Anschlag auf Weihnachtsmarkt Magdeburg

Justsaying schrieb:Es ist nicht ok, Rettungskraefte anzupoebeln, weil einem der Krankenwagen im Weg steht.
Es ist nicht ok, eine Frau, die in der Bahn angepoebelt wird, nicht zu unterstuetzen. Z.B. durch ein "Moechten Sie sich neben mich setzen?.
So was. Ganz klein, im taeglichen Umgang miteinander

Einfach mehr Sensibilität im Umgang mit den Mitmenschen. Ja, dass wäre wünschenswert, aber wie du selbst schon schreibst, die Verrohung ist bereits verbreitet.

Die Zeit ist zudem schnelllebig, viele Menschen sind ständig in Eile und schauen nicht nach rechts und links. Meist wird nur auf das Smartphone geschaut. Aber auch ohne Smartphone, haben wir in Deutschland leider öfter eine fehlende Zivilcourage. Natürlich aus Angst, selbst Opfer zu werden. Man sollte jedoch nie vergessen, dass man mal selbst Opfer sein könnte und dann froh wäre, wenn ein Mensch einschreitet.

Daher bin ich für Zivilcourage. Tja und bevor die Frage kommt, ich spreche nicht so daher und habe schon oft in pikanten Situationen geholfen. Das eine Mal sogar eine "Morddrohung" erhalten. Er hat mit einem Handzeichen "Kopf ab, töten" gemacht. Das war in der Gegenwart der Polizisten.

Yari schrieb:fehlende Zivilcourage

Das ist das, was ich meine.
Sich gegenseitig zu unterstuetzen, wenn jemand verbal oder taetlich angegangen wird. Und das bitte mit Fingerspitzengefuehl.
Damit wird denen, die sich nicht ok verhalten, fruehzeitig signalisiert, dass es eben nicht ok ist.

Gewalt beginnt im kleinen.

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/keine-hinweise-auf-drogen-oder-alkohol-blutprobe-von-magdeburg-attentater-ohne-auffalligkeiten-13059919.html

Der Täter stand nicht unter Drogen. Damit dürfte eine diesbezügliche Schuldunfähigkeit ausgeschlossen sein.
Ob er sich in einer psychische Ausnahmesituation befand, das gilt es noch abzuwarten.

Im Blut des Attentäters auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt wurden keine Hinweise auf Drogen oder Alkohol gefunden. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg bestätigte auf Anfrage, dass es bei der Blutprobe keine besonderen Auffälligkeiten gegeben habe. Zuvor hatte die „Magdeburger Volksstimme“ über das rechtsmedizinische Gutachten berichtet. Demnach seien lediglich Spuren eines Magenmedikaments und eines leichten rezeptfreien Beruhigungsmittels nachgewiesen worden.

https://www.tagesschau.de/inland/regional/sachsenanhalt/anschlag-magdeburg-u-auschuss-100.html

Wie zu erwarten wird in Sachsen-Anhalt ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Solche Ausschüsse werden in der Öffentlichkeit oft als Parteiengezänk oder Verantwortlichkeits-Ping-Pong wahrgenommen. Und die Medien sind auf Skandalisierung und Personalisierung fixiert.

Doch diese Ausschüsse und ihre umfangreichen Sachberichte haben v.a. in die Regierung und Behörden hinein eine nicht zu unterschätzende Wirkung. Denn so ein Untersuchungsausschuss ist sehr unangenehm und macht sehr viel Arbeit (v.a. die vorzulegenden Akten). Und seriöse Analysten finden dort viel Material.

Bin gespannt, wie die Ergebnisse sein werden. Nicht, welche Personen "schuldig" sind, sondern wo strukturell und in der Rechtsanwendung die Schwachstellen liegen. Denn das ist das Entscheidende.

Origines schrieb:Bin gespannt, wie die Ergebnisse sein werden. Nicht, welche Personen "schuldig" sind, sondern wo strukturell und in der Rechtsanwendung die Schwachstellen liegen. Denn das ist das Entscheidende.

Kurzfristige Genugtuung durch Bauernopfer (tatsächlich objektiv ableitbare Schuldige sind in gewissen Fällen aus meiner Sicht was anderes, meist wollen viele aber stumpf einfach nur "irgendwen") ist eh meist ineffizient; Strukturschwächen aufdecken und nachhaltig bekämpfen ist wichtiger.

