Über Anschläge und Sicherheitsbehörden - unter der Mutmaßung, dass dies ggf. ein vorher geplantes, ggf. verhinderbares (weil aufklärfähiges) Terrorszenario war und nicht eine spontane oder schwer aufklärbare Amoktat.DerThorag schrieb:Auf NTV hat gerade ein Experte aufgezählt, was in den letzten Wochen an Anschlägen in Deutschland verhindert wurden. Das ist schon wirklich beängstigend und definitiv nicht auf dem Niveau wie noch vor 10-15 Jahren.
Die bittere Realität hierzu ist, dass Deutschland "allein" nicht in der Lage wäre auf hohem Niveau Anschlagsplanungen zu verhindern.
Das ist einerseits klar in einer globaleren Welt. Das gilt für sehr viele andere Länder auch und man hilft sich international weil man gar nicht alles selbst aufklären kann.
Aber andererseits...
...ist die bittere Pille, die man beim Thema Innere Sicherheit schlucken muss, dass wir uns ähnlich wie zuvor im Bereich Verteidigung eine bequeme Haltung leisteten, indem wir vergleichbar wie die Bundeswehr unsere Sicherheitsinstitutionen oft politisch-gesellschaftlich sehr stiefmütterlich behandelten, den Datenschutz oftmals über alles andere stellten bzw. den Rechte- und Handlungsrahmen von Sicherheitsbehörden oftmals stiefmütterlich behandelten.
Ich will es ganz simpel schreiben damit es alle verstehen, ohne rosige Umschreibungen: Mein Eindruck ist, dass wir aus partiell sehr sehr nachvollziehbaren historischen Gründen heraus immer sehr bedacht waren, unsere Sicherheitsbehörden mehr zu befähigen und deren Notwendigkeit eher anzuerkennen. So wie partiell (!) Soldaten von Teilen der Gesellschaft/Politik als feindlich / schlecht empfunden wurden oder andere Bevölkerungsteile oftmals freundliches Desinteresse vertraten, so empfinde ich es partiell bei gewissen Sicherheitsbehörden. Das rächt oder zeigt sich dann in deren Aufklärungs- und Schlagfertigkeit. Andererseits ist der politische und gesellschaftliche Änderungsdruck nicht so hoch, wenn uns im Zweifel andere immer wieder aus der Patsche helfen und man dann eine schwere Terrortat verhindern konnte, weil sinngemäß ja meist andere die Kohle aus dem Feuer holen.
Ganz einfach: Wenn man oftmals aus Teilen der Politik und Gesellschaft skeptisch mit Sicherheitsbehörden umgeht, aus historischen oder anderen Erwägungen, und diese einhegt oder über-kontrolliert oder falsche Prioritäten setzt, dann wird deren generelle Wirkfähigkeit halt irgendwo abstrakt begrenzt sein. Ich höre davon immer wieder persönlich, lese dazu Artikel und Interviews von Insidern und vergleiche selbst rudimentär wie es in anderen (demokratischen) Ländern läuft.
Dass man in einem Rechtsstaat und einer liberalen Demokratie natürlich keinen Blankoschein ausstellen kann und will ist absolut klar. Aber ich frage mal simpel: Wie schlagen wir uns eigentlich in einem Vergleichsrahmen mit anderen europäischen oder liberalen Demokratien?
Wenn man hört, dass oftmals andere, partiell kleinere Länder weitaus wirkfähigere Sicherheitsbehörden mit lockerem Korsett haben, dann wundert man sich. Man wundert sich, wo denn hier im Lande etwaige offene Baustellen bestehen oder ob man politisch usw. immer noch falsche Prioritäten setzt. Wir sind einfach (zu?) abhängig vom Ausland. Das oftmals wirkfähigere Ausland kann mehr als wir sehen aber auch dieses hat Grenzen.
Was ich schlichtweg im Kontext eines hier grausamen wieder stattgefundenen Terroranschlags (oder Amoktat?) zur Debatte oder als Denkanstoß in den Raum stellen möchte ist, ob man nicht politisch und gesellschaftlich erwägen sollte, wo man bisher unnötig Sicherheitsbehörden, seien es Polizeien oder Behörden wie den VS bzw. die Landesbehörden dessen (Föderalismus und so) an die Kandarre genommen oder blockiert hat und wo man in einem rechtsstaatlichen Rahmen deren Wirkfähigkeit auf Ebene der Befugnisse oder Befähigungen (Ausstattung, Fortbildung, Personal, etc) sinnvoll erweitern kann. Respektive wo man unnötige strukturelle Hemmnisse abbauen kann.
Denn machen wir uns nichts vor: Anschläge, Anschlagsversuche wird es weiter geben. Jeder verhinderte, vorher zeitnah aufgeklärte Anschlag ist ein Segen. Es hätte theoretisch bei mehr Anschlagen die man weniger verhindern könnte aber auch dich oder mich treffen können. Oder unsere Bekannten und Verwandten. Man kann (daher) schon rein egoistisch argumentieren, dass wir hier schauen sollten wie wir mehr Anschläge möglichst verhindern können - sei das über lokale Schutzkonzepte vor Ort oder sei das abstrakt oder allgemein eher über Befähigung der Aufklärungsmethoden oder Wirkweise von unseren Behörden.
100% Sicherheit ist schwer erreichbar bzw. der Preis dafür wäre zu hoch. Aber ich denke wir können noch an vielen Stellschrauben drehen. Das sind wir als Gesellschaft, das ist die Politik schon rein präventiv (künftigen) Hinterbliebenen und Opfern schuldig. Das sollten wir selbst aus Selbstschutzgründen irgendwo bedenken.
Das wäre auch vor allem im präventiven Sinne weitaus nachhaltiger.