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Türken ein Teil von Deutschland?

5.138 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Politik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:18
wären in den 60er nicht die ganzen "gastarbeiter" nach deutschland gekommen... wäre einiges wirtschaftlich anders gelaufen... m.w. gibt es darüber sogar studien die das belegen.
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ja dann wären wir halt auf dem Nivau von Frankreich. Es war ne Unsinnsidee wegen Kurzfristiger Vollbeschäftiung Massen ins Land zu holen ohne in die Zukunft zu denken


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:19
Kunst des Missverstehens

Sie haben nicht Deutschland, sondern die Türkei gerettet: Warum vor fünfzig Jahren die ersten türkischen Gastarbeiter kamen und sie keine Opfer waren.


Jeder unserer Brüder und Schwestern hat hier Tag und Nacht gearbeitet, um Herzen zu gewinnen. Sie haben jede Bitterkeit zu Honig gemacht, jedweder Schwierigkeit getrotzt.“ Das sagte der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan 2008 bei einer Rede vor türkischen Immigranten in Köln. Es war Balsam für die Seele seiner Anhänger, sie hörten es nur zu gern. Auch deutsche Politiker neigen dazu, die Geschichte der Arbeitsmigration als eine von türkischen Opfern und deutscher Schuld durch Ausbeutung zu verklären. Aber diese Version der Geschichte ist ein Märchen.

1961 wurde auf Initiative und auf Druck der türkischen Regierung das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei - ähnlich wie bereits 1955 mit Italien und anderen Ländern - geschlossen. Eigentlich brauchte man in Deutschland die türkischen Arbeiterinnen und Arbeiter so dringend nicht. Aber es gab geopolitische Gründe. Die Vereinigten Staaten drängten die Deutschen, die Türkei wirtschaftlich zu stützen. In Kuba hatte Fidel Castro 1960 den Diktator Batista und die Amerikaner verjagt und auch in der Türkei revoltierten die Studenten und Gewerkschaften. Das globale Gleichgewicht im Kalten Krieg schien aus der Balance zu geraten.

Anwerbeabkommen als letzte Amtshandlung

Als 1960 dem türkischen Militär die innenpolitische Lage zu brenzlig wurde, ergriff es per Handstreich die Macht und inhaftierte den Ministerpräsidenten Menderes, der demokratische Reformen angestoßen hatte, die Kontakte zur Sowjetunion lockerte, mit Kontakten zu den Vereinigten Staaten liebäugelte und die Islamisierung vorantrieb. Kein westlicher Staat protestierte ernsthaft gegen den Putsch. Die Nato brauchte an der „Südost-Flanke“ des sozialistischen Blocks Verbündete und die militärisch schlagkräftige Türkei war dafür der historisch bewährte Partner. Das zeigte wenig später die Kuba-Krise, in der die Türkei eine bedeutende Rolle spielte. Die Nato-treuen türkischen Generäle forderten dafür einen Preis: Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung Europas.

Die Hebel waren unter anderem das Anwerbeabkommen und zwei Jahre später das Ankara-Abkommen, das der Türkei den Weg in die Zollunion und später in die Europäische Gemeinschaft ebnen sollte. Am 30. Oktober 1961, sechs Wochen nachdem Adnan Menderes auf der Insel Imrali im Marmara-Meer wegen vermeintlichen Verfassungsbruchs hingerichtet worden war, und zwei Wochen nach Neuwahlen, unterzeichnete man in Bad Godesberg das Anwerbeabkommen. Es war eine der letzten Amtshandlungen des langjährigen christdemokratischen Außenministers Heinrich von Brentano.

Das große Los war ein deutscher Arbeitsvertrag

Die türkische Innenpolitik war 1960 an den Problemen einer rasch wachsenden Bevölkerung und an der Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der eigenen Gesellschaft gescheitert. Alle türkischen Regierungen waren bisher einer Doktrin gefolgt, die der Staatsgründer Atatürk vorgegeben hatte: Man versuchte die Wirtschaft und auch die Nahrungsmittelproduktion planwirtschaftlich zu kontrollieren, schlug auf Weizenfeldern „Ernteschlachten“, hielt die Brotpreise künstlich niedrig. Man setzte zentral die Preise und die Zuteilung zum Beispiel für Zucker und Weizen fest und verhinderte auf diese Weise eine marktwirtschaftliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Und obwohl damals achtzig Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebten, wurden dort nur drei Prozent des Staatshaushalts investiert.

