@TangensAlpha Der nächste Kapitalismusthread, der genau so abläuft, wie alle anderen.
Warum? Nicht (nur) weil es sicherlich sehr unterschiedliche Wissenstände bei Ökonomie und Politik gibt. Sonder primär deshalb, weil grundlegende Rahmenbedingungen ignoriert werden.
Ist Sozialismus für sich betrachtet eine gute Gesellschaftsform? Aber ohne Frage. Soziale Gerechtigkeit ist enorm wichtig und ein unbedingt erstrebenswertes Ziel.
Aber es ist erst mal nur eine Idee, die natürlich einer Umsetzung bedarf, sofern sie nicht nur akademisch relevant sein soll.
Und hier ist der Knackpunkt. Menschen sind nicht per se altruistisch sondern werden in aller Regel zunächst eigene Vorteile wahr nehmen, bevor sie zugunsten anderer darauf verzichten.
Menschen handeln nur dann entgegen eigener unmittelbarer Interessen, wenn sie hinreichend motiviert sind.
Solche Motivationen sind vielfältig:
- Menschliche Verbundenheit. In kleinen Gruppen (Familien, Freundeskreis, Nachbarschaft etc.) funktioniert das meist gut. In großen Gruppen dagegen gar nicht.
- Empathie. Das funktioniert grundsätzlich auch in großen Gruppen - aber schlecht. Und je weniger ich jemand anderen kenne, desto schwerer kann ich mich in ihn hinein versetzen. Und je leichter fällt es mir, dieses Leid auszublenden. Wenn ich ein fast verhungertes Kind mit großen Augen auf einem Plakat sehe, werden mir die Verhungernden in Dritte-Welt-Ländern wieder in Erinnerung gerufen. Aber oft nur kurz und oft auch gar nicht. "Mitleid" ist bestenfalls eine sehr schwache Motivation, die von einer Vielzahl anderer, gegenteiliger Motivationen leicht überwogen wird.
- Und dann kann man Maßnahmen treffen, dass der eigene Vorteil (oder gefühlte Vorteil) auch der Vorteil der anderen ist. Ich zahle Steuern, weil die Alternative eine Strafverfolgung ist. Ich arbeite zugunsten der Allgemeinheit, weil ich damit Geld verdiene.
Und da sind wir eben bei den Grenzen des Sozialismus. Er würde nur funktionieren, wenn er individuelle Anreize böte, sich so zu verhalten, dass es allen möglichst viel nützt.
Nur kann man das nicht erzwingen. Man kann bestimmte Verhaltensweisen sanktionieren, aber man kann keinen Altruismus erzwingen. Menschen werden auch in einer Gesellschaft, die z.B. finanziellen Reichtum begrenzt, Wege finden, das zu umgehen. Entweder indem jeder nur das Allernotwendigste macht und es dadurch dr Gesellschaft an allen Ecken mangelt. Oder indem irgendwelche Schlupflöcher gefunden werden und sich Machteliten herausbilden, für die diese Regeln nicht gelten.
Wer sagt: "Ich finde Kapitalismus blöd und will was anderes", muss halt nicht nur die Idee einer Utopie liefern, sondern ein Konzept, das die gesellschaftliche Umsetzung erklärt.
TangensAlpha schrieb am 26.02.2020:Aber was hat der gute Gregor damit gemeint?
Dass der Kapitalismus als funktionierendes Konzept von allen nicht funktionierenden übrig geblieben ist. Dass der Kapitalismus enorme Schwächen hat und zu gewaltiger Ungleichheit führt, aber es scheint ja an funktionierenden Alternativen zu mangeln.
@TangensAlpha Kurz und knapp:
Wenn Du es besser machen möchtest, als die anderen Kapitalismuskritiker, solltest Du darlegen, wie man Menschen dazu motiviert, sich sozial zu verhalten und wie man es erreicht, dass sie sich für die Allgemeinheit anstrengen, ohne dafür übermäßig belohnt zu werden (oder die abstrakte Chance für eine solche Belohnung sehen).