur der Affirmation der eigenen Vorstellungen dient.
"Freeman: Glauben Sie Gott beschützt den Iran?"
Die unsinnigste Frage in dem ganzen Interview, was interessieren einem unvoreingenommen Leser die persönlichen religiösen Vorstellungen des Botschafters? Was erwartet er als Antwort? Ein "Nein"? Von einem Botschafter einer Republik, die der Selbstwahrnehmung nach islamisch ist? Selbst wenn der Botschafter Atheist wäre, könnte er natürlich nur mit "Ja" antworten. Blöde Frage.
Allerdings lässt Freeman das Thema Religion mit dieser Frage auf sich beruhen, vlt. weil er dann doch merkt, das nur ein schmaler Grat zwischen der Islamophobie und dem Antiamerikanismus seiner Leserschaft besteht.
Aber noch was zur inhärenten Logik dieses Interviews:
"Freeman: Was mich bei den Demonstrationen nach den letzten Wahlen gewundert hat, wo kamen diese vielen Plakate plötzlich her, die sehr professionell gemacht und alle gleich aussahen, die auch noch Sprüche auf Englisch zeigten? Die englischen Sprüche waren doch nicht für die Iraner bestimmt, sondern für die TV-Zuschauer im Westen."
Dafür gibt es selbstverständlich die Zustimmung des Botschafters. Natürlich gab es Plakate auf englisch, denn man wollte aus Sicht der Demonstranten ja eben die Aufmerksamkeit der Welt auf den Iran lenken und der Welt auch zeigen, das in Iran eine Zivilgesellschaft existiert, moderne und aufgeklärte Menschen und nicht nur blinde Gefolgsleute der Mullahs.
Die meisten Plakate sindjedoch in persischer Sprache gewesen, aber die wurden in den westlichen Medien nicht gezeigt, da dort niemand etwas damit anfangen kann. Die Erklärung ist einleuchtend und simpel, aber natürlich weiss es Freeman besser, und es folgt die übliche Geschichte der vom CIA gesteuerten Revolution. 3 Millionen CIA-Agenten im Iran, selbstverständlich.
@Sigalit@25h.nox Auch aus wirtschaftlichen Gründen, denn insbesondere für viele Angehörige der Basiji-Milizen ist der Dienst in der Miliz oft die einzige Einkommensquelle. Bei den meisten Miliz-Soldaten ist es mit der Gesinnung nicht weit her.
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