Die Folge war eine nachhaltige Landflucht und Verarmung der anatolischen Bevölkerung. Millionen Menschen zogen in die Städte, über Nacht entstanden „Gecekondus“, Slumviertel am Rand der großen Städte. Wer aber konnte, folgte dem Angebot aus Almanya. Ein deutscher Arbeitsvertrag war so wertvoll wie ein Lottogewinn. Es gab viermal so viele Bewerber wie Stellen vermittelt werden konnten.


So stark und als Nato-Partner verlässlich die türkische Armee war, so schwach war die Türkei wirtschaftlich. Es drohten Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut und in der Folge nicht nur ein Aufstand der Jugend und unter den Militärkadetten, sondern auch ein Staatsbankrott. Die türkische Regierung versuchte mit einer Verfassungsreform der Unruhe Herr zu werden und erhoffte sich vom Arbeitskräfteexport eine Entlastung des türkischen Arbeitsmarktes sowie die Minimierung des Handelsbilanzdefizits. Außerdem, so war die Spekulation, würden die Arbeitskräfte im Westen Know-how erwerben und ihr neues Wissen in die Türkei zurückbringen. Mit ihnen, das war der Plan, könnte man die türkische Wirtschaft modernisieren.

Bitte vergessen sie nicht ihre Heimat

Das bundesdeutsche Arbeitsministerium hatte Bedenken gegen das Engagement von ungelernten türkischen Arbeitskräften, glaubte man doch, die kulturell-religiöse Distanz zwischen den Menschen sei dem gesellschaftlichen Frieden nicht förderlich. Aber die Einwände der Sozialpolitiker wurden beiseite geschoben und das deutsche Außenministerium unter Heinrich von Brentano übernahm die Vertragsverhandlungen. Die Türkei sollte wirtschaftlich gestärkt werden und der westdeutschen Wirtschaft erschien es profitabel, für ein, zwei Jahre billige Arbeitskräfte aus Anatolien zu beschäftigen.

Die von den deutschen Arbeitsministerien vorgegebenen Bedingungen für die Anwerbung waren rigide. Die Arbeitsverträge wurden auf zwei Jahre begrenzt (das wurde 1964 auf Wunsch der Industrie wieder aufgehoben) und man setzte zunächst auf ein Rotationsprinzip, - nach zwei Jahren sollte ein Arbeiter durch einen anderen aus der Türkei ersetzt werden. Das stellte sich als nicht durchsetzbar heraus, weil so immer wieder Anlern- und Eingewöhnungszeiten anfielen. Explizit war in den Verträgen auch vereinbart, dass nur Unverheiratete angeworben werden durften.

Die Politik und Wirtschaft in Deutschland setzten darauf, dass die Gastarbeiter möglichst wenig kosteten und dabei ihre „kulturelle Identität“ bewahrten, damit die Rückkehrbereitschaft erhalten blieb. Erst 1979 erkannte der Sozialdemokrat Heinz Kühn an, dass aus Gastarbeitern Einwanderer geworden waren und wollte deren Integration durch Sprache und Bildung fördern.

Die Türken war nicht einfach nur die Ausgebeuteten

Bis 1973 wurde so der türkische Arbeitsmarkt, im Laufe von zwölf Jahren, von 857 000 Erwerbsuchenden entlastet. Das Anwerbeabkommen war das Ventil, das die sozial und politisch unter Druck stehende Türkei entlastete. Die Gastarbeiter, die in der Türkei bald „Almancis“, Deutschländer, genannt wurden, schickten monatlich einen Teil ihres Lohns aus dem kalten Norden nach Hause. Das war für Anatolien und jede Familie ökonomisch ein Segen. Geschätzt lebten um 1970 bis zu zehn Prozent der dreißig Millionen Menschen in der Türkei teilweise oder ganz von Überweisungen aus Deutschland - die Geburtenrate lag damals in der Westtürkei bei etwa 4,7 Kindern pro Frau und im Osten des Landes bei 7,4 Kindern. Vom damals in Deutschland ersparten Lohn - er war im Durchschnitt viermal so hoch wie in der Türkei - und dem Kindergeld konnte eine ganze Familie leben.