Für mich ist beispielsweise NSU ein gutes Beispiel wo öffentlicher Druck und Aufarbeiten signifikante Änderungen in Best Practices, Berichtspflichten, gemeinsamen Austausch, Plattformen usw. vorangetrieben haben. Mir scheint generell, dass man in vielen Bereichen professioneller/vorsichtiger (im Schnitt) handelt und so Kalauer wie in gewissen Thüringer Amtsstuben (hust hust) in den 90ern oder so eher eine extreme Seltenheit bzw. nahezu Unmöglichkeit geworden sind. Das kann man meines Erachtens auch im größeren Zeitstrahl als positive Fortentwicklung deuten - auch wenn leider oftmals das Kind sinngemäß in den Brunnen dafür fallen musste.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/untersuchungsausschuss-magdeburg-anschlag-sicherheitskonzept-100.html

Der Untersuchungsausschuss startet.
Es wird zwei Bereiche geben, einmal geht es um den Täter und dann um das Sicherheitskonzept.
Hier die allerwichtigsten Punkte knapp zusammengefasst.

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit sechs Toten und annähernd 300 Verletzten hat der Landtag von Sachsen-Anhalt einen Untersuchungsausschuss zur Klärung von Tathintergründen und möglichen Fehlern eingerichtet.

Das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarkts und die Vorgeschichte des Täters würden genau "unter die Lupe genommen".

Er war Sicherheitsbehörden bekannt, fiel aber in keine Gefährderkategorie aus dem Bereich des politischen Extremismus.
Kritik gibt es am Sicherheitskonzept, da er ungehindert in den Marktbereich gelangen konnte.

Er (Ministerpräsident Reiner Haseloff) forderte zugleich politische Sofortmaßnahmen. Unter anderem müssten der Gefährderbegriff der Sicherheitsbehörden auf Täter wie A. ausgeweitet und der bundesländerübergreifende Datenaustausch zwischen Polizeibehörden verbessert werden.

Ich darf hierbei auf das Interview mit dem Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, verweisen:

So hat A unzählige Drohungen und Beleidigungen ausgesprochen, alles recht unspezifisch, er war aber nicht bekannt wegen irgendwelcher Gewalthandlungen

Terroranschlag oder Amoklauf? Es gab heute eine erste Vernehmung des Tatverdächtigen. Der Generalbundesanwalt wollte sich aber noch nicht abschließend festlegen. Der Generalbundesanwalt ist immer erst dann involviert, wenn es eine politisch motivierte Tat.

Die politische Diskussion um "Gefährder" oder "Gefährlichkeit" wird ja auch so oder so weiter gehen. Und es gibt Parteien, die aus solchen Taten politikwissenschaftlich ganz klassisch den Vorteil für sich suchen (Stichwort "Innere Sicherheit").

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/aschaffenburg-messerangriff-100.html

Der politische Extremismus ist ja nur ein Bereich. Schon im Zusammenhang mit Herrn A. stellt sich ja die Frage, ob nicht auch gesundheitliche Probleme bestanden, auf die anders hätte reagiert werden können oder müssen. Das ist ohne Gewalttätigkeit schwierig und in die Köpfe kann auch kein Psychiater kucken. Stichwort PsychKG:

Wikipedia: Psychisch-Kranken-Gesetz

Die Mischung "politisch extremistisch" und "psychisch labil" ist eigentlich eine, bei der bei den Sicherheitsbehörden laut die Alarmglocken schrillen. Die sind am gefährlichsten.

Aus den von mir schon dargelegten Gründen fiel A. da als "untypischer Fall" durchs Raster. Die Untersuchungsausschüsse werden das sicher akribisch aufarbeiten, ich habe da unabhängig vom Bundesland eine hohe Meinung. Es sind ja nicht nur Politiker an der Aufklärung beteiligt, sondern es werden auch unabhängige Experten befragt und Spezialisten (zumeist hochrangige Richter oder Staatsanwälte) eingesetzt, die die Akten durchforsten ("Ermittlungsbeauftragte"). Stichwort NSU oder Breitscheidplatz.

https://www.zeit.de/news/2025-01/23/magdeburg-richtet-beratungsstelle-fuer-anschlagsopfer-ein

Es geht um die Verteilung der Spendengelder
Insgesamt sind offiziell mehr als 2,6 Mio. eingegangen.

Die Stadt Magdeburg hat nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt jetzt eine Beratungsstelle eingerichtet, um Opfer und Angehörige zur Auszahlung von Spendengeldern zu beraten. ...

