Ideologie von rechts
22.10.2017 um 21:26Ideologie von rechts
Seit über 2 Jahren zeichnet sich hier – aber auch in der Gesellschaft und Politik – ein verbaler Ersatzklassenkampf von rechts ab mit dem Ziel, durch populistische Argumente den Hass gegen alles "Fremde", Nichtdeutsche zu schüren. Wer dagegen argumentiert, dem wird im schlimmsten Fall, mehrmals auch mir, vorgeworfen, ein "Deutschenhasser" zu sein. Das ist insoweit komisch, weil es bedeuten würde, dass ich mich als Biodeutscher dann ja auch hassen müsste, obwohl ich mich liebe. :D Man wollte wohl eher Antideutscher sagen oder meinen, aber damit hätte mir dann ja Israelfreundlichkeit unterstellen müssen. Und die Begriffe Vaterlands- und Volksfahrräder sind inzwischen selbst für Rechte etwas aus der Mode gekommen, es will sich ja keiner als Ewiggestriger outen, zumal dieser Begriff heute für die Kritiker einer anderen Kultur reserviert ist, etwa für die Regimegegner in Russland und in der Türkei, deren Fürsprecher gerade die Linken dort sind.
Wir leben in einer Zeit, in der typisch nationale Probleme wieder einmal globale Probleme, die auch hier bei uns wesentlich schwerer wiegen als die angeblich nationalen, überlagern, wahrscheinlich, weil wir wissen oder zumindest ahnen, dass eine Lösung globaler Probleme viel mehr von uns verlangt als eine nationale Lösung, da sie einen erheblichen Umbau unserer Lebensweise verlangen würde.
Es soll in der Diskussion gezeigt werden, dass die (angeblich oder tatsächlich, auch das muss noch untersucht werden) nationalen Probleme nicht gelöst werden können, solange sie als national gesehen werden und vor allem nicht verstanden wird, dass es sich hierbei lediglich um Symptome handelt, um Folgen der ungelösten und immer prekärer werdenden globalen Probleme (immer schärfere Ungleichverteilung der Vermögenswerte, der selbst verursachte Klimawandel mit Langzeitfolgen, Bevölkerungsexplosion in der "Dritten Welt", Ersatzkriege, von denen einige das Potenzial für einen echten Weltkrieg haben.
Die Gefährdung der Demokratie von innen durch rechtspopulistische politische Machtübernahme von Trump und Erdogan im Großen bis zur FPÖ im Kleinen ist ein Fakt, der durch die Asyldebatte von rechts inzwischen völlig verdeckt und daher nicht mehr thematisiert wird; nur verschwindet ein Problem nicht durch Totschweigen. In den meisten Ländern wurde und wird der rechtspopulistische Flügel noch von der "Machtergreifung" fern gehalten, aber bereits in Zentral- und Osteuropa (Polen, Ungarn, Rumänien, Slowakei und Tschechien, demnächst wohl auch in Österreich) sitzen sie schon an den Schalthebeln der Macht, und in jenen Ländern, wo sie "noch klein gehalten" werden, betreibt die Regierung zunehmend reine rechtspopulistische Politik, auch die Bundesregierung, besonders aber die Landesregierungen in Ostdeutschland.
Diesem Trend hat die Linke – die Linke? Wer ist das? – bisher rein gar nichts entgegen zu setzen. Er wird sich also wohl weiter verstärken. Und die interaktiven Medien (Facebook, Twitter, Politforen, auch dieses) spielen dabei eine entscheidende Rolle, in der Gruppendynamik wirkt und in der sie als Meinungsmacher und Multiplikatoren für die Verbreitung rechter Ideologien sorgen.
Stattdessen werden die verdeckten Weltprobleme und die Gefährdung der Demokratie durch zunehmende Rechtslastigkeit der Regierungen von angeblich nationalen Problemen überlagert, die sich allesamt nur mit einem Thema befassen: Flüchtlinge bzw. Migration und das Bewältigungsproblem der sich hieraus ergebenden Folgewirkungen.
