@Gildonus Gildonus schrieb:Was mich aber wirklich an nervt ist, wenn Politiker oder Bürgerbewegungen sich auf "Schwurbelstudien" stützen um die "amtlichen", also diejenigen die das Mandat und auch den Zugang zu den Fakten haben, zu widerlegen.
Das gilt vor allem, wenn die Schwurbelei dazu geeignet ist, vor allem Ängste und damit verbunden nicht selten auch Hass zu schüren. Wenn sowas erstmal von einer genügenden Anzahl von aufmerksamkeitsgeilen Medien als Skandalschlagzeile oder Clickbait aufgegriffen und in reißerischer, völlig unkritischer und allzu verkürzender Form verbreitet wurde, dann besteht im Nachhinein kaum noch eine Chance, den Einfluss auf das subjektive Bauchgefühl der breiten Masse von Rezipienten noch irgendwie aus der Welt zu schaffen.
Bestes Beispiel dafür ist die betrügerische Schrottstudie von Andrew Wakefield über den niemals unabhängig davon nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus, die Impfgegner auch noch fast 20 Jahre später als eines ihrer Hauptargumente gegen Impfungen anbringen.
Ein anderes Beispiel ist das bereits erwähnte Paper von Seralini zur angeblichen Kanzerogenität von Glyphosat, welches die ganze Diskussion darüber überhaupt erst in großem Maßstab ins Rollen brachte. Dass die Publikation inzwischen wegen erheblicher Mängel zurückgezogen wurde, interessiert ab einem gewissen Punkt der Empörung einfach niemanden mehr.
Näheres dazu kann man in leicht verständlicher Form dem Vortrag des Molekularbiologen Martin Moder entnehmen, den ich bereits verlinkt hatte...
Beitrag von JohnDifool (Seite 7)Selbst wenn man hunderte seriöse Studien anführen würde, die keinerlei Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus oder Glyphosat und Krebs feststellen konnten, dann hätte das kaum einen größeren Effekt auf die öffentliche Wahrnehmung als die Richtigstellung im Kleingedruckten auf Seite 4 der BILD über den vermeintlichen Seitensprung irgendeines C-Promis.
Der Saat der Angst, die aufgrund von schlampiger Recherche, Voreingenommenheit, mangelndem wissenschaftlichen Background, einer bestimmten Ideologie, bewusstem Kalkül oder einer Mischung aus all dem in die Köpfe der Menschen gepflanzt wurde, ist im Nachhinein nur noch äußerst schwer beizukommen.
Ein Paradebeispiel wie solche irrationalen Mechanismen zusammenwirken und sich selbst zu fast unumstößlichen (Glaubens-)Überzeugungen verstärken können, ist die in der Rückschau völlig paranoid wirkende Debatte über das Waldsterben in den Achtziger Jahren. Ich war z.B. damals als Kind zwischen ungefähr 11 und 14 Jahren absolut überzeugt davon, dass es ohne einen entscheidenden Politikwechsel im ominösen Jahr 2000 in Deutschland keine Wälder mehr geben würde. Und damals gab es selbstverständlich noch KEIN Internet, wo man es sich wie heute mit seinen kruden Ansichten in irgendeiner kuscheligen Filterblase hätte bequem machen können. Ab einem gewissen Zeitpunkt war die Existenz des Waldsterbens gesellschaftlicher Konsens und jeder noch so objektive Wissenschaftler der es wagte, diesen Konsens in Frage zu stellen, wurde als ein von der Industrie bezahlter Ketzer verunglimpft.
Wer jünger ist und die damalige Hysterie nicht selber mitbekommen hat, aber dennoch eine Vorstellung davon bekommen möchte, welche Eigendynamik größtenteils diffuse, irrationale Ängste entwickeln können, dem möchte ich den folgende Film über das sogenannte "Waldsterben" empfehlen, welches heutzutage nicht mal den Hund von Barbara Rütting hinter dem Ofen hervorlockt.
Die Wahrheit über das Waldsterben
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