frivol schrieb:Kann das Einparteiensystem China's sich gegenüber dem 2-Parteiensystem der USA oder den Vielparteiensystemen in Europa durchsetzen?
Zumindest für die Zeit vor Xi Jinping war "Einparteiensystem" eine irreführende Bezeichnung. Erstens gab und gibt es neben der KPCh noch acht weitere zugelassene politische Parteien, die allerdings bedeutungslos sind. Zweitens und viel wichtiger gab es innerhalb der KPCh zwei (oder je nach Zählweise drei) Flügel, die sich untereinander spinnefeind waren und geradezu diametral unterschiedliche Positionen vertraten: Auf der einen Seite die "Elitisten", die ihre Machtbasis in der reichen Küstenregion hatten, deren führende Köpfe überwiegend im Ausland studiert hatten und die eine liberale, marktwirtschaftlich orientierte Linie vertraten. Auf der anderen Seite die "Populisten", die ihre Machtbasis in den bettelarmen Inlandsprovinzen hatten (zur Illustration: In Shanghai ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt höher als in Deutschland, in den ärmsten Inlandsprovinzen liegt sie auf dem Niveau von Bangladesch), deren führende Köpfe, wenn überhaupt, im Inland studiert hatten und sich über die Jugendorganisation der KPCh nach oben gearbeitet hatten, und die traditionelle sozialistische Werte vertraten.
Diese beiden Flügel haben sich mit schöner Regelmäßigkeit an der Spitze abgewechselt. Da es etliche Jahre dauerte, bis ein Staatsoberhaupt sämtliche Spitzenpositionen mit seinen eigenen Leuten besetzt hatte und endlich nach Belieben schalten und walten konnte, war die politische Linie des Landes insgesamt eine ruhige, gemächliche Pendelbewegung zwischen den beiden Polen. Im Endeffekt war es ein Zweiparteiensystem nach dem Muster der USA, nur eben nominell innerhalb derselben Partei. Die Spannungen zwischen den beiden Flügeln waren derart extrem, dass bei jedem Machtwechsel die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt wurden und sich das Land jedes Mal gratulierte, wenn der Machtwechsel ohne Blutvergießen abgelaufen war.
Xi Jinping, der zu den "Populisten" gehört, hat all das geändert, indem er sich durch eine Verfassungsänderung die Möglichkeit eingeräumt hat, so lange an der Macht zu bleiben wie er mag. Ferner hat er unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Korruption sämtliche führenden "Elitisten" weggebissen. Die sitzen oder saßen alle im Knast und sind politisch bedeutungslos geworden; etliche sind auch unter der Dusche ausgerutscht oder bei mysteriösen Autounfällen verstorben. Kurz gesagt: Jetzt ist China wirklich ein Einparteiensystem geworden – und es läuft nicht gut. Selbst wichtige Weggefährten Xi Jinpings haben sich von ihm wegen seines unbeschränkten Machthungers losgesagt – und das sind nur die Wenigen, die sich aufgrund ihres Status trauen, ihre Meinung zu sagen. Ein Gutteil der Bevölkerung ballt nur stumm die Faust in der Tasche.