Das wahre Problem wird dadurch natürlich verschleiert, nämlich die Unterwanderung der Demokratie durch zunehmend demokratiefeindliche Einstellungen auch bei der "Durchschnittsbevölkerung", die sich, jetzt bewusst radikalisiert formuliert, so zusammenfassen lässt: "Unser einziges wirkliches Problem ist die zunehmende Überfremdung. Und die hängt nicht einmal direkt mit den Migranten zusammen, sondern mit der Kultur, die sie importieren, nämlich die radikalisierte Form von Islam. Islam und Abendland vertragen sich nicht, Islam ist uns kulturfremd und unterhöhlt unsere Kultur. Die andere Kultur ist inkompatibel mit unserer eigenen. Am besten wäre es, diese Leute wieder rauszuschmeißen, was aber aus diversen Gründen nicht geht, zumal viele bereits deutsche Staatsbürger sind. Man sollte aber die Luken dichtmachen und keine weiteren Muslime mehr reinlassen."
Gehen wir mal ins ganz Kleine und schauen uns unser eigenes Polit-Forum mal an. Die großen Themen der letzten Jahre lassen sich in zwei Großgruppen zusammenfassen: Kriege/Kriegsgefahr (von Syrien über Iran, Ukraine bis hin zu Russland) und das Riesenthema "Migranten". Hier gab es bisher "nur" 4 Hauptthemen:
Da aber die Asylgesetzgebung bis zum Anschlag in zahlreichen Stufen verschärft worden ist und inzwischen das rechtsstaatlich Zulässige bereits überschreitet (gewaltsame Abwehr von Flüchtlingen vor der libyschen Küste, Abschiebungen in das Kriegsland Afghanistan, Versuch der Installation einer Obergrenze), kommen ganz langsam die ersten 3 Punkte gegen "Normalmaß" zurück, das heißt es wird nicht mehr so häufig, so erhitzt und so hysterisch in diesen 3 Threads debattiert.
Stattdessen machen sich Ersatzdiskussionen breit, die nur einen kleinen Ausschnitt der Migrantenthematik behandeln; genau in diesen wird – man möchte fast sagen um Mohammeds Bart – genauso hysterisch gestritten, als ginge es um Wohl oder Untergang des Abendlands – wie 2010 ff. zu Sarrazin und 2015 ff. zur Flüchtlingsproblematik und zu Merkels Flüchtlingspolitik, nämlich die Threads
Hier können die Rechtspopulisten fröhliche Urständ' feiern und man kommt sich als Linker vor wie ein Fremder im eigenen Land. Hat das noch irgendwas mit den eigentlichen Weltproblemen zu tun oder, wenn wir das Spektrum schon auf die Migrantenfrage einengen, mit Integration, oder ist es nur reiner, hasserfüllter, hetzender Kulturchauvinismus? Solche Threads machen mir mehr Angst als die etwas größeren und theoretischeren, die bisher das Forum bestimmten, denn das ist unterste Schublade und im Extremfall rechte Hetze. Da kann man so richtig "die Sau rauslassen" und auch jeder Jude, der ebenfalls die männliche Beschneidung seit Jahrtausenden praktiziert, muss mit Heine klagen: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, fühl ich mich um den Schlaf gebracht".
Es wird also sichtbar spätestens seit der letzten "Flüchtlingswelle" ein Ersatz-Klassenkampf geführt, der allen Ernstes versucht, selbst noch die ungerechte Verteilung von Arm und Reich der "Flüchtlingsproblematik" zuzuschreiben. Es gibt da tatsächlich User, die allen Ernstes behaupten, es könnte dem Prekariat (deutsche "Hartzler" und Sozialhilfeempfänger, Armutsrentner) besser gehen, wenn die Flüchtlinge weg wären, weil es dann mehr zu verteilen gäbe. Es ist ein Pseudo-Klassenkampf von ganz rechts, der sich immer tiefer in die bürgerliche Mitte hineinfrisst und der offenbar unstillbar, unbesänftigbar und maßlos ist (Attribute, die Marx einst für das Kapital geprägt hatte) und der selbst jetzt, zu einer Zeit, wo Merkel längst AfD-Politik macht und das Grundgesetz Asylrecht unterminiert, noch längst nicht zufrieden ist und weiter fordert und fordert. Und leider werden die User, die gegen diesen Trend anzugehen versuchen, zahlenmäßig immer geringer; man kann sie hier inzwischen an den Fingern der beiden Hände abzählen.