Die erste Generation der Gastarbeiter ernährte nicht nur sich, sondern auch ihre Großfamilien in Anatolien und rettete ihr Heimatland vor dem Bankrott. Die Entbehrungen und Leistungen dieser Menschen der ersten Generation wurden weder in der offiziellen Türkei noch in Deutschland wahrgenommen. Erst Günter Wallraff machte mit seinen Reportagen von „Ganz unten“ die Lage vieler Türken in Deutschland publik.

Aber gleichzeitig muss erwähnt werden, dass der Satz „Wir Türken haben dieses Land aufgebaut“, unvollständig ist. Denn die Türken waren nicht allein, sondern nur ein kleiner Teil des Millionenheers von mehr als fünf Millionen Arbeitsmigranten, meist aus anderen europäischen Ländern - aus Griechenland, Spanien, Italien, Jugoslawien, Portugal - die seit 1955 mit ihren deutschen Kollegen in Deutschland arbeiteten. Wenn heute so getan wird, als seien die Türken als Gastarbeiter damals unter die Räuber gefallen, ausgebeutet und diskriminiert worden, ist das nur die halbe Wahrheit und das Märchen vom Honig ist so süß wie falsch.

Die eigentliche Ursache des Integrationsproblems

Der Honig, von dem Erdogan sprach, wurde zwar von fleißigen türkischen Arbeitsbienen in Almanya gesammelt, verzehrt aber wurde er in der Türkei. Für viele war dies die einzige Unterstützung, denn die Türkei konnte ihre eigenen Bürger nicht ernähren. „Die Almancis haben damals die Türkei gerettet“, müsste es daher eigentlich heißen, was auch ein ehrlicher Dank an diese Menschen wäre.

In die Türkei zurückgekehrt sind die Türken im Gegensatz zur Mehrheit der Gastarbeiter aus europäischen Ländern übrigens auch nicht. Sie haben zuerst ihre Familien und später Jahr um Jahr Zehntausende junge Bräute und Bräutigame aus der Türkei nach Deutschland geholt. Erst dadurch entstand wirklich das uns heute beschäftigende Integrationsproblem. Aber das ist ein anderes Kapitel.
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Die Soziologin und Publizistin Necla Kelek, geboren in Istanbul, kam 1966 als Gastarbeiterkind nach Deutschland. Zuletzt erschien von ihr „Himmelsreise. Mein Streit mit den Wächtern des Islam“.

Quelle: F.A.Z.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/integration/gastarbeiter-die-kunst-des-missverstehens-11502703.html


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:25
Ja, als Gäste! Nicht weniger aber auch nicht mehr!!!


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:33
erklär den Gästen mal das die Party längst vorbei ist


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:35
Gastarbeiter, allein dieser Begriff ist eine Idiotie. Seit wann lässt man Gäste arbeiten?


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:36
@The_Wolverine
Zitat von The_WolverineThe_Wolverine schrieb:Ja, als Gäste! Nicht weniger aber auch nicht mehr!!!
war das die Antwort auf meine Frage, die lautete:
Zitat von nurunalanurnurunalanur schrieb:bin ich denn nun ein Teil von Deutschland oder nicht ?
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Zitat von andreaskoandreasko schrieb:erklär den Gästen mal das die Party längst vorbei ist
was willst du damit sagen ?

dass man sie nun nicht mehr braucht und somit abschieben kann/sollte oder, klär uns auf ?


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:37
@nurunalanur

Nee, war generell in den Raum gestellt!


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29.10.2011 um 15:44
@Wolfshaag

Da ist schon was wahres dran, nach Belgien, Holland sowie Österreich kamen schliesslich auch türken, die Türkei hat den Almancis vieles zu verdanken ( ne ganze Menge ) ja am ende ist alles politik es gab die Sowjetunion und Kemals ideen konnten nicht umgesetzt werden und die US interessen etc.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:46
@Wolfshaag

Frag mal die heutigen Italiener in Deutschland aus welchen Teil von Italien sie herkommen und du wirst mit 90%iger Wahrscheinlichkeit "Süditalien" hören. Entsprechende, vielleicht auch nicht so gravierende Probleme gab es auch in anderen EU-Ländern, von denen Gastarbeiter gekommen sind.

