borabora schrieb:Ein viel zu komplexes Thema u. wenn das möglich wäre zu verhindern, so wäre es längst so.
Wobei einschränkend zu sagen wäre, das es sicherlich (Einzel)Fälle gibt, wo es erst gar nicht so weit
kommen muss mit entsprechender Hilfe.
sacredheart schrieb:Nein, aber eventuell wird ein nächstes Opfer dann ja gar kein Opfer mehr. Diese nächsten Opfer werden meines Erachtens zu wenig bedacht, einfach weil sie noch keinen Namen und noch kein Gesicht haben.
Ich komme mir vor wie in folgendem Szenario:
Ich lebe im Mittelalter und in meiner Stadt geht ein Werwolf um. Einmal im Monat reisst der Wolf eine Person. Ansonsten haben wir aber auch zwei morde/Totschläge jede Woche einfach so, wir haben zig Vergewaltigungen und Missbräuche am Tag über die keiner spricht, die Pest geht um und Klaubanden rauben aus Hunger jeden aus, den sie überwältigen können.
Und dann sitz ich mit euch in der Schenke, im nebenraum ist der Kleinherzog und schändet irgendeine Magd, und ihr sagt im Brustton der Überzeugung "wir müssen endlich was gegen den Werwolf machen".
Und dann trinken wir immer mehr und denken uns aus, was wir mit dem gemeinen werwolf so alles machen können, während um uns die Gewalt weiter fröhlich eskaliert.
Das möchte ich nicht. Der Werwolf ist vielleicht AUCH ein Problem, aber er wird super benutzt, um von den eigentlich viel größeren Problemen abzulenken (und dann gar nichts zu tun, weil "verbrechen wird es ja immer geben".
sacredheart schrieb:Nur wie will man denn potentielle Täter schon im Vorfeld am besten im Kindesalter rausfiltern? Dazu wäre ein derart tief reichender Überwachungsstaat von Nöten, dass mir auch schwindelig wird.
Ich möchte nicht einen Besuch von der Polizei bekommen, weil bei meinem Schlaf EEG der dann verpflichtend zu tragenden Haube unkeusche Gedanken herausgekommen sind. Klingt irgendwie nach Endzeit Filmen. Ich empfehle einfach mal Demolition Man.
Dafür brauchen wir keinen Überwachungsstaat und auch keinen Minority report. Dafür müssen wir, wie gesagt, uns ansehen, wie solche Täter geformt werden.
Der erste Nobrainer für mich wäre eine breit angelegte Kampagne gegen Alkohol in der Schwangerschaft.
Wir haben gut 2000 Betroffene von FAS (also schädigungen durch alkoholkonsum der mutter) im jahr und man vermutet, dass gut 50% dieser Kinder mal in Konflikt mit dem gesetz kommen oder anderweitig weggesperrt (psychiatrie, forensik) werden müssen. Und noch mehr als 50% weisen Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter auf. Allein dieser Schritt würde uns bei den tätern, die später gar nicht mehr erreichbar sind (wegen der Schädigung), helfen. Kein Überwachungsstaat.
Das zweite wäre schon schwieriger umzusetzen, dafür aber auch noch nutzbringender. Wir bräuchten in jeder deutschen Grundschule (am besten auch in Kindergärten) Stellen, die nur dazu da sind, um Verhaltensauffälligkeiten in kindern zu erkennen und anzugehen. Die arbeiten mit dem Jugendamt, die reden mit den Eltern und die müssten dann auch die Autorität haben, einem aggressiven 8 jährigen auch gegen den Willen der Eltern in der Schule Therapiestunden zukommen zu lassen und seinen Fortschritt festzuhalten. das wäre sicherlich ein Einschnitt in die Autorität der Eltern im Vergleich zu heute, aber auch kein Überwachungsstaat. Es geht darum, dass man nicht mehr Kinder, die ganz klar leiden und auf einem schlechten weg sind, nach oben 'loswird' ohne, dass da irgendwer eingreift.
Normalerweise wird man da nicht brauchen, eltern zu übergehen. Die meisten Eltern von Verhaltensauffälligen Kindern brauchen hilfe (die eine solche stelle auch sein kann), nur die wenigsten werden sich da querstellen. So könnten wir bei vielen Kindern schon verhindern, dass die mit 16 Kleinkriminell werden. Wenn wir ihnen eben doch etwas Impulskontrolle vermitteln und ihren Familien früh helfen, bevor da schon alles zu spät ist. Das impliziert natürlich aber auch ein breites Angebot an weiterführender Hilfe, die diese Stelle an die familienzusammen mit dem Jugendamt vermitteln kann.
Und da sind wir schon an dem punkt, wo der politiker die hände über dem kopf zusammenschlägt und sagt 'ja aber wie geht das denn rechtlich? Wie kommt das durch den bundesrat? Und Bildung ist doch auch Ländersache'.
Schön und gut, ich hab auch nicht gesagt, dass das einfach wird. Aber das wäre wenigstens ein sinnvoller weg.
NImm dir meinetwegen 10 Jahre, nimm dir nochmal 5 davor um breite studien in pilotprojekten zu machen, wo du beweist, dass das auch was nutzt. Aber geh es an.
Ich bin es wirklich Leid, mir rauf und runter anhören zu müssen, was denn mit den armen Kinderseelen ist (zitat aus dem thread) und was ich für ein schlimmer typ bin, weil ich nicht an die Opfer denke, aber dann, wenn ich darauf hinweise, dass die aller meisten opfer selbst durch die besten Strafen gar keine Hilfe erfahren würde, kommt : "Och nee, verbrechen wird es immer geben und wär ja auch alles total aufwändig".
Natürlich wäre das aufwändig. Es ist viel einfacher, um das bild von oben aufzugreifen, in der kneipe darüber zu quatschen, wie genau man den die kinderschänder hinrichten will und wer welche strafe verdient. Den Opfern hilft das aber nicht, die Opfer leiden, weil wir faul sind und das dann noch als tugendhaftigkeit tarnen, wenn wir gegen die täter hetzen.