Hat noch irgendwer Interesse, diesem Rechtstrend etwas entgegen zu setzen, damit wir auch in 20 Jahren noch in einer Demokratie wach werden können am Morgan?
Etwas präziser zur Diskussion:
Warum scheint sich rechte Ideologie – fast schon analog zum Islam bezogen auf die ganze Welt, etwa gegenüber Christentum (es werden ja immer mehr Christen Atheisten) – fast wie ein Flächenbrand durchzusetzen? Und in welcher Beziehung steht sie zur "Islamisierung" der Welt?
Warum hat "die Linke" versagt, indem es ihr nicht nur nicht gelungen ist, einen Klassenkampf zu gestalten oder überhaupt erst denkbar und möglich zu machen, und warum hat sie es sogar zugelassen, dass dieses Thema aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet – auch wenn diverse Herren wie Schulz gern von der Gerechtigkeitsfrage sprechen, ohne auch nur einen Millimeter weiter zu hacken – ganz aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet und sich stattdessen "Kulturfragen" zu hochpolitischen hochstilisiert werdend in den absoluten Vordergrund drängen, so weit nach vorn, dass sie alle tatsächlichen Problem ver- und überdecken?
Warum folgen die Leute aus dem Prekariat, aber auch aus der unteren Mittelschicht, die um ihre Position in der Gesellschaft besorgt sind und Angst vor der Zukunft haben, eher den falschen Einflüsterungen der Rechtsparteien, die das Elend der Unterschicht direkt auf die Flüchtlingsfrage beziehen, obwohl es dieses Elend auch vorher schon gab? Warum fällt es ihnen leichter antihuman zu denken ("das Boot ist voll, mehr kann Deutschland nicht verkraften") als revolutionär ("Warum geht es mir so dreckig? Warum schwindet meine Kaufkraft immer mehr, obwohl ich immer noch den gleichen Job hab?").
Warum sind gerade die Rechten im Internet und in den sozialen Medien um ein Vielfaches aktiver als die Linken? Haben die Linken vielleicht das ganze Internet verschlafen? Warum bildet sich plötzlich erstmals in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands eine rechte Intelligenzia heraus, während es mehr als ein halbes Jahrhundert lang genau umgekehrt war? Nicht nur der Geist stand links, sondern auch die Intelligenz. Heute muss ich leider betrübt feststellen, dass viele der Rechten hier im Forum besser Deutsch schreiben und eleganter formulieren und ihren Standpunkt überzeugender vortragen können als die paar verbliebenen Linken, bei denen ich immer mehr Nachgiebigkeit und Ausfaserungen bei der Integrität der Argumentation feststelle. Nur zitieren können sie noch besser, aber dabei handelt es sich eben nur um von anderen geschriebenes Vorformuliertes. Geradeso als wären die paar verbliebenen besseren Journalisten die neuen Schriftgelehrten und als käme aus der Wissenschaft (hier besonders Philosophie, Politologie und Soziologie, einst die Speespitze der Linken) rein gar nichts mehr?
Da mag es dann schon wie eine auf den Kopf gestellte Realität erscheinen, wenn die Rechte sogar noch scheinbar intensiver für Demokratie kämpft als die Linke. Wer flüchtig liest, muss zu diesem Schluss kommen, werden doch stets die Vorzüge des demokratischen Westens (Aufgeklärtheit, demokratische Werte, Gleichbehandlung der Geschlechter) in den Vordergrund gestellt (und damit implizit alle anderen Kulturen als weniger zureichend hingestellt). Liest man aber etwas genauer zwischen den Zeilen, bemerkt man sehr schnell, dass bei den Rechten offenbar eine andere Form von Demokratie gemeint ist, nämlich eine, die auf den Rechtspopulismus nachgerade zugeschnitten ist, zusammengefasst in dem Credo "Wir sind das Volk."
