Online-Durchsuchung
Burkhard Schröder 11.11.2008
Autistisches Voodoo auf dem WWW-Weg
Der Begriff scheint sich eingebürgert zu haben: "Online-Durchsuchung" wird die fixe Idee der Politiker genannt, private Rechner ausspähen zu wollen. Wenn das [extern] BKA-Gesetz in Kraft tritt, ist damit ist der einflussreichste Hoax der bundesdeutschen Mediengeschichte in juristische Form gegossen worden. Am Montag hat der Innenausschuss die gleichlautenden Gesetzentwürfe der Koalition ([extern] 16/9588) und der Bundesregierung ([extern] 16/10121) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen [extern] angenommen. Am Mittwoch dürfte es nun im Bundestag verabschiedet werden.
Das BKA dürfe "ohne Wissen des Betroffenen in informationstechnische Systeme greifen und aus ihnen Daten erheben", meldet die [extern] Tagesschau. "Dürfen" und "können" ist bekanntlich ein kleiner, aber nicht unwesentlicher Unterschied. Die Tagesschau hat sich beim Thema ohnehin nicht mit Ruhm bekleckert und auch behauptet, es habe schon "Online-'Durchsuchungen" gegeben, musste aber im Nachhinein [local] zugeben, dass Fakten für diese vorschnelle These nicht vorlagen.
Eine verifizierbare Realität scheint ohnehin niemanden mehr zu interessieren. Die Diskussion dreht sich fast ausschließlich um juristische Probleme. Die deutschen Leitmedien verzichten darauf zu fragen, ob der verwegene Plan, von Staats wegen "online" und gezielt Computer auszuspionieren, um gerichtsverwertbare Daten zu bekommen, überhaupt technisch umsetzbar und machbar sei. Eine derart "gleichgeschaltete" Öffentlichkeit gibt es eigentlich nur in totalitären Gesellschaften oder in Staaten, in denen die freie Presse nicht oder nur in Ansätzen existiert.
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Die Unfähigkeit zur Kritik und die mangelnde Bereitschaft, "behördliche" Aussagen auf deren Faktengehalt zu überprüfen, erstaunt immer wieder. Bei [extern] Heise.de lesen wir: "Auf die Frage, wie viele Treffer die Vorratsdatenspeicherung gebracht habe, wollte Ziercke keine Zahlen nennen, sondern verwies auf eine Vielzahl von Erkenntnissen". Ziercke betonte die "Notwendigkeit des verdeckten Datenzugriffes". Genügt das als Auskunft? Hat auch nur ein Journalist nachgefragt, um welche "Erkenntnisse" es sich handelt? Oder wie der "verdeckte Zugriff" vonstatten gehen könnte?
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http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29110/1.htmlNein - und das ist der eigentliche Skandal. Ziercke hat noch zum Beispiel im März in einem [extern] Interview behauptet, das Bundeskriminalamt habe bislang keine Online-Durchsuchung durchgeführt und man arbeite noch "an eigenen Programmen." Ziercke ist derjenige, der ernsthaft [extern] die These vertrat, man könne Terroristen "über einen Trojaner, über eine Mail " übertölpeln oder die gar auf eine Website locken, "mit ihren Familienangehörigen, die bei einem Unfall verletzt worden sind", um ihnen die real noch gar nicht existierende geheimnisvolle Remote Forensic Software (deutsch: Behörden-Fernwartungs-Programm) unterzujubeln.