Allein auf dem städtischen Spendenkonto seien mehr als 1,3 Millionen Euro eingegangen. ... auf das gemeinsame Spendenkonto des Deutschen Roten Kreuzes, der Caritas und der Diakonie Mitteldeutschland ebenfalls mehr als 1,3 Millionen Euro ...

Bislang seien der Stadtverwaltung von der Polizei 817 Betroffene des Anschlags mitgeteilt worden.

Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (62, parteilos) verlor nur Stunden nach dem Anschlag ihren Ehemann nach einem Krebsleiden.

Etwas später rief Ministerpräsident Reiner Haseloff (70, CDU) an und sagte, er sei auf dem Weg und man sehe sich gleich in der Pressekonferenz. „Da habe ich noch gesagt: ,Nein, Herr Ministerpräsident, ich kann nicht kommen. Mein Mann liegt im Sterben.‘ Ich habe es dann aber noch mal sacken lassen und gesagt, es geht nicht anders, du musst da jetzt hin.“

Eine starke Frau! Mein Beileid Frau Borris!


Quelle:
https://m.bild.de/politik/inland/magdeburger-ob-ueber-anschlag-und-persoenlichen-verlust-678b81e1c5c99421c7b9132d?dicbo=v2-NfsSYJb&cid=kooperation.article.outbrain.mobil.MB_22.bild&t_ref=https%3A%2F%2Ftraffic.outbrain.com%2F

https://www.bild.de/regional/niedersachsen/er-starb-beim-anschlag-auf-den-weihnachtsmarkt-trauerfeier-fuer-andre-678b5ddf56e145300e4711ea

Hier muss Andrés Mama die Urne ihres Sohnes zu Grabe tragen

So titelte die Bild, der als einziges Medium gestattet war, neben Verwandten und Freunden an der Bestattung teilzunehmen und ein Gruppenfoto der Trauergemeinde veröffentlichte. In der Regel übernimmt das der Bestatter oder ein Friedhofsmitarbeiter, ein dramatisches "muss" hätte es nicht unbedingt gebraucht.

Auch der leibliche Vater hatte an der Beerdigung teilgenommen, wie man auf dem Gruppenfoto sehen kann und ich finde es bewundernswert, wie er sich aus dem Socialmedial-Hickhack herausgehalten hat. Nun haben Mutter und Stiefvater tiktok in den privaten Bereich verschoben, was ich positiv vermerken möchte.

@emz
Habe ich auch gerade gelesen...toller Staat!
Der Chef des miserabel bewachten Weinnachtmarkts wollte die private Konkurrenz mit Sicherheitsauflagen loswerden - das ist an Blödheit nicht zu überbieten.

@Abahatschi

Ja, auf den Punkt gebracht, kann man das tatsächlich nur so zusammenfassen.
Wenn das Ganze nicht so entsetzlich traurig wäre, man käme aus dem Lachen nicht mehr raus.

emz schrieb:In der Regel übernimmt das der Bestatter oder ein Friedhofsmitarbeiter, ein dramatisches "muss" hätte es nicht unbedingt gebraucht.

Ich denke das "muss" bezieht sich auf die Tragödie und das Leid der Mutter an sich, dass sie durch den hinterhältigen Anschlag ihr geliebtes und noch junges Kind zu Grabe tragen muss. Nicht auf den Akt des Tragens der Urne als solches.

Abahatschi schrieb:Der Chef des miserabel bewachten Weinnachtmarkts wollte die private Konkurrenz mit Sicherheitsauflagen loswerden - das ist an Blödheit nicht zu überbieten.

Bin ausnahmsweise mal (fast) deiner Meinung, würde aber Blödheit durch Dreistigkeit ersetzen, oder zumindest ergänzen.

Das ist so abgefucked und vermutlich wird es am Ende wieder so sein, dass niemand zur Verantwortung gezogen wird. Genau wie z.B. bei dem Love Parade Unglück.

fischersfritzi schrieb:am Ende wieder so sein, dass niemand zur Verantwortung gezogen wird

Selten, aber auch ich kann überrascht werden - wenn man den Wortführern hier glaubt ist die Suche nach Verantwortlichen ganz böse...geschweige denn Konsequenzen erwarten.

fischersfritzi schrieb:Das ist so abgefucked und vermutlich wird es am Ende wieder so sein, dass niemand zur Verantwortung gezogen wird. Genau wie z.B. bei dem Love Parade Unglück.