"Wir sind das Volk" – die Rechte strebt vor allem eine direkte Demokratie an: Am besten zu allen wichtigen Entscheidungen vorher "das Volk" befragen. Die Idee stammt noch aus dem alten Griechenland, der ersten Demokratie, die wir historisch kennen. Was verschwiegen wird, ist, dass damit so eine direkte Demokratie funktionieren kann, jeder über den gleichen Informationsstand verfügt, und das ist nur in einer kleinen, relativ unterentwickelten, überschaubaren Gesellschaft möglich, wie das einst die Stadtstaaten Athen und Sparta waren. Heute haben wir es mit einer umfassenden Komplexität zu tun, die niemand auch nur annähernd in allen Einzelheiten und Zusammenhängen mehr versteht. Direkte Demokratie wäre Stammtischdemokratie, in der natürlich zuallererst beschlossen würde, alle Nichtdeutschen wieder zurück zu transportieren in ihre Heimatländer und keine neuen Flüchtlinge mehr aufzunehmen – schließlich können sie sich bei Letzterem auf 56% Zustimmung bei allen befragten Bundesbürgern berufen. Wir bekämen eine Mehrheitsdiktatur.
Und die letzte Frage: Warum gelingt es den Rechten, ihre rechte Ideologie sogar in einem ursprünglich eher linken Forum wie diesem so allumfassend zu verbreiten und die eher Linken mehr und mehr zu verunsichern, obwohl diese immer noch die bessere Argumente haben, sie aber kaum noch ernsthaft anwenden, um die rechte Ideologie in Schach zu halten? Kapitulation im Kleinen hier wie im Großen in der aktuellen Innenpolitik in ganz Europa und den USA?
Ein heikler Punkt, in dem leider auch die Linke versagt, ist die unüberlegte Umkehrung der Werte gegenüber der Rechtsideologie, so dass die Linke häufig gewisse Defizite aus der islamischen Kultur verteidigt, obwohl es sich um eigentlich voraufklärerische "Werte" handelt, wie zB die Beschneidung der weiblichen Genitalien und die Ungleichbehandlung der Geschlechter in islamisch bestimmten Kulturen. Man glaubt auf der linken Seite, wenn man auch in diesen Punkten eine moderne, humanistische Position einnimmt, die bereits von der rechten Ideologie besetzt ist, dass man sich mit der rechten gemein machen und offiziell als islamophob dastünde, so dass man von links diese Gefahrenherde möglichst umschiffen muss; da dies aber der gerade geführte – s.o. – "heiße" Dialog ist, überlässt man dann so das ganze "Ausländerthema" der Rechten und schweigt dazu mehr oder weniger. Oder man macht den Fehler, plötzlich – bezogen auf die Punkte, die den Islam betreffen, antiaufklärerisch zu argumentieren, wie dies einige Grüne tun, und damit die ganze Linke unglaubwürdig da inkonsequent machen. Das ist die Kernproblematik der Linken in dieser Situation, dass sie sich quasi selbst zum Schweigen verurteilt, um nicht in eine "falsche Ecke gestellt" zu werden, und der Rechten die Definitionsmacht überlässt. Aus meiner Sicht muss man den Spieß einfach umdrehen: Die Rechte setzt sich stets nur dann für Gleichberechtigung der Geschlechter und die Rechte der Frau ein, wenn es sich gegen den Islam instrumentalisieren lässt, während keiner weiß, wie sie ihre Frauen zu Hause behandeln. Gut, dass wir nicht in private Küchen und Schlafzimmer anderer hineinblicken können.
Welche gesellschaftlichen Probleme könnte die Rechte denn gerecht lösen?