Die angesprochenen Aspekte entsprechen durchaus der Wahrheit. Die Wirtschaft wurden angekurbelt durch Überweisung an Familienmitglieder in der Türkei mit denen man Land gekauft, geerntet und gepflegt hat. Ansonsten sind auch die Aussprüche und Aussagen von Necla Kelek mit Vorsicht zu genießen, da sich der Eindruck vermittelt, dass die Frau bei ihrem Feldzug gegen alles was aus der Türkei kommt, leicht mal den Überblick verliert, wenn sie den nicht gerade Seite an Seite mit Thilo sein Buch vorstellt. ;)


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29.10.2011 um 15:51
@andreasko

Alter Freund.. Wieso hat deine Muse (Gerald Celente) eigentlich nicht den arabischen Frühling vorhergesehen?


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:54
Zitat von WolfshaagWolfshaag schrieb:Die türkische Innenpolitik war 1960 an den Problemen einer rasch wachsenden Bevölkerung und an der Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der eigenen Gesellschaft gescheitert. Alle türkischen Regierungen waren bisher einer Doktrin gefolgt, die der Staatsgründer Atatürk vorgegeben hatte: Man versuchte die Wirtschaft und auch die Nahrungsmittelproduktion planwirtschaftlich zu kontrollieren, schlug auf Weizenfeldern „Ernteschlachten“, hielt die Brotpreise künstlich niedrig. Man setzte zentral die Preise und die Zuteilung zum Beispiel für Zucker und Weizen fest und verhinderte auf diese Weise eine marktwirtschaftliche Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Und obwohl damals achtzig Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebten, wurden dort nur drei Prozent des Staatshaushalts investiert.
Den kalten Krieg konnte Kemal auch nicht voraussehen sollte man fairer weise schreiben, somit stand die Türkei auch wirtschaftlich kurz vor dem abgrund bei den Ausländischen Machtinteressen kein wunder !


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 15:59
@-ripper-

Weil eigentlich gedacht und angenommen war, dass die Gastarbeiter wenn sie den etwas Geld verdient und gespart haben, wieder zurück in ihre Heimatländer gehen. Sowas wie ein Integrationsplan oder sonstige Vorkehrungen wie man den eigentlich mit den eingetroffenen Umständen umgehen soll, gab es nicht. Alles zielte darauf ab, dass die Gastarbeiter das Land wieder verlassen. In der Schule wurde seperat türkisch Unterricht für die Gastarbeiterkinder angeboten, dass aber nicht aus dem Grund weil man besonders nett ist oder die Bildung der Kinder fördern wollte. Das geschah allein deswegen, damit die Kinder später keine Probleme in der Türkei haben sollten, wenn die Eltern wieder zurück gehen.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:08
Lesen


"Güle güle Ali!"

Ali Başar kam 1961 als einer der ersten türkischen Gastarbeiter ins Ruhrgebiet. Hinter ihm lag eine Jugend in Armut, vor ihm lag harte Arbeit in einem fremden Land. Ein Porträt.
Im zweiten Zug aus Istanbul nach München sitzt Ali Başar. Ohne Ausbildung, ohne Sprachkenntnisse, ohne Geld kommt der heute 79-Jährige ins Ruhrgebiet. Seine Heimat Tunceli (kurdisch: Dersim) in Ostanatolien hatte er schon als 13-Jähriger verlassen, um den Unterhalt für die Familie zu verdienen. Er landete in Istanbul, schlief auf Parkbänken, schlug sich als Tagelöhner durch. Ein Anwerbevertrag bringt ihn nach Deutschland, hier arbeitet er viele Jahre im Bergwerk und als Schweißer.

"An die Atmosphäre bei den medizinischen Untersuchungen kann ich mich noch gut erinnern. Alle waren aufgeregt, voller Hoffnungen. Die jungen Menschen, die sich beworben hatten, waren in der Türkei ja alle arbeitslos. Mit der Ablehnung verloren sie jede Hoffnung. Ich habe bestanden. Was für eine Freude das war! Mein erster Gedanke war: Nun würde ich meinen Geschwistern etwas zu essen geben können.

Ich bin der Älteste von uns. Meinen Vater habe ich kaum kennengelernt, er ist gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter hat uns allein großgezogen. Sechs Geschwister! Wir besitzen kein Land, meine Geschwister hatten keine Arbeit, einer meiner Brüder ist auf einem Auge blind. Wir haben in großer Armut gelebt. Wie kann ich das beschreiben, man kann sich das hier ja nicht vorstellen. In einer Blechhütte haben wir gewohnt."

