SPD
27.05.2020 um 15:56paranomal schrieb:Auch hier liegt das eigentliche Problem jedoch schon im Rassismusbegriff der Postcolonial Studies begründet. Da diese auch im Hochschulbereich eine gewisse Deutungshoheit für sich beanspruchen, hat sich in Bezug auf den Nahost-Konflikt ein mehr als fragwürdiges Narrativ durchgesetzt, welches eine super Schnittmenge mit alten amtiimperialistischen und gewissen rechtsradikalen Erzählungen bildet und daher vielerorts als selbstverständliche Sichtweise auf die Dinge wahrgenommen wird.
Antisemitismus ist für die Politik und in den meisten Medien nach wie vor einfach nur eine Spielart des Rassismus und dementsprechend blind ist man für die Reichweite des Themas.
BarryLyndon schrieb:Zum Postkolonialismus stimme ich zu. Der Fehler ist in der Theorie selbst angelegt, in der der Holocaust als Folge kolonialer Politik begriffen und der Unterschied von Rassismus und Antisemitismus (wie du ihn für die Politik richtig festgestellt hast) nivelliert wird.Für die Politik und auch breite Teile der Gesellschaft mag das stimmen, was ihr gesagt habt, aber gerade bei den Postcolonial Studies bzw den "antirassistischen" Bewegungen und Theorien, die sich daraus entwickelt haben, ist dieses Nivellieren und Relativieren in meinen Augen Intention.
Also keine fehlerhafte Reflektion oder schlicht Unverständnis.
An anderer Stelle und in anderem Kontext ist man dann nämlich bestrebt, bei einem Hinweis auf den NS-Rasseantisemitismus bspw plötzlich ganz pedantisch zwischen "Rassismus" und "Antisemitismus" zu differenzieren....natürlich nur auf ganz oberflächlicher Basis: Wenn es sich gegen Juden richtet, ist es Antisemitismus und kein Rassismus.
Oder: Antisemitismus ist Verschwörungstheorie und kein Rassismus
Oder: Antisemitismus richtet sich nach "oben", Rassismus immer nach "unten"
Etc etc
In dem einen Fall ist der Holocaust dann auch "nur" eine Spielart des Kolonialismus und jeder, der das anders sieht, durch sein oder ihr "Weißsein" in einer eurozentrischen oder rassistischen Sichtweise determiniert, die "Weiße" Opfer höher wiegt als "Schwarze" - oder man ist eben "Token" - und im anderen Fall ist der Holocaust und die gesamte NS-Politik dann etwas gaaaaanz anderes und hat nichts mit Rassismus zu tun.
Dieses vollends paradoxe Verhalten und Analysieren ist ja gar nicht anders zu erklären, als dass es da lediglich um Deutungshoheit geht, weil sich gegenüber "den Juden" und dem Holocaust quasi ein Konkurrenzdenken etabliert hat.
Und dabei ist der Weg dann mal so und mal so.
In der Intention, alleinige und entgültige Opfer zu stilisieren, stören die nämlich ganz massiv. Aber genau das und das ständige moralische Anrufen hat man ja als "Weg zur Emanzipation" eingeschlagen.
Unnötig zu erwähnen, dass es unemanzipatorischer eigentlich kaum geht.
In dem Kontext ist es in meinen Augen dann auch zu sehen, dass man bemüht ist, Israel in den Kontext des Kolonialismus zu stellen und Juden zu den "Weißen" Oppressoren zu zählen.
Dass man sich auch antiimperialistischer Theoreme bedient und die durchethnisierte Welt samt vollständiger Entindividualisierung kaum einen Unterschied zu den Gedankengebäuden der identitären Bewegung hat, ist natürlich richtig, das passt ja auch alles ganz hervorragend zusammen, aber mir ging es jetzt um die Spezifika.