Realo schrieb:Bei den Linken ist es meistens genau umgekehrt wie bei den Nazis: Der Umgang mit Juden ist für sie völlig normal; sie verurteilen aber die Politik Netanjahus (Siedlungspolitik und Antipalästinenserpolitk).
Netanjahu hier, Netanjahu da. Linke - und da reden wir hier nicht von kleinen Fraktionen und Splittergruppen innerhalb der deutschen Linken, sondern von der europäischen beziehungsweise globalen Linken - haben Israel schon vor Netanjahu als Apartheidstaat verteufelt; den Terror der Intifada gerechtfertigt, weil er nicht durch Antisemitismus, sondern "Verzweiflung" begründet gewesen sei; Israel das Existenzrecht abgesprochen; es mit doppelten Standards gemessen, dämonisiert und delegitimiert. Das sind alles Charakteristika von modernen, auf Israel bezogenen Antisemitismus. Und in Ländern wie Spanien, Frankreich oder Italien sind antiimperialistische und antiisraelische Fraktionen auch viel stärker vertreten. Das man bei der linken Vorliebe für identitäre Kollektive auch die Juden miteinbezieht, macht es garantiert nicht besser.
Das Verhältnis der Linken hängt nicht von einem einzigen Politiker ab und wird sich auch nicht ändern, wenn Netanjahu einmal in den politischen Ruhestand geht. Die Front reicht vom selbsterklärten Freund von Hamas und Hisbollah, Jeremy Corbyn, der in Augsteins Freitag gerade einmal wieder abgefeiert wird, bis Jean-Luc Melenchon; vom ehemaligen kommunistischen, heute sozialdemokratischen Arafat-Groupie Mogherini bis zur "feministischen" Regierung Schwedens, deren Außenministerin Margot Wallsträm Israel schonmal für den islamistischen Terror verantwortlich macht. Jede antisemitische Aggression der Palästinenser wird, wie weiland einst schon Martin Luther feststellte, dem Juden selbst zugeschrieben; der Hass wird rationalisiert und als legitime Reaktion begründet. In der taz wird Susanne Knaul weiter davon schreiben, das Attentate auf Juden aus Verzweiflung zustandekommen, während sich das einseitige Israelbild in den Medien und Schulbüchern nicht ändern wird.
Realo schrieb:Nazis: Antisemitismus pur; Israel scheint ihnen eher egal zu sein (neutral)
Rechtsparteien wie FPÖ oder Front National, die den starken antisemitischen Geruch, der Jahrzehnte von ihnen verströmt wurde, loswerden wollen, sind ostentativ projüdisch und proisraelisch, während von der NPD und ihrem Personal Wortmeldungen zu Israel zu hören sind, die auch vom israelkritischen Otto Normalvergaser aus der Spiegel-Kommentarspalte stammen können. Wenn Udo Pastörs "Freiheit für Palästina" fordert und das Bild eines armen, ungerecht behandelten Volkes skizziert, welches vom brutalen und mordlüsternen High-Tech-Staat Israel "entrechtet", "vertrieben", "drangsaliert" wird, dann deckt sich das nicht nur mit dem Duktus und Weltbild vieler Linker, vom friedensbewegten evangelischen Kirchgänger bis zur Redaktion der Jungen Welt, sondern zeigt, wie verbindlich der Antismeitismus als Scharnier zwischen angeblich unterschiedlichen Weltanschauungen funktioniert und das Israel der "Jude unter den Staaten" ist - und auch deswegen gehasst wird.
Realo schrieb:Wer ein Interesse daran hat, dass diese beiden Topoi in einen Topf geworfen werden und die Grenzen zwischen ihnen verwischt werden, lässt sich somit beantworten: Rechtsextreme bzw. Neonazis und der rechte Teil der Juden (nicht der linke).
Das ist nicht nur imaginiert, sondern auch perfide, weil es Antisemiten und Juden gleichsetzt, ein Bündnis halluziniert, und alle Juden, die sich gegen israelkritischen Antisemitismus zur Wehr setzen als "rechts" diffamiert. Das tun auch Sozialdemokraten und Liberale in Israel; zudem sprechen sie sich nicht für ein Kritikverbot aus, sondern lediglich für Fairness und Ausgeglichenheit.
Realo schrieb: Nach deiner Argumentation müsste Antisemitismus dann ja nachgerade genetisch bedingt sein, was natürlich lächerlich ist, zumal Rassismus generell nicht genetisch bedingt ist.
So ein Unsinn. Erstens habe ich auf die sozialpsychologische und kulturelle Dimension verwiesen; das der Antisemitismus Eingang in die europäische und deutsche Kultur gefunden hat, sollte eigentlich klar sein. Zweitens ist Antisemitismus nicht Rassismus, was ich dir erst letztens erläutert habe.