DerKlassiker
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Weißrussland 2020: Stürzt Alexander Lukaschenko?
27.08.2020 um 18:03frivol schrieb:Was gefällt den Weißrussen denn nicht am Alten? Was wollen sie neues?Vielleicht möchten sie ihre Meinung öffentlich vertreten können, auch wenn sie konträr zu der des Präsidenten ist, vielleicht möchten sie ihre Regierung öffentlich kritisieren können, ohne befürchten zu müssen, dass sie von der Staatssicherheit, der Miliz oder wasweißichwas verhaftet und in irgendein Loch aufs Nimmerwiedersehn gesperrt werden? Vielleicht möchten sie ihren bevorzugten Präsidentschaftskandidaten wählen können, ohne dass dieser eingeschüchtert wird, weil er gegen den amtierenden Präsidenten opponiert? Möglicherweise möchten sie auch einfach mal einen Wechsel nach geschlagenen sechsundzwanzig Jahren unter immer dem gleichen Heini, der sich derweil möglicherweise noch die Taschen vollstopft? Ich weiß, das klingt alles absolut unerhört, da könnte ja jeder daherkommen, aber Wunder was, diese Privilegien genieße ich z. B. schon mein Leben lang und du wahrscheinlich auch. Da kann man Demokratie schon mal für selbstverständlich halten. Ein wenig Einfühlungsvermögen für Leute, die nicht den Luxus haben, seit jeher und ohne eigenes Zutun in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben, ist da offenbar zu viel verlangt.
Es ist gut und richtig, wenn die Bürger eines Landes, wie nun in Weißrussland, ihre Geschicke in die eigene Hand nehmen und einen Machthaber, der ihnen staatsbürgerliche Rechte vorenthält, um sich an Macht und Geld zu bereichern, zum Teufel zu schicken. Alles beim Alten kann keine Option sein, das ist selbst bei uns nun nicht in allen Bereichen gerechtfertigt.
Ich denke mal, dass es in Weißrussland sehr wohl Leute gibt, die sich mit dem Regime arrangiert haben und das auch grundsätzlich für richtig halten. Oft sind das wohl auch ältere Leute, die schon die Sowjetunion erlebt haben und dieses postsowjetische Regime stellt dann natürlich so etwas wie ein Kontinuum dar, wahrscheinlich war die kurze Zeit unter Präsident Schuschkewitsch 1991 - 1994 auch etwas turbulent und mit Lukaschenka hatte man dann halt wieder einen Führer alter Schule. Inzwischen dürfte es aber auch eine jüngere Generation geben, die natürlich Wind davon bekommen haben dürfte, wie sehr viel freier die Leute nicht nur weit im Westen, sondern auch in den Nachbarländern leben, etwa in Polen oder Litauen, wenn nicht sogar in der Ukraine. Da sagen die halt, das möchten sie auch und das sollte doch eigentlich auch möglich sein. Die UdSSR ist doch nicht untergegangen, um weiter auf UdSSR zu machen!
Übrigens scheint dies auch wirtschaftlich nicht unbedingt das beste Konzept zu sein. Jahrzehntelang der gleiche Machthaber ist außerdem das allerbeste Biotop für Filzbefall im System, das wäre auch in einem demokratisch verfassten Land nicht anders, nur da wählt man den Typen einfach ab, wenn man genug hat. Dort muss man sich erst mal ordentlich verdreschen lassen, um einen Machtwechsel herbeizuführen. Ist das ok? Ich sage nein, weil ich das selber auch nicht wollte. Vielleicht du?