Als Anfang der 60er-Jahre die ersten Züge vom Bahnhof Istanbul-Sirkeci nach Deutschland rollen, ahnt wohl kaum jemand, dass damit Migrationsgeschichte geschrieben wird. Im Enthusiasmus, mit dem der Aufbruch der Arbeiter begleitet wird, verbirgt sich jedoch die sichere Ahnung davon, dass die Reisenden auf diesem Wege Armut, Gewalt, politischem oder sozialem Druck entkommen. Der Bahnsteig verwandelt sich zum Festplatz: Mit Jubel, Trubel und Tränen werden die Gastarbeiter von Freunden und Verwandten verabschiedet.

"'Güle güle, Ali!' (Geh lachend), riefen sie mir zu. 'Schick uns ein Farbfoto aus Deutschland!' Es wurde gelacht, geweint, gesungen, manche haben sogar Musik gemacht. Bis Edirne an der bulgarischen Grenze ist eine Gruppe Journalisten mit uns im Zug gefahren. Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll mit uns. Wir waren ja der zweite Zug, das hat ganz schön für Aufsehen gesorgt. Vor der Grenze stiegen die Journalisten aus, und dann passierte etwas Lustiges.

In Sirkeci hatte ein Mann durch ein Megafon gesagt: 'Sehr geehrte Damen und Herren, hinter dem Eisernen Vorhang werden die Türen der Züge verschlossen bleiben. Bitte verlassen Sie hinter dem Eisernen Vorhang nicht mehr den Zug!' Als wir nach Bulgarien kamen, schauten wir neugierig aus dem Fenster, sahen aber nichts. 'Wo ist denn nun der Vorhang aus Eisen?', fragten die Leute, 'wir können ihn nicht sehen!' Was hatten wir schon eine Ahnung von der Welt da draußen!?"
Die Männer machten "Muuuh!"
Am Münchner Hauptbahnhof werden Ali Başar und die Mitreisenden aus der Türkei mit einem Tusch empfangen, per Megafon willkommen geheißen.

"In einem großen Raum, einer Art Salon unterhalb des Bahnhofs, haben sie uns versammelt. Sie gaben uns Obst, frisches Brot, Käse – und Würstchen. Wir dachten natürlich, das sei Schweinefleisch und wollten es nicht essen. Die Männer schauten uns an und machten 'Muuuh!' Wir verstanden und haben die Würstchen beruhigt gegessen. Dann wurden wir eilig in Gruppen aufgeteilt – je nach Ort und Arbeitgeber. Es breitete sich Panik aus, als wir erfuhren, dass wir getrennt werden sollten und alleine weiterreisen würden. Alle riefen durcheinander: Hasan, wo gehst du hin? Mehmet, in welche Stadt fährst du?

Ich wurde mit zwei anderen Männern nach Dortmund geschickt. So stiegen wir in den Zug – und staunten: Um uns herum waren überall so gut gekleidete Frauen und Männer in Nylonhemden! Das sind bestimmt Politiker, Abgeordnete, Minister, waren wir überzeugt. Wir haben es nicht gewagt, uns in eines der Abteile zu setzen. Also haben wir die gesamte Fahrt im Stehen verbracht."

Ali Başar ist froh, in Deutschland zu sein – aber anfangs auch sehr einsam.

"In den Pausen saß ich meist alleine da, auf einem Stein. Ich fühlte mich so einsam wie nie zuvor. Ich konnte mit niemandem reden, die Deutschen haben mich nicht beachtet. Bis Lorenz kam, der war anders. Er setzte sich neben mich, sprach mit mir. 'Ich: Lorenz, du: ?' – 'Ich: Ali.' So begann unsere Freundschaft. Am nächsten Tag brachte Lorenz mir von der Trinkhalle eine Sinalco mit, die er von seinem eigenen Geld für mich gekauft hatte! Ich gab ihm von meinem Brot, machte Tee für ihn. Irgendwann luden er und seine Frau Edith mich auch zu sich nach Hause ein. Die beiden haben mir sehr geholfen, so liebe Menschen. Wenn ich sehr traurig war, hat Lorenz mir den Arm um die Schulter gelegt und mich aufgemuntert."
Das Umfeld ist deutsch und links
Ali Başars Leben in Deutschland ist geprägt von Arbeit – und seinem Engagement für die Rechte der Arbeiter. Dass es für ihn und seine Kollegen eine Möglichkeit gibt, sich zu organisieren, und dass ihre Stimme auch gehört wird, ist eine einschneidende Erfahrung. 1969 wird er Gewerkschaftsmitglied, besucht regelmäßig die Gewerkschaftsschule der IG Metall, organisiert Diskussionsrunden, Demonstrationen, Weihnachtsfeiern, Sommerfeste. Sein Umfeld ist deutsch und politisch links. Dennoch begegnet er auch Menschen, die anders denken.

