Um den Thread aus der Versenkung zu holen möchte ich mit einem (zugegeben 2 Jahre alten) Artikel anfangen, auf den ich zufällig gestoßen bin:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/mit-vera-hat-nick-leichtes-spiel-der-niveauverfall-mittlerer-bildungsabschluesse-in-berlin-14378361.htmlBlicken wir zurück. Wie sah eine Realabschlussprüfung Mathematik in Baden-Württemberg vor vierzig Jahren aus? Ebenso wie die heutige Berliner Prüfung hatte sie acht Aufgaben, die aber mehrere Teilfragen hatten und ausführliche Rechnungen ohne Taschenrechner erforderten. Keine Sachaufgaben waren darunter. Es gab zwei Aufgaben zu arithmetischen und geometrischen Folgen, zwei zu Rotationskörpern, eine zu Dreiecken, eine zu Trapezen, eine zu Quadern und eine zu Pyramidenstümpfen. Bei den Teilfragen kam fast das ganze Arsenal des geometrischen Curriculums zum Einsatz, fast alles Themen, die im heutigen Gymnasium nicht einmal mehr zugelassen sind. Kein heutiger Realschüler und kaum ein Abiturient würde diese Prüfung bestehen.
Die letzte Teilaufgabe der baden-württembergischen Prüfung setzte räumliches Vorstellungsvermögen voraus, wie es ein angehender Student beim technischen Zeichnen oder im Ingenieurwesen benötigt: „Einem quadratischen Pyramidenstumpf mit den Maßen a = 6,3 Zentimeter (Länge der Grundkante), b = 4,2 Zentimeter (Länge der Deckkante) und s = 5,5 Zentimeter (Länge der Seitenkante) wird eine Kugel umbeschrieben. Wie groß sind der Radius und das Volumen dieser Umkugel?“ Zum Vergleich die Berliner Kugelstoß-Teilaufgabe 3c: „Der Durchmesser einer Kugel für Männer beträgt zwölf Zentimeter. Berechnen Sie das Volumen der Kugel für Männer.“ Ein Blick auf das Formeldoppelblatt, Eintippen in den Taschenrechner, fertig!
Wie schon gesagt kann ich als Nachhilfelehrer diese Sicht bestätigen. Ich hab mir mal Spaßeshalber alte Abiturprüfungen angesehen (zugegebenermaßen keine Realschulprüfungen, aber sei es drum) und das niveau war wirklich SO viel höher.
Das soll kein Bashing von der heutigen Jugend oder sonstwas sein, aber wahr ist ja nunmal, dass man bei den Schulen das Niveau in vielerlei Hinsicht stark runtergefahren hat.
Wie hängt das mit dem Threadthema zusammen? Naja, offenbar konnte man das ja tun, ohne irgendwelche großartigen Probleme zu bekommen.
Das einzige ist, dass Unis und Ausbilder sich darüber beschweren, dass sie nur inkompetente Anwärter bekommen und diese dann selber vernünftig ausbilden müssen. Im Endeffekt scheitern die Anwärter jetzt nicht mehr am Abschluss (so wie das eigentlich ja mal gedacht war), sondern in den ersten paar semestern. Und der Rest lernt den Stoff nicht in der Schule, sondern auf der Uni oder in der Ausbildung, sofern die Grundbefähigung eben da ist.
Aber warum brauchen wir dann Schulen? Warum stecken wir Kinder und Jugendliche so lange Zeit, 12-13 Jahre, in eine Einrichtung in der sie Aufgaben für Blöde bekommen und sowieso nicht sonderlich viel lernen?
Scheinbar haben wir ja keine Skrupel, das Niveau so weit runterzufahren, dass auch die unbefähigsten Schüler noch irgendwie ne Hochschulreife bekommen können.
Dann können wir auch so ehrlich sein, und einfach nur das minimal Grundprogram fahren (Lesen, Schreiben, Rechnen) und dann nur optionale Förderungen für die Willigen anbieten und den Rest nicht mehr mit Sachen zu behelligen, die sie sowieso niemals Anwenden werden.
Denn wir bringen ihnen das Ganze ja nicht bei. Wir tun so, als würden wir es ihnen beibringen, und helfen ihnen dabei, vorzutäuschen, es zu können. Obwohl jeder weiß, dass sie es nicht können.