War auch direkt meine Vermutung.

sooma schrieb am 26.12.2024:Kann man nur hoffen, dass das nicht wie bei der Loveparade läuft und sich alle Zuständigen aus der Verantwortung ziehen, erste Anklänge gab es ja schon.

Andere Stadt, gleiches Spiel.

Der zitierte Beitrag von emz wurde gelöscht. Begründung: Klarname

Neben den selbst und fahrlässig verursachten Lücken muss man sich das echt mal auf der Zunge zergehen lassen:

Krug hatte Ende Oktober 2024 eine interne E-Mail verschickt, die den Verdacht nahelegt, dass der große Weihnachtsmarkt auf dem Alten Markt vor Konkurrenz geschützt werden sollte – und zwar vor dem nahegelegenen, privat betriebenen „Wiehnachtsmärt“. In der Mail erteilte Krug Mitarbeitern einen „Arbeitsauftrag“. Konkret hieß es darin: „Ich bitte möglichst kreativ zu prüfen, ob wir vor dem Hintergrund Sicherheitskonzept und/oder Brandschutz noch Möglichkeiten haben, diesen Weihnachtsmarkt zu untersagen oder mit härteren Auflagen zu versehen.“

Ziemlich fragwürdiges Unternehmen, Gier und undurchsichtige Verquickungen auf Kosten von Menschenleben. Und ja, das sind – für mich – auch Täter.

emz schrieb:So titelte die Bild, der als einziges Medium gestattet war, neben Verwandten und Freunden an der Bestattung teilzunehmen und ein Gruppenfoto der Trauergemeinde veröffentlichte. In der Regel übernimmt das der Bestatter oder ein Friedhofsmitarbeiter, ein dramatisches "muss" hätte es nicht unbedingt gebraucht.

ist Dir jetzt aufgefallen, Du hattest den Artikel doch schon vor Tagen gepostet....und Seitenhiebe gegen die Mutter und Stiefvater findest Du immer noch angebracht?

emz schrieb:Auch der leibliche Vater hatte an der Beerdigung teilgenommen, wie man auf dem Gruppenfoto sehen kann und ich finde es bewundernswert, wie er sich aus dem Socialmedial-Hickhack herausgehalten hat. Nun haben Mutter und Stiefvater tiktok in den privaten Bereich verschoben, was ich positiv vermerken möchte.

unfassbar, wenn man Menschen ihre Trauer/Schock etc nicht einfach so verarbeiten lässt, wie es für sie richtig und gut ist, sondern dazu dann noch unnötige Kommentare abgibt.

emz schrieb:Auch der leibliche Vater hatte an der Beerdigung teilgenommen, wie man auf dem Gruppenfoto sehen kann und ich finde es bewundernswert, wie er sich aus dem Socialmedial-Hickhack herausgehalten hat.

Welches Gruppenfoto? Ich sehe nur die Mutter und den Stiefvater.

Es gibt halt auch Leute, die in Ruhe trauern wollen, sich den Stress nicht antun wollen und vielleicht auch gar nichts mit Social Media zu tun haben wollen.

Tussinelda schrieb:ist Dir jetzt aufgefallen, Du hattest den Artikel doch schon vor Tagen gepostet....und Seitenhiebe gegen die Mutter und Stiefvater findest Du immer noch angebracht?

Ist mir tatsächlich erst jetzt aufgefallen.
Habe es als positiv erwähnt, dass Mutter und Stiefvater ihre tiktok-Videos in den privaten Bereich verschoben haben.

emz schrieb:Habe es als positiv erwähnt, dass Mutter und Stiefvater ihre tiktok-Videos in den privaten Bereich verschoben haben.

Vielleicht kann man die einfach mal außen vor verlassen und nicht ständig so unappetitlich zum Thema machen. Wir sind hier im Bereich "Politik", nicht in "Unterhaltung".

sooma schrieb:Vielleicht kann man die einfach mal außen vor verlassen und nicht ständig so unappetitlich zum Thema machen. Wir sind hier im Bereich "Politik", nicht in "Unterhaltung".

Dann gehe mit gutem Beispiel voran und thematisiere es nicht erneut, jetzt wo es sich erledigt hat.
Es ging um Anschuldigungen gegen Behörden, Anzeigen gegen Personen und da sind wir aus dem Bereich Unterhaltung raus.