@LomaxAm 14. November 1914 trat das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg gegen die Entente ein, zu der auch Russland gehörte. Getrieben vom Wunsch nach der Rückeroberung jener Gebiete, die dem Osmanischen Reich dort in vorhergehenden Kriegen gegen Russland verloren gegangen waren, mehr noch aber von pantürkischen Vorstellungen, befahl die türkische Führung Ende 1914 eine groß angelegte Offensive im Kaukasus. Diese lief nicht nur den Vorstellungen der Verbündeten zuwider, sondern stellte angesichts des schwierigen winterlichen Terrains und des schlechten Ausrüstungszustandes der osmanischen Armee ein nicht unbeträchtliches Wagnis dar. Die nachfolgende Schlacht von Sarıkamış endete daher um die Jahrswende 1914/15 mit einer verheerenden Niederlage des Osmanischen Reiches und Gebietsverlusten im Zuge der russischen Gegenoffensive.
Die Tatsache,
dass eine Minderheit der Armenier die russische Armee in der Hoffnung auf Unabhängigkeit unterstützt hatte und auf russischer Seite armenische Freiwilligenbataillone an den Kampfhandlungen beteiligt waren, verstärkte innerhalb der jungtürkischen Führung „das Zerrbild eines angeblichen armenischen Sabotageplans.“
Obwohl die armenische Zivilbevölkerung und die in der osmanischen Armee dienenden Soldaten mehrheitlich loyal geblieben waren, machte die Staatsführung des Osmanischen Reiches die Armenier nun kollektiv für die militärischen Probleme in Ostanatolien verantwortlich.Der erste Schritt bestand in der Entwaffnung der armenischen Soldaten der osmanischen Armeen, die zum Teil anschließend getötet, zum Teil in Arbeitsbataillonen zusammengefasst wurden. Wenig später erfolgte die Hinrichtung mehrerer dieser Bataillone. Bei diesen und auch den folgenden Aktionen waren hauptsächlich die aus Kurden, freigelassenen Strafgefangenen und Flüchtlingen aus dem Balkan- und Kaukasusgebiet bestehenden Angehörigen der von Dr. Bahaettin Şakir geleiteten Spezialeinheit Teşkilat-ı Mahsusa beteiligt, welcher vermutlich noch weitere Freiwilligenbanden (Çete) aller Art zugerechnet werden müssen.
Vor dem eigentlichen Deportationsgesetz vom 27. Mai 1915 fanden bereits im Februar und April die ersten Deportationen in Anatolien statt, die jedoch noch nicht das planmäßige Ziel der Vernichtung zum Ziel hatten und sich deshalb auf die Überführung von Bevölkerungsteilen aus Adana, Zeytun und Dörtyol ins Landesinnere beschränkten.
m April 1915 erhoben sich die Armenier in Van und ließen sich nach erfolgreichem Widerstand „zahlreiche Schandtaten gegen die wehrlose muslimische Bevölkerung zuschulden kommen“Dieser Aufstand und die revolutionäre Gewalt der Huntschak-Aktivisten galten der Zentralregierung als durchaus willkommene Rechtfertigung für ihr weiteres Vorgehen gegen das armenische Volk. Die armenisch-sozialistische Huntschak-Partei praktizierte indes die Beseitigung all jener armenischen und nichtarmenischen Repräsentanten, die ihren Zielen im Wege standen, und wollte damit staatliche Repressionen gegen die armenische Bevölkerung provozieren, um insbesondere Russland zum Eingreifen zu bewegen. Ferner gab es die sogenannten armenischen Fedayin, die von Persien oder Russland aus „in ganz Armenien Schrecken bei Türken und Kurden“ verbreiteten.
Im April und im Juni 1915 erfolgten Razzien gegen die armenische Elite in Konstantinopel. Die treibende Kraft dahinter war Innenminister Talat Bey. Er setzte sich gegen den Widerstand von Kollegen, die internationale Verwicklungen befürchteten, für die Entfernung der Armenier aus der Hauptstadt ein.Am 24. und 25. April 1915 wurden zunächst 235 Personen verhaftet.Laut offizieller Darstellung vom 24. Mai 1915 betrug die Zahl der Verhafteten schließlich 2.345. In den Akten des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches werden weitere Verhaftungen und Deportationen von Armeniern Konstantinopels erwähnt und teilweise in Einzelheiten beschrieben.