"Natürlich sind auch Dinge passiert, die nicht ganz in Ordnung waren. Einige Kollegen waren nicht sehr nett zu mir, ich musste manchmal mehr arbeiten als die anderen. Aber das ist alles nicht so wichtig. Meine Arbeitgeber haben mich immer sehr gut behandelt, mich für meine Arbeit geschätzt. Das ist denen ja das Wichtigste: dass die Leistung stimmt. Manchmal hat ein Chef mich sogar in Schutz genommen, wenn Kollegen mich respektlos behandelt haben."

Als kleiner Junge erlebt Ali Başar, wie das türkische Militär neben vielen anderen kurdischen Siedlungen auch sein Heimatdorf räumt, brutal gegen vermeintliche Aufständische vorgeht. Die Familie flieht – und verliert so den schmalen Besitz. Die Lage in der Region Tunceli bleibt angespannt. Armut, Hunger, Willkür und Gewalt prägen das Leben der Menschen. Ali Başar wird im Alter von 13 Jahren zu Verwandten nach Elazığ geschickt. Von dort geht er nach Malatya – und schließlich nach Istanbul. Die Menschen in Istanbul sehen anders aus als dort, wo er aufgewachsen ist.

Am Großen Basar trifft er einen Mann mit einem Bart, der aussieht wie die Männer in seinem Dorf. "Hey, du siehst aus wie ich!", ruft der junge Ali Başar. "Ich bin aus Tunceli, ich kenne hier niemanden!" Er bekommt einen großen Korb in die Hand gedrückt, den man auf dem Rücken trägt: Er soll den Frauen, die auf dem Markt einkaufen, die Taschen mit Obst und Gemüse nach Hause tragen.

An manchen Tagen schleppt er die schweren Lasten viele Kilometer. Nachts schläft er auf Parkbänken. Im Winter dient ihm sein Korb als Schutz vor der Kälte. Er verkriecht sich bis zur Hälfte darin, um seinen Körper vor dem Erfrieren zu retten. An einem Tag verdient er manchmal nur 10 Kuruş, dafür kann er sich ein halbes Brot kaufen, ansonsten ist er auf Almosen angewiesen.
Peitschenstriemen der Armut
Die Erinnerungen an seine Vergangenheit verlassen ihn in Deutschland nicht. Wohl deshalb erscheinen ihm rassistische Bemerkungen, denen er gelegentlich begegnet, erträglich; auch Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz. Durch sein hart erarbeitetes Geld fühlt er sich reich beschenkt. Eine Selbstverständlichkeit wird der bescheidene Wohlstand für ihn nie.

"Mit 29 habe ich mir meinen ersten Anzug gekauft, ein Hemd, Schuhe und Krawatte. Zu Hause habe ich die Sachen angezogen – und mich eine halbe Stunde lang im Spiegel betrachtet. Wie schön ich aussah! Irgendwann konnte ich mir auch ein Auto kaufen, einen Opel Kapitän. 10.000 Mark hat das gekostet! Zweimal sind wir damit in die Türkei gefahren.