Seit über 2 Jahren zeichnet sich hier – aber auch in der Gesellschaft und Politik – ein verbaler Ersatzklassenkampf von rechts ab mit dem Ziel, durch populistische Argumente den Hass gegen alles "Fremde", Nichtdeutsche zu schüren. Wer dagegen argumentiert, dem wird im schlimmsten Fall, mehrmals auch mir, vorgeworfen, ein "Deutschenhasser" zu sein. Das ist insoweit komisch, weil es bedeuten würde, dass ich mich als Biodeutscher dann ja auch hassen müsste, obwohl ich mich liebe. :D Man wollte wohl eher Antideutscher sagen oder meinen, aber damit hätte mir dann ja Israelfreundlichkeit unterstellen müssen. Und die Begriffe Vaterlands- und Volksfahrräder sind inzwischen selbst für Rechte etwas aus der Mode gekommen, es will sich ja keiner als Ewiggestriger outen, zumal dieser Begriff heute für die Kritiker einer anderen Kultur reserviert ist, etwa für die Regimegegner in Russland und in der Türkei, deren Fürsprecher gerade die Linken dort sind.
Wir leben in einer Zeit, in der typisch nationale Probleme wieder einmal globale Probleme, die auch hier bei uns wesentlich schwerer wiegen als die angeblich nationalen, überlagern, wahrscheinlich, weil wir wissen oder zumindest ahnen, dass eine Lösung globaler Probleme viel mehr von uns verlangt als eine nationale Lösung, da sie einen erheblichen Umbau unserer Lebensweise verlangen würde.
Es soll in der Diskussion gezeigt werden, dass die (angeblich oder tatsächlich, auch das muss noch untersucht werden) nationalen Probleme nicht gelöst werden können, solange sie als national gesehen werden und vor allem nicht verstanden wird, dass es sich hierbei lediglich um Symptome handelt, um Folgen der ungelösten und immer prekärer werdenden globalen Probleme (immer schärfere Ungleichverteilung der Vermögenswerte, der selbst verursachte Klimawandel mit Langzeitfolgen, Bevölkerungsexplosion in der "Dritten Welt", Ersatzkriege, von denen einige das Potenzial für einen echten Weltkrieg haben.
Die Gefährdung der Demokratie von innen durch rechtspopulistische politische Machtübernahme von Trump und Erdogan im Großen bis zur FPÖ im Kleinen ist ein Fakt, der durch die Asyldebatte von rechts inzwischen völlig verdeckt und daher nicht mehr thematisiert wird; nur verschwindet ein Problem nicht durch Totschweigen. In den meisten Ländern wurde und wird der rechtspopulistische Flügel noch von der "Machtergreifung" fern gehalten, aber bereits in Zentral- und Osteuropa (Polen, Ungarn, Rumänien, Slowakei und Tschechien, demnächst wohl auch in Österreich) sitzen sie schon an den Schalthebeln der Macht, und in jenen Ländern, wo sie "noch klein gehalten" werden, betreibt die Regierung zunehmend reine rechtspopulistische Politik, auch die Bundesregierung, besonders aber die Landesregierungen in Ostdeutschland.
Diesem Trend hat die Linke – die Linke? Wer ist das? – bisher rein gar nichts entgegen zu setzen. Er wird sich also wohl weiter verstärken. Und die interaktiven Medien (Facebook, Twitter, Politforen, auch dieses) spielen dabei eine entscheidende Rolle, in der Gruppendynamik wirkt und in der sie als Meinungsmacher und Multiplikatoren für die Verbreitung rechter Ideologien sorgen.
Stattdessen werden die verdeckten Weltprobleme und die Gefährdung der Demokratie durch zunehmende Rechtslastigkeit der Regierungen von angeblich nationalen Problemen überlagert, die sich allesamt nur mit einem Thema befassen: Flüchtlinge bzw. Migration und das Bewältigungsproblem der sich hieraus ergebenden Folgewirkungen.