Sie geschahen im Laufe des Jahres 1915 trotz der Versicherung der osmanischen Regierung, die Armenier Konstantinopels zu schonen.Am 27. Mai 1915 wurde von der Regierung ein Deportationsgesetz erlassen. Mit diesem Gesetz wurden die Sicherheitskräfte angewiesen, die Armenier einzeln oder insgesamt zu deportieren. Die Armee wurde verpflichtet und beauftragt, Opposition oder bewaffneten Widerstand gegen Befehle der Regierung, gegen die Landesverteidigung oder gegen die öffentliche Ordnung unverzüglich mit militärischer Gewalt in härtester Form „zur Raison zu bringen“ und Übertretungen und Widerstand von „Grund auf zu vernichten“. Im Einzelnen liegen Berichte darüber vor, dass Grundstücke von Deportierten per Gesetz zwangsübertragen, Barmittel und zurückgelassene bewegliche Habe „vereinnahmt“ wurden. Es sind keine Fälle bekannt, in denen den Deportierten Kompensation für die Enteignung gezahlt wurde.[58] In Häusern verbliebene Möbel und Gegenstände wurden geplündert. Vielfach wurden Gold und Schmuck unterwegs geraubt.
Das erinnernt mich nun doch sehr stark an die Nazis und der Enteignung der Juden !
Im Juni 1915 schrieb der deutsche Botschafter Hans von Wangenheim aus Konstantinopel an den deutschen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg:
„Daß die Verbannung der Armenier nicht allein durch militärische Rücksichten motiviert ist, liegt zutage. Der Minister des Innern Talaat Bey hat sich hierüber kürzlich gegenüber dem zur Zeit bei der Kaiserlichen Botschaft beschäftigten Dr. Mordtmann ohne Rückhalt dahin ausgesprochen „daß die Pforte den Weltkrieg dazu benutzen wollte, um mit ihren inneren Feinden - den einheimischen Christen - gründlich aufzuräumen, ohne dabei durch die diplomatische Intervention des Auslandes gestört zu werden; das sei auch im Interesse der mit der Türkei verbündeten Deutschen, da die Türkei auf diese Weise gestärkt würde.“
Ebenfalls im Juni berichtete der Generalkonsul in Konstantinopel Mordtmann:
„Das läßt sich nicht mehr durch militärische Rücksichten rechtfertigen; es handelt sich vielmehr, wie mir Talaat bej vor einigen Wochen sagte, darum die Armenier zu vernichten.[63]“
Bis in den Juli des Jahres 1915 hinein wurden die meisten Armenier zunächst in ihren Hauptsiedlungsgebieten an einigen Orten konzentriert, überwiegend in den Hauptstädten der betroffenen Vilayets.Sie wurden entweder gleich dort von türkischen Polizisten und Soldaten oder kurdischen Hilfstruppen ermordet oder auf Befehl Talats ab dem 27. Mai 1915 auf Todesmärsche über unwegsames Gebirge Richtung Aleppo geschickt. Dabei ging es nicht nur um eine Umsiedlung. Max Erwin von Scheubner-Richter, der damalige deutsche Vizekonsul in Erzurum, berichtete dazu Ende Juli 1915 in einem Schreiben an den Botschafter Wangenheim:
„Von den Anhaengern letzterer [i.e. der ,schrofferen Richtung‛] wird uebrigens unumwunden zugegeben,dass das Endziel ihres Vorgehens gegen die Armenier die gaenzliche Ausrottung derselben in der Tuerkei ist.
Nach dem Kriege werden wir ,keine Armenier mehr in der Türkei haben‛ ist der wörtliche Ausspruch einer maßgebenden Persoenlichkeit. Soweit sich dieses Ziel nicht durch die verschiedenen Massakers [ sic!] erreichen lässt, hofft man, dass Entbehrungen der langen Wanderung bis Mesopotamien und das ungewohnte Klima dort ein Uebriges tun werden.
