Meine beste Ehefrau von allen, ihres Zeichens promovierte Historikerin, legt immer wieder Wert auf genau diese Erkenntnis:
Realo schrieb:Aber auch immer waren es eben die Individuellsten und freiheitsliebenden, die nach Amerika auswanderten, weil ihnen Europa zu muffig und von oben bestimmt vorkam.
Wenn man die Unterschiede der Gesellschaften in Deutschland und Kontinentaleuropa und den USA, Canada und Australien anschaut, ist es das, was auffällt. Die Mentalität der Gründer dieser Gesellschaften der "neuen Welt" war mehrheitlich genau die: wir wollen aus der Umarmung durch den Vater Staat weg, selbst etwas schaffen, selbst etwas aufbauen, selbst bestimmen, unseres Glückes Schmied sein. Und das macht sich eben immer noch sehr bemerkbar, auch nach vielen Generationen. Diejenigen, die nicht den Mut oder die Kraft hatten, blieben in Europa.
Insofern ist es auch Unsinn wenn man immer sagt: die Gesellschaften müssen doch im Prinzip gleich sein, das sind doch auch nur Europäer, die dorthin ausgewandert sind. Ja, schon, aber eben eine ganz bestimmte Sorte. Wir haben freilich gemeinsame Wurzeln und Werte, aber auch ganz klare mentalitätsbedingte Unterschiede. Ich vermisse das immer, wenn in Europa gejubelt wird, oh, endlich ein Obama, ein Sanders usw. - jetzt wird der endlich Amerika Europa gleich machen und alles wird gut im uniformen Weltbild. Das wird, m.E., nie passieren.
Was ich allerdings hoffe ist, dass endlich mal jemand sich traut über den jeweiligen Tellerrand zu schauen und zu sagen: oh, tatsächlich, die da jenseits des Atlantiks, haben eine Lösung gefunden, die wir noch nicht probiert haben. Das versuchen wir jetzt auch mal. Z.B. beim Thema Krankenversicherung, oder beim Thema Freiheit. Stattdessen wird immer mehr eine Mauer zwischen den beiden "Welten" gebaut. Schade.
Realo schrieb:Man braucht eine neue Gesellschaftsform, die die Vorteile beider Seiten vereint, und da halten ich, kannst jetzt gerne lachen, den deutschen Ansatz immer noch für den besten. Jedenfalls gibts hier, anders als in Amerika, keine sichtbare Armut.
Wobei man eben nicht übersehen darf, dass Armut durchaus auch in Deutschland und Europa existieren. Besonders freilich in den "neuen Teilen" der EU. Die Armut, die ich in Rumänien gesehen habe übertrifft die in Mexico z.B. noch weit. Aber es ist richtig, man kann vom deutschen Modell durchaus lernen. Aber auch manchmal, wie man es nicht machen soll.
:)Realo schrieb:Corky schrieb:
Die aktuelle Einstellung dass jeder Kreative Belastungsarten erfindet und man soviel Geld wie möglich kassiert halte ich nicht für zielführend.
...und je mehr es Sätze gibt wie "der Staat muss aber das und das bezahlen" umso mehr geht es bergab.
Das müsste alles neu definiert werden. Der Staat bräuchte eine Reformation an Haupt und Gliedern, aber eben auch eine, die den Sozhialstaat billiger und gleichzeitig besser macht. Extrem viele Einsparungen gibt es bei der "Bürokratie". Allerdings ist so ein Umbau dann auch wieder mit Massenentlassungen und den Folgen verbunden. Also alles nicht so einfach.
Ich war in Deutschland ja 10 Jahre lang Leiter einer mittleren Behörde mit einem entsprechenden Budget. Und jedes Jahr, gegen Ende des Jahres, sass ich mit den Abteilungsleitern zusammen und überlegte, wie wir denn das Geld noch ausgeben können. Denn der grösste Horror war, dass wir nicht alles Geld ausgeben. Dann hätte man am Ende ja im nächsten Jahr weniger im Haushalt gehabt. Das neue Faxgerät, der neue Kopierer... waren ja nicht schlecht, auch wenn die alten es sicher noch ein paar Jahre getan hätten.
Das ist so eine typische aber wahre Anekdote für das deutsche Staatsverständnis, das ja der gute alte Müntefering mal drastisch ausgedrückt hat: der Staat weiss besser, wie man das Geld der Bürger ausgibt, als diese selbst. Und wenn man eben ein Problem für eine Lösung suchen muss.
Das ist, wie ich gerade die Berliner Politik der Merkel-Ära erlebe. "Wir hier in Berlin haben Lösungen, und selbst wenn ihr Bürger keine Probleme habt, wir drücken sie euch doch auf. Und da Lösungen immer Geld kosten, nehmen wir das von euch."
Hier in den USA habe ich dann auch das umgekehrte Planen gesehen: wir werden so und so viel Geld haben. Welches sind die dringendsten Probleme, die wir damit lösen können? Die anderen müssen warten. Das entspricht mehr
@Abahatschi s Ansatz.
@aero Ach Aero, Du hast nie wahrhaben wollen, dass ich immer gesagt habe, dass man in Deutschland sehr viel Positives und Nachahmenswertes finden kann. Dass ich die meisten Politiker dort nicht sonderlich mag heisst ja nicht, dass ich die ganze Gesellschaft schrecklich finde. Und dass bayerisches Bier das beste der Welt ist, das ist biblische Wahrheit...
Merkel und Flüchtlinge, dazu kann man viel sagen, aber ich fürchte, in diesem thread hier ist das OT.