Das wahre Problem wird dadurch natürlich verschleiert, nämlich die Unterwanderung der Demokratie durch zunehmend demokratiefeindliche Einstellungen auch bei der "Durchschnittsbevölkerung", die sich, jetzt bewusst radikalisiert formuliert, so zusammenfassen lässt: "Unser einziges wirkliches Problem ist die zunehmende Überfremdung. Und die hängt nicht einmal direkt mit den Migranten zusammen, sondern mit der Kultur, die sie importieren, nämlich die radikalisierte Form von Islam. Islam und Abendland vertragen sich nicht, Islam ist uns kulturfremd und unterhöhlt unsere Kultur. Die andere Kultur ist inkompatibel mit unserer eigenen. Am besten wäre es, diese Leute wieder rauszuschmeißen, was aber aus diversen Gründen nicht geht, zumal viele bereits deutsche Staatsbürger sind. Man sollte aber die Luken dichtmachen und keine weiteren Muslime mehr reinlassen."
Gehen wir mal ins ganz Kleine und schauen uns unser eigenes Polit-Forum mal an. Die großen Themen der letzten Jahre lassen sich in zwei Großgruppen zusammenfassen: Kriege/Kriegsgefahr (von Syrien über Iran, Ukraine bis hin zu Russland) und das Riesenthema "Migranten". Hier gab es bisher "nur" 4 Hauptthemen:
- Asylgesetzgebung
- Migrantengewalt
- Islamistischer Terrorismus
- AfD (als Reaktion)
Da aber die Asylgesetzgebung bis zum Anschlag in zahlreichen Stufen verschärft worden ist und inzwischen das rechtsstaatlich Zulässige bereits überschreitet (gewaltsame Abwehr von Flüchtlingen vor der libyschen Küste, Abschiebungen in das Kriegsland Afghanistan, Versuch der Installation einer Obergrenze), kommen ganz langsam die ersten 3 Punkte gegen "Normalmaß" zurück, das heißt es wird nicht mehr so häufig, so erhitzt und so hysterisch in diesen 3 Threads debattiert.
Stattdessen machen sich Ersatzdiskussionen breit, die nur einen kleinen Ausschnitt der Migrantenthematik behandeln; genau in diesen wird – man möchte fast sagen um Mohammeds Bart – genauso hysterisch gestritten, als ginge es um Wohl oder Untergang des Abendlands – wie 2010 ff. zu Sarrazin und 2015 ff. zur Flüchtlingsproblematik und zu Merkels Flüchtlingspolitik, nämlich die Threads
- Burkaverbot
- Beschneidung
- Darf man Deutsche eine Köterrasse nennen?
- Offizielle Feiertage auch für Muslime in Deutschland einführen?
Hier können die Rechtspopulisten fröhliche Urständ' feiern und man kommt sich als Linker vor wie ein Fremder im eigenen Land. Hat das noch irgendwas mit den eigentlichen Weltproblemen zu tun oder, wenn wir das Spektrum schon auf die Migrantenfrage einengen, mit Integration, oder ist es nur reiner, hasserfüllter, hetzender Kulturchauvinismus? Solche Threads machen mir mehr Angst als die etwas größeren und theoretischeren, die bisher das Forum bestimmten, denn das ist unterste Schublade und im Extremfall rechte Hetze. Da kann man so richtig "die Sau rauslassen" und auch jeder Jude, der ebenfalls die männliche Beschneidung seit Jahrtausenden praktiziert, muss mit Heine klagen: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, fühl ich mich um den Schlaf gebracht".
Es wird also sichtbar spätestens seit der letzten "Flüchtlingswelle" ein Ersatz-Klassenkampf geführt, der allen Ernstes versucht, selbst noch die ungerechte Verteilung von Arm und Reich der "Flüchtlingsproblematik" zuzuschreiben. Es gibt da tatsächlich User, die allen Ernstes behaupten, es könnte dem Prekariat (deutsche "Hartzler" und Sozialhilfeempfänger, Armutsrentner) besser gehen, wenn die Flüchtlinge weg wären, weil es dann mehr zu verteilen gäbe. Es ist ein Pseudo-Klassenkampf von ganz rechts, der sich immer tiefer in die bürgerliche Mitte hineinfrisst und der offenbar unstillbar, unbesänftigbar und maßlos ist (Attribute, die Marx einst für das Kapital geprägt hatte) und der selbst jetzt, zu einer Zeit, wo Merkel längst AfD-Politik macht und das Grundgesetz Asylrecht unterminiert, noch längst nicht zufrieden ist und weiter fordert und fordert. Und leider werden die User, die gegen diesen Trend anzugehen versuchen, zahlenmäßig immer geringer; man kann sie hier inzwischen an den Fingern der beiden Hände abzählen.