Diese Loesung der Armenierfrage scheint den Anhaengern der schroffen Richtung, zu der fast alle Militär- und Regierungsbeamte gehoeren [sic!], eine ideale zu sein. Das tuerkische Volk selbst ist mit dieser Loesung der Armenierfrage keineswegs einverstanden und empfindet schon jetzt schwer die infolge der Vertreibung der Armenier ueber das Land hier hereinbrechenden wirtschaftlichen Not [sic!].“
Interessant ... in Deutschland gab es die "Judenfrage" und dort die "Armenierfrage" und anscheinend wusste die Bevölkerung DOCHdarüber bescheid, denn sonst wären siedamit nicht einverstanden gewesen. Aber wie auch in Deutschland, hat auch dort keiner etwas dagegen unternommen.
Ende August 1915 verkündete Talat den Abschluss der „Maßnahmen“ gegen die Armenier: „La question arménienne n'existe plus.“[67]. Möglicherweise fiel diese Äußerung im Bestreben, den Beweis zu liefern, „daß die Zentralregierung ernstlich bemüht ist, den im Innern vorgekommenen Ausschreitungen gegen die Armenier ein Ende zu machen“. Die deutschen Diplomaten schenkten diesen Beteuerungen allerdings wenig oder keinen Glauben.[68] Ernst Jäckh, Leiter der „Zentralstelle für Auslandsdienste“ im Auswärtigen Amt des Deutschen Reiches, erklärte im Oktober 1915 zur Rolle Talats:
„Talaat freilich machte keinen Hehl daraus, dass er die Vernichtung des armenischen Volkes als eine politische Erleichterung begrüße
Talat stand damit laut Jäckh im Widerspruch zum Finanzminister Mehmet Cavit Bey und zum Herausgeber der regierungstreuen Zeitung „Tanin“, Hüseyin Cahit Yalçın: „Dschawid und Hussein Dschahid opponierten immer energisch gegen diese armenische Politik, ersterer besonders aus wirtschaftlichen Erwägungen.“[71] Hüseyin Cahit Yalçın war allerdings später der Meinung, dass diejenigen, die die Deportationen befohlen und ausgeführt hatten, damit die Türkei gerettet hätten.[72] Aber auch andere ausländische Gesandte erfassten die Vorgänge in ihrer ganzen Tragweite, so zum Beispiel der US-Botschafter Henry Morgenthau, der aufgrund von Gesprächen mit den jungtürkischen Führern in seinen 1918 veröffentlichten Memoiren resümierte:
„When the Turkish authorities gave the orders for these deportations, they were merely giving the death warrant to a whole race; they understood this well, and, in their conversations with me, they made no particular attempt to conceal the fact. [...] I am confident that the whole history of the human race contains no such horrible episode as this. The great massacres and persecutions of the past seem almost insignificant when compared to the sufferings of the Armenian race in 1915..
Hier wird auch von der Vernichtung einer ganzen "Rasse" gesprochen ...
Abdulahad Nuri, ein hoher Deportationsoffizier, bekräftigte später laut Gerichtsakten, Talat habe ihm erklärt, die Deportationen verfolgten den Zweck der Vernichtung. Beim Yozgat-Verfahren wurden am 22. Februar 1919 zwölf Telegramme verlesen. In diesen Telegrammen wurde die Aussage Nuris, dass die Vernichtung das Ziel der Deportation sei, mehrfach bestätigt. Der später im Bayburt-Verfahren wegen seiner Beteiligung am Völkermord hingerichtete Landrat Nuri sagte später vor Gericht aus, er habe den geheimen Befehl erhalten, keinen Armenier am Leben zu lassen.[77] General Vehip Pascha, Oberkommandierender der 3. Armee erklärte nach dem Krieg vor der sogenannten Mazhar-Kommission:
„Die Deportationen der Armenier wurden im völligen Widerspruch zur Menschlichkeit, Zivilisation und behördlichen Ehre durchgeführt. Die Massaker und die Ausrottung der Armenier, der Raub und die Plünderung ihres Eigentums waren das Resultat von Entscheidungen, die vom Zentralkomitee des Komitees für Einheit und Fortschritt ausgingen.“
Quelle: Wikipedia