Political correctness, ein gescheitertes Experiment
11.09.2017 um 14:13
Einmal möchte ich es noch versuchen. Danach hör ich auf.
Wenn ich schrieb, Anstand ist ein Gefühl, so war das missverständlich ausgedrückt.
Anstand ist Ausdruck der Gesellschaft, der jeweiligen sozialen Kultur. Bewegt man sich innerhalb der Gesellschaft nicht in diesem gemeinsamen Regelwerk, ist man außen vor, nicht mehr Teil der gemeinsamen Sozialisation. Klar ist aber auch, dass es Überlagerungen gibt. Der eine findet das okay, der andere ist dagegen etc.
Was ich aber feststellen muss, ist das hier ja offensichtlich noch nicht einmal Konsens darüber besteht, was Political Correctness denn eigentlich heißt und vor allem bedeutet.
Wenn ich über Political Correctness schreibe, so schreibe ich über mehr als nur den Anstand zu haben, niemanden bewusst zu beleidigen, zu diffamieren oder schlimmeres.
Ich schrieb ja schon, dass Political Correctness Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre in den USA durch eine liberale (amerikanische Definition) studentische Bewegung entstand, die sich zum Ziel setzte auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen (Weiß/Schwarz, Arm/Reich, Mann/Frau, Heterosexuell/Homosexuell etc.)
So weit und auch so gut. Es ist ja nur recht und billig Missstände anzuprangern.
Bis da war ja auch noch alles im grünen Bereich. Dann jedoch wurde aus diesen Gruppierungen heraus immer mehr der Anspruch erhoben, dass niemand der aus ihrer Sicht zu Recht angegriffen wurde, sich auch nur erklären, geschweige denn verteidigen sollte/durfte.
Wann immer sich jemand ungerecht behandelt fühlt, der der vermeintlich schwächeren Gruppe angehört, ist er – im Sinne der PC - immer im Recht.
Das sieht man ja hier auch in diversen Strängen. Beispielsweise wird gern – und das mit erhobenem moralischen Zeigefinger – behauptet, dass Weiße den Schwarzen/PoC gegenüber latent rassistisch seien. Wenn man nach dem Grund fragt, warum derjenige so denke: ja, weil die Schwarzen/PoC müssen es ja schließlich wissen, die fühlen es ja, die fühlen sich benachteiligt, diskriminiert usw. Das mag ja auch oft stimmen, dass sie mit ihrem Gefühl Recht haben. Es stimmt aber nicht immer! Und vor allem sind es oft Unbeteiligte, die behaupten, die PoC fühle sich diskriminiert. Man könnte fast annehmen, manche meinen sogar eine PoC muss sich so fühlen.
Das gleiche Problem findet sich z. B. in Universitäten, wenn es um männliche Professoren geht: Sagt ein Prof. zu der einen Gruppe Frauen „Sie sehen heute aber alle sehr hübsch aus“, so sieht er sich im nächsten Moment von der einen Seite des Vorwurfs der Diskriminierung von Frauen "Sie sehen Frauen wohl auch nur als hübsches Beiwerk" und gleichzeitig von der anderen Gruppe, die nicht von ihm angesprochen wurde, des Vorwurfs der Ungleichbehandlung oder/und Nichtbeachtung ausgesetzt: „wir sind also nicht hübsch, oder was will er damit sagen?“.
Nicht selten haben diese Vorwürfe einen Karriereknick, disziplinarische Strafen zur Folge. Ja, es geht bis hin zur gesellschaftlichen Ächtung.
Und das sind u. a. Auswirkungen der PC, die ich sehr gefährlich finde: Das Gefühl ist ja schließlich da und also hat der vermeintlich Schwache immer Recht: Es geht hier nicht mehr um Wahrheit. Es geht hier um Gefühle.
Das ist im Grunde genommen nur Machtumkehr: Jetzt sind wir mal dran und zeigen Euch, wie es sich anfühlt!
Ich finde so eine Gesellschaft nicht erstrebenswert, genauso wie ich eine rassistische, diskriminierende, mobbende Gesellschaft nicht erstrebenswert finde.
Es ist der falsche Weg: wir kommen da meiner Meinung nach vom Regen in die Traufe.