Warden schrieb:oder vielleicht eigene Meinung überdenken
Zu viele empirische Belege deuten darauf hin, dass anti-autoritäre Polizeiarbeit bzw. das Ersetzen von Polizeiarbeitern durch Sozialarbeiter deutlich effektiver ist.
Wenn in den USA ein Schwarzer von der Polizei abgeknallt wird und der Polizist anschließend freigesprochen bzw. gar nicht erst angeklagt wird, dann ändert das ja auch nicht meine Meinung zur amerikanischen Polizeiarbeit.
Warden schrieb:manchmal muss Gewalt wie Fixierung angewandt werden um die Maßnahme durchzusetzen.
Schon klar. Aber Gewalt als letztes Mittel ist für die Polizei, leider auch in Deutschland, ein Fremdwort. Weder ist man ausreichend in De-eskalations- und Kommunikationstechniken trainiert, noch sieht man das als seine Aufgabe an.
Die Annahme, dass Sicherheit und Ordnung nur über ein Gewaltmonopol aufrecht erhalten werden können ist längst überholt.
Andere Dinge wie bspw. das verstehen von Kriminalität als Resultat von Umweltfaktoren statt Ausdruck individueller Persönlichkeiten die dann zur Disziplinierung bestraft werden müssen, sind ähnliche völlig falsche Annahmen, die sowohl unserer Polizei als auch unserem Rechtsverständnis zugrunde liegen.
Moralvorstellungen ändern sich mit unserem Verständnis der Welt.
Kant bspw. gilt heute noch als einer der bedeutendsten Moralphilosophen, war aber ein lupenreiner Rassist.
Genauso wie der Rassismus, der für Kant noch selbstverständlich war, heute als deutliche moralische Verfehlung wahrgenommen wird, so werden zukünftige Generationen einige Dinge, die für uns heute ganz normal sind, als moralische Verfehlungen wahrnehmen.
Dazu gehört die antiquierte Art wie in unseren Gesellschaften für Ordnung gesorgt wird: Mit Gewalt und Bestrafung an Symptomen rumdoktern statt Ursachen zu bekämpfen.
Andere Dinge über die unsere Enkelkinder den Kopf schütteln werden sind bspw. die Tatsache, dass wir unsere Städte mit riesigen Blechkisten vollgestellt haben, die auf noch riesigere Betonflächen angewiesen waren und gleichzeitig unser Ökosystem völlig ruiniert haben.
Oder die Tatsache, dass wird Milliarden Tiere industriell produzieren und vernichten um dermaßen absurd riesige Mengen an Fleisch so billig verscherbeln zu können, dass selbst jemand der unter der Armutsgrenze lebt heute mehr Fleisch essen kann, als bis vor 200 Jahren nicht mal die Reichsten der Reichen hatten, weil wir uns jetzt eingeredet haben, dass das normal wäre. Auch hiervon wird unser Ökosystem ruiniert.
Oder die Tatsache, dass wir trotz unserem umfassenden Wissen über den Klimawandel und seine Konsequenzen nicht in der Lage waren unser eigenes Verhalten anzupassen.
Unsere Generationen werden zweifelsohne als die egoistischsten und moralisch verfallensten in die Geschichtsbücher eingehen.
Traditionell wurde das immer von der älteren Generation über die jüngere gesagt. Jetzt sagt es die jüngere über die Ältere.
Wir mögen uns damit rausreden, dass diese Moderne ja ganz neu war und wir nichts darüber wussten. Aber wir wussten alles.
Nichts von dem was wir hier tun ist verzeihlich.
Genau diese Normalisierung jeglichen Status Quo's und die Aufrechterhaltung des Status Quo's durch Institutionen wie die Polizei führt, dazu, dass die Polizei in der historischen Betrachtung nicht gut wegkommen wird.
Gerecht wäre Revolution. Notwendig wäre Revolution. Aber ich seh es nicht kommen und die Alternative ist eben das blutigste Jahrhundert, dass die Menschheit je erlebt hat und verantwortlich sind all die kleinen Zahnrädchen die das System am laufen hielten, auch als sie schon wussten, dass es das globale Ökosystem zerstört und, dass es die große Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Bereicherung kleiner Minderheiten ausbeutet und, dass es hunderte Millionen von Opfern fordern wird.
Das geht jetzt natürlich etwas weit, und natürlich wird in 100 Jahren niemand den Wachtmeister Schultz persönlich dafür verantwortlich machen, dass weltweit 500 Millionen Klimaflüchtlinge in Konzentrationslagern vernichtet wurden.
Aber diese grundlegende Annahme, dass Exekutivbehörden aus moralischer Sichte dem Zahn der Zeit standhalten und deswegen auch im Hier und Jetzt unbedingt hofiert werden müssen ist absurd.
Jede einzelne Herrschaftsform in der Menschen seit Anbeginn unserer Zivilisation gelebt haben wurde im nach hinein als unmoralisch wahrgenommen und damit verschwand auch die Legitimation jeglicher Exekutivorgane, die diese Herrschaftsformen aufrecht erhalten haben.
Es gibt nur einen Unterschied zwischen uns heute und den Menschen der Geschichte.
Zu keiner Zeit vor uns gab es gesichertes Wissen. Überprüfbarkeit von Fakten war selten gegeben und wenn, dann nur in speziellen Einzelfällen. Ohne umfassendes Wissen sind umfassende Moralvorstellungen nicht zu erwarten.
Seit einiger Zeit haben wir aber nun die wissenschaftliche Methodik, wir Wissen nun, wir sind mit Perspektiven konfrontiert, wir können Konsequenzen mit Sicherheit absehen, wir können Wissen überprüfen. Wir können uns also nicht mehr aus der Verantwortung ziehen.
Niemand vor uns wusste so genau wie die Welt 100 Jahre in der Zukunft aussehen wird.
Wir hingegen wissen wie ein Planet aussieht, der sich um 4-7°C erwärmt hat. Wir wissen viele Leute dann wegen steigendem Meeresspiegel aus ihrer Heimat fliehen müssen, wir wissen wie die Verschiebung fruchtbarer Zonen unsere Nahrungs- und Trinkwasserversorgung beeinträchtigen wird, wir wissen um die zahllosen fatalen Konsequenzen die ein instabiles Ökosystem für seine Bewohner hat.
Wir unternehmen trotzdem nichts, denn diese Konsequenzen betreffen unsere Kinder und Enkelkinder und die sind es uns offensichtlich nicht wert.
Was denkt ihr wie sich das in den Geschichtsbüchern so machen wird?