@sacredheart Letztendlich gehen alle meine Gedanken von folgenden Grundsatz aus:
Um Gewalt, Elend und Kriminalität in unserer Gesellschaft senken will, muss ich erreichen, dass
a) Menschen sich nicht Gegenseitig verletzen sondern sich gegenseitig unterstützen wollen.
b) Menschen dazu in die Lage versetzt sind, sich nicht gegenseitig zu verletzen und sich zu unterstützen.
Diese Punkte sich nicht äquivalent. Man kann in einer Gesellschaft leben, in der die meisten menschen sich eigentlich nicht verletzen wollen (und ich glaube in so einer leben wir), es aber trotzdem tun, weil sie nicht wissen, wie sie damit aufhören können (Das ist z.b. im kleinen, wenn sich Eltern und Kinder aus gegenseitigem Missverstehen unter Umständen empfindlich gegenseitig verletzen, im Großen wenn z.B. Psychiatrien in der Vergangenheit sicherlich Menschen helfen wollten, aber sie in Zwangsjacken gesteckt und zwangsmediziert haben oder anderweitig methoden genutzt haben, die nicht halfen aber viel kaputtgemacht haben).
Und was dazu notwendig ist, um diese beiden Punkte zu erreichen, ist meiner Ansicht nach ein Gemeinschaftsorientiertes Denken, was wir so heute nicht umfassend haben.
Ich möchte dazu , wie ich das so mache, ein Bild malen. Ich zitiere das, damit der Post einfacher zu lesen ist:
Stell dir mal eine etwas romantisierte Generation X Jugend vor. Noch so ein bisschen vor dem Internet. Stell dir ein paar Jugendliche vor, die ganz sicher nicht mit ihren Eltern darüber reden, was die so draußen machen.
DIe hängen täglich an der Skaterrampe irgendwo im nirgendwo ab, rauchen da schon mit 14 oder Kiffen sogar. Prügeln sich da sogar ab und zu und machen manchmal gefährliche Sachen oder verbotene Sachen (so in der Größenordnung Einsteigen in ein verlassenes Haus oder Supermarktdiebstahl).
ABER: Die kennen gewisse Grenzen. Die würden sicherlich keinen einfach überfallen oder Familienvater verprügeln. Die haben halt ihren eher rechtsfreien Jugendraum, wissen aber auch, wo Schluss mit lustig ist und wissen irgendwo auch, wo ein Problem existiert, wo man die Eltern für braucht oder die POlizei (also wenn z.b. etwas wirklich schlimmes geschieht).
Solche Jugendliche sind kein großes Problem, weil sie trotz ihrer Delinquenz eine Art von Gemeinschaftsgefühl besitzen, ein soziales Netz, wo sie viele ANsprechpartner haben, wenn es ein Problem gibt und im großen und ganzen bestimmte Grundsätze verinnerlicht haben. DIe leben ihre hässlichen Seiten altersgerecht aneinander aus und zwar so, dass alle damit im Großen und Ganzen klarkommen.
So, jetzt Schluss mit der etwas romantisierten Jugend, denn so sieht die Jugend heute nicht mehr aus, wenn sie es jemals getan hat.
Wir haben eine sehr fragmentierte Gesellschaft, in der einzelne Gruppen zwar oft eine Art von Gemeinschaftsgefühl füreinander haben, aber nicht mehr für die Gesellschaft an sich. Heißt: Da hat durchaus zwar ein bereits vorbestrafter Jugendlicher sehr große Solidarität zu seinen Freunden, aber eben nicht mehr für den alten Mann, der ihn in der Bahn bittet, sein Handy leise zu machen. Der bekommt dann unter Umständen Schläge.
Andersherum ist das auch so: Besser sozialisierte Jugendliche würden keinen alten Mann verprügeln, weil das ihrer Sozialisierung und gesellschaftlichen Stellung nicht entspricht (bei der Peer group und auch bei den Erwachsenen Bezugspersonen gewinnt man damit nichts), aber auch die haben häufig kein Gemeinschaftsgefühl mehr, sondern sind Einzelkämpfer. Sie würden sehr schnell andere fallen lassen oder auch die machtstrukturen, die ihre stellung in der gesellschaft hergibt, nutzen, um sich von anderen abzusetze (ich spreche da aus erfahrung, ich war so ein Jugendlicher).
Die Gesellschaft in die wir schauen ist eine mit hohen Prinzipien, aber eine kalte, in der man sich mit den Problemen der anderen nicht beschäftigen will, auch gar nicht mit den PErsonen an sich auseinandersetzen will. "Wenn es dir nicht gut geht, dann geh halt zum arzt" ist letztendlich zwar kein falscher Ratschlag, aber eben auch eine MEthode, um zu sagen "lass mich in Ruhe".
