frivol schrieb:Was gibt es denn heute für Systemkritik und Lösungen?
Sieh dir die Links an die ich beigefügt hab.
https://jhiblog.org/ sieht zwar aus wie jeder Amateurblog, ist aber betrieben von Studenten und Doktoranden einiger der renommiertesten Unis der Welt.
Wenn du wissen willst was die aktuellen Standpunkte in der Politikwissenschaft bzw. generell in den Sozialwissenschaften sind, dann ist das ein guter Einstieg.
frivol schrieb:Da herrscht aber die kommunistische Partei.
China und sein System ist deutlich komplexer als die meisten annehmen. Vor allem ist es schwer China zu verstehen wenn man mit westlicher Perspektive darauf schaut.
China sieht den Kapitalismus als Werkzeug. Nicht als Wirtschaftssystem und schon gar nicht als Ideologie. Über 1800 der letzten 2000 Jahre war China die mächtigste Volkswirtschaft der Welt. Die letzten 200 Jahren waren für China nur eine kurze Abweichung von dieser Norm. Um wieder dauerhaft ihre führende Position einzunehmen haben sie angefangen westliche Industrialisierung zu imitieren, nur eben gezielt und zentral geplant anstatt mit vertrauen auf einen freien Markt.
Ihr System ist nicht kapitalistisch sondern in Grundzügen kommunistisch, zentral gesteuert, sozial-autoritär aber wirtschaftsliberal mit vielen Ausnahmen. Geld und Waren haben mehr Rechte als Menschen.
Während Macht im Westen pluralistisch verteilt ist und sich neben den politischen Akteuren auch auf Konzerne und Bürger verteilt, ist Macht in China im Staat absolut konzentriert. Die Wirtschaft unterliegt der vollen Kontrolle des Staates und ist genau so lange frei, solange sie im Sinne des Staates handelt.
Anders als der Westen, wo man in Zeiträumen von Legislaturperioden denkt oder im Kontext von Aktienkursen und Dividenden, denkt China langfristig, in Zeiträumen die oft mehrere Jahrzehnte lang sein können und auch nur mit solcher Weitsicht Sinn machen.
Gleichzeitig ist China aber auch extrem nationalistisch und hat riesige Angst vor seiner Bevölkerung, weswegen sie einen massiven, autoritären und höchst brutalen Überwachungsstaat aufgebaut haben, der jegliche Abweichung von der Staatslinie im Keim ersticken soll und die öffentliche Meinung, wenn möglich, von vorn herein steuern soll. China beschäftigt bspw. über 2 Millionen Angestellte die dafür da sind Staatspropaganda im Netz zu verbreiten.
Und das selbe versuchen sie inzwischen auch im Westen.
Die New York Times hatte vor Kurzem einen sehr guten Artikel darüber wie China Propaganda-Accounts in sozialen Medien einsetzt um öffentliche Diskurse zu beeinflussen.
https://www.nytimes.com/interactive/2019/09/18/world/asia/hk-twitter.htmlIn China selbst machen sie das seit langem sehr erfolgreich. Im Westen haben sie gerade erst damit angefangen und bisher eher wenig erfolg gehabt.
Die Russen machen übrigens genau das Selbe mit enormem Erfolg. Ca. die Hälfte der US-Wähler ist komplett beeinflusst von russischer Propaganda. Fast die gesamte politische Rechte in den USA schließt sich inzwischen im Großen und Ganzen den Talking-Points russischer Propaganda an.
Was auch Sinn macht, da die national-konservative Rechte in den USA und das national-konservative Regime in Russland ideologisch sehr große Übereinstimmungen haben.