Hat noch irgendwer Interesse, diesem Rechtstrend etwas entgegen zu setzen, damit wir auch in 20 Jahren noch in einer Demokratie wach werden können am Morgan?
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Etwas präziser zur Diskussion:
Warum scheint sich rechte Ideologie – fast schon analog zum Islam bezogen auf die ganze Welt, etwa gegenüber Christentum (es werden ja immer mehr Christen Atheisten) – fast wie ein Flächenbrand durchzusetzen? Und in welcher Beziehung steht sie zur "Islamisierung" der Welt?
Warum hat "die Linke" versagt, indem es ihr nicht nur nicht gelungen ist, einen Klassenkampf zu gestalten oder überhaupt erst denkbar und möglich zu machen, und warum hat sie es sogar zugelassen, dass dieses Thema aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet – auch wenn diverse Herren wie Schulz gern von der Gerechtigkeitsfrage sprechen, ohne auch nur einen Millimeter weiter zu hacken – ganz aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet und sich stattdessen "Kulturfragen" zu hochpolitischen hochstilisiert werdend in den absoluten Vordergrund drängen, so weit nach vorn, dass sie alle tatsächlichen Problem ver- und überdecken?
Warum folgen die Leute aus dem Prekariat, aber auch aus der unteren Mittelschicht, die um ihre Position in der Gesellschaft besorgt sind und Angst vor der Zukunft haben, eher den falschen Einflüsterungen der Rechtsparteien, die das Elend der Unterschicht direkt auf die Flüchtlingsfrage beziehen, obwohl es dieses Elend auch vorher schon gab? Warum fällt es ihnen leichter antihuman zu denken ("das Boot ist voll, mehr kann Deutschland nicht verkraften") als revolutionär ("Warum geht es mir so dreckig? Warum schwindet meine Kaufkraft immer mehr, obwohl ich immer noch den gleichen Job hab?").
Warum sind gerade die Rechten im Internet und in den sozialen Medien um ein Vielfaches aktiver als die Linken? Haben die Linken vielleicht das ganze Internet verschlafen? Warum bildet sich plötzlich erstmals in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands eine rechte Intelligenzia heraus, während es mehr als ein halbes Jahrhundert lang genau umgekehrt war? Nicht nur der Geist stand links, sondern auch die Intelligenz. Heute muss ich leider betrübt feststellen, dass viele der Rechten hier im Forum besser Deutsch schreiben und eleganter formulieren und ihren Standpunkt überzeugender vortragen können als die paar verbliebenen Linken, bei denen ich immer mehr Nachgiebigkeit und Ausfaserungen bei der Integrität der Argumentation feststelle. Nur zitieren können sie noch besser, aber dabei handelt es sich eben nur um von anderen geschriebenes Vorformuliertes. Geradeso als wären die paar verbliebenen besseren Journalisten die neuen Schriftgelehrten und als käme aus der Wissenschaft (hier besonders Philosophie, Politologie und Soziologie, einst die Speespitze der Linken) rein gar nichts mehr?
Da mag es dann schon wie eine auf den Kopf gestellte Realität erscheinen, wenn die Rechte sogar noch scheinbar intensiver für Demokratie kämpft als die Linke. Wer flüchtig liest, muss zu diesem Schluss kommen, werden doch stets die Vorzüge des demokratischen Westens (Aufgeklärtheit, demokratische Werte, Gleichbehandlung der Geschlechter) in den Vordergrund gestellt (und damit implizit alle anderen Kulturen als weniger zureichend hingestellt). Liest man aber etwas genauer zwischen den Zeilen, bemerkt man sehr schnell, dass bei den Rechten offenbar eine andere Form von Demokratie gemeint ist, nämlich eine, die auf den Rechtspopulismus nachgerade zugeschnitten ist, zusammengefasst in dem Credo "Wir sind das Volk."
