Ich habe es schon mal geschrieben, ich tu's noch mal:
Jeder, der im öffentlichen Dienst in bestimmten exponierten Bereichen tätig ist, der bekommt wirre und/oder gewaltandrohende Äußerungen. Per E-Mail, schriftlich, in Anträgen, telefonisch oder via Social Media. Je nach Job kann das relativ viel Aufkommen sein.
Die klassische "Kundschaft" sind entweder offenbar mehr oder weniger schwer psychotisch erkrankte Personen (Chip im Kopf, abgehört, wahnhaft) oder im weitesten Sinne Reichsbürger (Existenz und Legitimität des Staates und seiner Organe werden in Frage gestellt, wirre Theorien über die wahren Autoritäten abgegeben, gerne auch geklagt, beantragt und widersprochen - obwohl die Behörde gar nicht existiert). Bemüht man die Datenbank, sind es oft "alte Bekannte", also Leute, die häufiger oder regelmäßig auftauchen.
Weil der Job ja nicht darin besteht, den Wirren, Irren oder Gefährlichen dieser Welt nachzujagen, gibt es einen Standard bei Drohungen mit Gewalttaten:
a) Ist die Drohung in ihrem Kontext Ernst zu nehmen? Richtet sie sich konkret - namentlich - gegen einen Mitarbeiter? Ist sie ansonsten hinreichend konkret?
b) Die Beurteilung der Gefährlichkeit beruht auf eingeschränkter Informationsbasis und einer Prognose. Im Zweifel wird der Sachverhalt an die Polizei abgegeben. Diese prüft, ob es ein "alter Bekannter" ist (oft ja) und ob eine Gefährderansprache erfolgen sollte (das sollte man der Polizei überlassen, die lassen sich ungern ihre Taktik vorschreiben, da werden sie unfreundlich).
c) Wird durch die Drohung unmittelbar eine Straftat begangen, dann (ggf. zusätzlich) Abgabe an die Staatsanwaltschaft.
d) Rückäußerung erfolgt eigentlich immer, so dass man was für die Akten hat. Da wurde dann auch mitgeteilt, ob der Betroffene z.B. in der Psychiatrie schon mal untergebracht wurde, ob er schuldunfähig war oder ob Maßnahmen ergriffen wurden.
Und A. wurde ja registriert. Zwei Besonderheiten, die A. von der oben beschriebenen Kundschaft unterschieden: Er war als Arzt sozial relativ weit oben und als geborener Muslim völlig untypisch rechtsextrem oder reichsbürgerähnlich. Ich nehme an, dass man deshalb seine Gefährlichkeit geringer einschätzte als sie letztlich war. Der Mann hatte was zu verlieren (Status, Job, Geld, Sicherheit) und Konvertiten haben immer eine Neigung, 150%ig zu sein. Also ich hätte ihn nicht als so gefährlich eingeschätzt, wie z.B. einen schwäbischen Rentner aus dem Reichsbürgermilieu.
Ganz klar ist: Solche Drohungen laufen immer unter Bagatellkriminalität. Gefährderansprachen und 30 Tagessätze sind üblich. Weil die Erfahrung lehrt: Die meisten Hunde, die bellen, die beißen nicht. Die meisten sind "Maulhelden". So lange also keine Gewalttätigkeit begangen worden ist, so lange kann nur die untere Stufe der Sanktionierung angewendet werden. Es gibt keine Präventivstrafen.
Und es sind insgesamt nicht wenige, die man als latent gewaltbereit einordnen kann. So gibt es laut Verfassungsschutzbericht fast 15.000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Die Zahl der erfassten Gewaltdelikte Rechtsextremer lag bei rund 1.000. Das zeigt: Es gibt da eine schlummernde Gefahr, die entäußert sich auch in Gewalttaten - aber man kann ja nicht 15.000 präventiv einsperren.
https://www.verfassungsschutz.de/DE/verfassungsschutz/der-bericht/vsb-rechtsextremismus/vsb-rechtsextremismus_node.html