Meine Mutter hatte noch nie in einem Auto gesessen. Sie konnte es gar nicht fassen, als sie uns sah, und lief aufgeregt hin und her. Zögernd stieg sie zu uns ein, hielt aber während der kurzen Fahrt die Griffe so fest umklammert, als hätte sie Angst rauszufallen. Die Armut, die ich in der Türkei erlebt habe, hat mich zur Dankbarkeit erzogen. Mit den Peitschenstriemen der Armut kam ich nach Deutschland, das Gefühl habe ich nie verloren."
http://taz.de/50-Jahre-Anwerbeabkommen-mit-Tuerkei/!80842/


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:22
Deutsche sind ja nicht mal ein Teil von Deutschland, wie können dann Türken ein Teil von Deutschland sein :D


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29.10.2011 um 16:24
Wenn sie hier leben, dann ja. Und vor allem dann, wenn sie bleiben wollen.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:31
Deutsch sein, ist für mich keine Frage des Geburtsortes, oder der Nationalität der Eltern.
Deutsch zu sein, ist für mich hauptsächlich eine Einstellungssache. Ergo, wer deutsch sein möchte, sollte es auch sein dürfen. Ganz einfach also.
Und damit ist für mich auch die Frage beantwortet, ob Türken ein Teil von Deutschland sind.
Ein Teil der Türken sicherlich, ein anderer Teil eben nicht. Aber das ist ihre Entscheidung, nicht meine.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:36
Wer deutsch sein möchte... wer sich an unsere Gesetze hält, wer so sein will wie wir, und wer sich anpasst... wer uns akzeptiert.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:39
Zitat von WolfshaagWolfshaag schrieb:Deutsch sein, ist für mich keine Frage des Geburtsortes, oder der Nationalität der Eltern.
Deutsch zu sein, ist für mich hauptsächlich eine Einstellungssache. Ergo, wer deutsch sein möchte, sollte es auch sein dürfen. Ganz einfach also.
Deutschland war immer ein Einwanderungsland. Ich finde dieses Deutschsein kann man nicht von einer Perspektive ausmachen. Viele Bayern sehen sich auch nicht als Deutsche sondern eben als Bayern. Und ob man Friesen, Sorben, Franken, Schwaben, Sinthi, Jidden usw alle in einem Topf zu werfen ist fraglich.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 16:50
@Individualist
Zitat von IndividualistIndividualist schrieb: Ich finde dieses Deutschsein kann man nicht von einer Perspektive ausmachen.
Doch kann man. Deutsch sein heißt im Grunde genommen, das Anerkennen der allgemeinen Regeln, der deutschen Gesellschaft und Kultur, sowie den subjektiven Willen, deutsch sein zu wollen, ergo in der vorher erwähnten Gesellschaftsform leben zu wollen.
Zitat von IndividualistIndividualist schrieb: Viele Bayern sehen sich auch nicht als Deutsche...
Blödsinn! Um ernsthaft seperatistisch denkende Bayern zu finden, wirst Du schon sehr lange suchen müssen.
Zitat von IndividualistIndividualist schrieb: Und ob man Friesen, Sorben, Franken, Schwaben, Sinthi, Jidden usw alle in einem Topf zu werfen ist fraglich.
Daran ist rein gar nichts fraglich, denn alle haben sich schon vor langer Zeit dazu entschieden deutsch sein zu wollen. Keiner der Aufgezählten wurde dazu gezwungen.


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Türken ein Teil von Deutschland?

29.10.2011 um 17:14
Zitat von WolfshaagWolfshaag schrieb:Doch kann man. Deutsch sein heißt im Grunde genommen, das Anerkennen der allgemeinen Regeln, der deutschen Gesellschaft und Kultur, sowie den subjektiven Willen, deutsch sein zu wollen, ergo in der vorher erwähnten Gesellschaftsform leben zu wollen.
Ich finde sowas ziemlich fraglich, vor allem was unter 82 Millionen Menschen deutsche Kultur und Gesellschaft bedeutet. Wenn jemand zum Karateclub(Japan) geht, Fußball spielt(England), Schach spielt(Iran), Kartoffel und Mais isst(Amerika) oder einen Tee(Indien) oder Kaffee(Äthopien) trinkt ob man da von deutscher Kultur sprechen kann
Zitat von WolfshaagWolfshaag schrieb:Blödsinn! Um ernsthaft seperatistisch denkende Bayern zu finden, wirst Du schon sehr lange suchen müssen.
Da gibt es mehr als du denkst
Zitat von WolfshaagWolfshaag schrieb:Daran ist rein gar nichts fraglich, denn alle haben sich schon vor langer Zeit dazu entschieden deutsch sein zu wollen. Keiner der Aufgezählten wurde dazu gezwungen.
Die Aufgezählten Volksgruppen haben sich häufig in den Haaren, sagst du zu einem Franken oder zu einem Schwaben Bayer kannst du gleich absichtlich die Treppe runterfallen.


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