"Wir sind das Volk" – die Rechte strebt vor allem eine direkte Demokratie an: Am besten zu allen wichtigen Entscheidungen vorher "das Volk" befragen. Die Idee stammt noch aus dem alten Griechenland, der ersten Demokratie, die wir historisch kennen. Was verschwiegen wird, ist, dass damit so eine direkte Demokratie funktionieren kann, jeder über den gleichen Informationsstand verfügt, und das ist nur in einer kleinen, relativ unterentwickelten, überschaubaren Gesellschaft möglich, wie das einst die Stadtstaaten Athen und Sparta waren. Heute haben wir es mit einer umfassenden Komplexität zu tun, die niemand auch nur annähernd in allen Einzelheiten und Zusammenhängen mehr versteht. Direkte Demokratie wäre Stammtischdemokratie, in der natürlich zuallererst beschlossen würde, alle Nichtdeutschen wieder zurück zu transportieren in ihre Heimatländer und keine neuen Flüchtlinge mehr aufzunehmen – schließlich können sie sich bei Letzterem auf 56% Zustimmung bei allen befragten Bundesbürgern berufen. Wir bekämen eine Mehrheitsdiktatur.
Und die letzte Frage: Warum gelingt es den Rechten, ihre rechte Ideologie sogar in einem ursprünglich eher linken Forum wie diesem so allumfassend zu verbreiten und die eher Linken mehr und mehr zu verunsichern, obwohl diese immer noch die bessere Argumente haben, sie aber kaum noch ernsthaft anwenden, um die rechte Ideologie in Schach zu halten? Kapitulation im Kleinen hier wie im Großen in der aktuellen Innenpolitik in ganz Europa und den USA?
Ein heikler Punkt, in dem leider auch die Linke versagt, ist die unüberlegte Umkehrung der Werte gegenüber der Rechtsideologie, so dass die Linke häufig gewisse Defizite aus der islamischen Kultur verteidigt, obwohl es sich um eigentlich voraufklärerische "Werte" handelt, wie zB die Beschneidung der weiblichen Genitalien und die Ungleichbehandlung der Geschlechter in islamisch bestimmten Kulturen. Man glaubt auf der linken Seite, wenn man auch in diesen Punkten eine moderne, humanistische Position einnimmt, die bereits von der rechten Ideologie besetzt ist, dass man sich mit der rechten gemein machen und offiziell als islamophob dastünde, so dass man von links diese Gefahrenherde möglichst umschiffen muss; da dies aber der gerade geführte – s.o. – "heiße" Dialog ist, überlässt man dann so das ganze "Ausländerthema" der Rechten und schweigt dazu mehr oder weniger. Oder man macht den Fehler, plötzlich – bezogen auf die Punkte, die den Islam betreffen, antiaufklärerisch zu argumentieren, wie dies einige Grüne tun, und damit die ganze Linke unglaubwürdig da inkonsequent machen. Das ist die Kernproblematik der Linken in dieser Situation, dass sie sich quasi selbst zum Schweigen verurteilt, um nicht in eine "falsche Ecke gestellt" zu werden, und der Rechten die Definitionsmacht überlässt. Aus meiner Sicht muss man den Spieß einfach umdrehen: Die Rechte setzt sich stets nur dann für Gleichberechtigung der Geschlechter und die Rechte der Frau ein, wenn es sich gegen den Islam instrumentalisieren lässt, während keiner weiß, wie sie ihre Frauen zu Hause behandeln. Gut, dass wir nicht in private Küchen und Schlafzimmer anderer hineinblicken können.
Welche gesellschaftlichen Probleme könnte die Rechte denn gerecht lösen?