Wo in meinem Bild die Jugendlichen eine Sicht hatten für die Frage 'wie wollen wir miteinander umgehen', was die Restgesellschaft schon irgendwie mit eingeschlossen hat, haben das die MEnschen heute oft ausgetauscht gegen ein 'was darf ich machen', was dazu führt, dass man eigentlich alles machen darf, solange man sich rechtfertigungen ausdenkt, die in der peergroup als legitim gelten.
Das ist beim Freund, der Alkoholsüchtig ist dann "man muss solche LEute fallen lassen, damit es besser wird", auch dann, wenn der noch gar nicht so schrecklich süchtig ist, aber nervt.
Das ist bei jugendlichen intensivtäter "der hat mich halt blöd angemacht, wollte den ja nicht ins krankenhaus schlagen aber soll er halt auch nicht ankommen".
VErsteh mich da nicht falsch, das eine ist schlimmer als das andere, aber beides ist schrecklich kalt. Und diese Kälte müssen wir bekämpfen, wenn wir eine Gesellschaft wollen, in der wir uns weniger Kriminalität antun.
Und ich sage das nicht als irgendein Hippie. Im Gegenteil, ich war schon von klein auf ein Apparatschik und Spießer. Ich hab in meiner Jugend nie Drogen genommen, ich hab nie Regeln übertreten, ich hab die LEute verurteilt, die das gemacht haben und gehofft, dass meine Systemkonformität mir einen Vorteil ihnen gegenüber verschafft. UNd das hat so auch häufig geklappt. Ich mag es nicht, mich mit lauten Menschen auseinanderzusetzen, die mich einschüchtern, weil ich kein sonderlich mutiger Mensch bin und mein erster Impuls bei einer GEsetzesübertretung ist, die POlizei zu rufen, sicherlich nicht selbst hinzugehen und das klärende Gespräch zu suchen.
Wenn einer wie ich sowas wie oben sagt, dann sage ich das, weil ich zu der logisch zwingenden Schlussfolgerung gekommen bin, dass das so stimmt. Nicht, weil es meinem Komfortzonenweltbild entspricht. Ich sage das aus mathematischen Überlegungen heraus.
Um Verbrechen bekämpfen zu können haben wir nur eine einzige Wahl: Wir müssen dafür Sorgen, dass die Umstände, die Verbrechen begünstigen, möglichst minimiert werden.
EIN Umstand, der das tut, ist, wenn Verbrechen sich lohnt. Darauf basieren Gefängnisse: Es darf sich nicht lohnen, wenn man regeln übertritt.
Aber das ist nur ein Umstand, nicht der einzige, meiner Meinung nach auch lange nicht der Wichtigste.
Ein anderer Umstand ist, wenn Menschen nicht wie oben skizziert sich als Teil einer Gemeinschaft verstehen.
Ein Opfer, das sich nicht als Teil einer Gemeinschaft versteht und keine Ansprechpartner hat, die ihm hilfreich erscheinen, kann sich nicht wehren. Wenn ein Kind in einer missbrauchsfalle durch Eltern steckt, aber Lehrer, Jugendamt und Polizei nicht als nahbare Helfer erscheinen und auch Freunde kein soziales Netz bilden, was hier helfen kann, ist das Opfer allein.
Wenn ein potentieller Jugendlicher Straftäter niemanden mehr in der Mehrheitsgesellschaft hat, der irgendwie menschlich auf Augenhöhe mit ihm agiert und dessen Urteil ihm wichtig ist, dann ist er irgendwann für uns verloren. Sobald da jemand ist, bei dem es wirklich weh tut, wenn der nach einer Straftat von diesem Jungen enttäuscht ist, sieht das schon wieder etwas anders aus (ob das jetzt ein lehrer, freund, oder ein anderweitiges Vorbild ist).
Der Schlüssel ist der Aufbau sozialer Netze und Gemeinschaften, die mehr als nur eine Peerbubble sind.
Und darüber, wie wir das schaffen, sowohl bei Jugendlichen als auch bei erwachsenen, sowohl im kleinen als auch im großen (z.B. bei der Frage, wie wir Suchtkranke effektiver unterstützen können), müssen wir uns endlich unterhalten undzwar ernsthaft und ergebnisoffen.
Das ist NICHT vorrangig eine Geldfrage, das ist erstmal vorrangig eine Frage der Perspektive, und der Perspektivwechsel ist hier dringen und notwendig.