Krieg zwischen China und Japan
26.04.2005 um 16:56
Schulbücher nach China!
China nicht isolieren zu wollen behauptet der Kanzler, der, anders als die Mehrheit der Volksvertreter in Bundestag und Europäischem Parlament, dorthin wieder Waffen liefern möchte. China nicht isolieren zu können, weil es dazu längst ein viel zu wichtiger Markt und Lieferant in der globalen Wirtschaft ist, käme der Wahrheit wohl näher.
Zur Insel machen kann sich das Reich der Mitte nur selber, und es hat es in seiner vieltausendjährigen Geschichte immer wieder für längere Perioden getan. Beschließt es jedoch, teilzuhaben am Geschehen um es herum, in dieses gar gestaltend einzugreifen, dann sind die anderen die Inseln, allen voran Taiwan und Japan.
Historische Schuld
Im Verhältnis zu diesen beiden zeigen sich zur Zeit Spannungen, die eine Lieferung von Kriegswaffen nach deutschem Recht eigentlich verböten. Erst droht der chinesische Volkskongress der sich seit Jahrzehnten selbst verwaltenden Provinz Taiwan an, sie gewaltsam heim ins Reich zu holen, wenn sie sich je für so unabhängig erklären würde, wie sie es de facto längst ist.
Dann zerstören in vielen chinesischen Städten empörte Demonstranten japanische Büros und Läden. Auslöser waren, wie bereits mehrfach, japanische Schulbücher, in denen die unbestreitbare historische Schuld an den Greueln eines rassistischen Eroberungskriegs durchaus nicht so schonungslos bekannt und bedauert wird, wie das zum Beispiel in deutschen Schulbüchern seit den siebziger Jahren üblich ist.
Entwicklungshilfe für China
Nur ist diese deutsche Art, sich der eigenen Geschichte zu stellen, ja Ausdruck unserer spezifischen Kultur, Produkt derselben Unbedingtheit und Radikalität, die unsere Zivilisationsbrüche erst möglich gemacht haben, schon bei unseren lateinischer geprägten europäischen Nachbarn undenkbar.
Ostasiaten mit ihrem ganz anderen Begriff vom 'Gesicht', das unbedingt zu wahren ist, können voneinander nicht ernsthaft deutsche Gründlichkeit in der Selbstentblößung erwarten. Dass Japan das den Chinesen zugefügte Leid bereits mehrfach offiziell bedauert, dass es außerdem tätige Reue in Form großzügiger Entwicklungshilfe für China geleistet hat, scheint den Demonstranten in China jedoch entweder unerheblich - oder vielmehr unbekannt zu sein.
Schulbücher jenseits der Staatsdoktrin
Durch Nichtwissen erklärt sich jedenfalls am besten der auf den Straßen Chinas zu hörende Rückschluss von japanischen Schulbüchern auf den japanischen Staat, dessen Wunsch nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN von den Demonstranten dieser Bücher wegen zurückgewiesen wird. Es ist ein klassischer Fehlschluss von Isolierten, die mangels eigener Anschauung ihr Bild vom Anderen von sich selber ableiten müssen: In China spiegeln Schulbücher die offizielle Lehrmeinung der Partei, die der Staat ist.
In Japan gibt es nicht nur keine Staatsdoktrin jenseits der Verfassung einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft, sondern insbesondere auch keine Behörde, die Schulbücher verfassen würde - und zwar gerade aus der Erfahrung mit zentral gesteuerter nationalistischer Verhetzung, die Japan erst in Kriegsabenteuer getrieben hat, die auch ihm selber nicht gut bekommen sind.
Periodische Isolation
Soweit die derzeitige Spannung auf chinesischer Unkenntnis beruht, ließe sie sich also eher als durch eine - berechtigte - Kritik an japanischen Schulbüchern dadurch lösen, dass man den chinesischen Schülern Bücher an die Hand gäbe, die ein wahrhaftigeres Bild von den komplexen Verhältnissen des Nachbarn zeichneten.
Noch einfacher wäre es freilich, chinesischen Schülern und Studenten zu gestatten, frei, ohne Zensur und Überwachung, im Internet zu surfen, um sich ihr Bild von der Welt selber zu machen. Genau dies ist in China jedoch streng verboten und kontrolliert, getreu der chinesischen Tradition, sich periodisch selber von der Welt zu isolieren.
Hybris und Komplexe
Gefährlich ist dabei nicht die Haltung selber, sondern ihre Inkonsequenz, ihr Anachronismus: China, die aufstrebende Supermacht der Stunde, demnächst die größte Volkswirtschaft der Erde, hat seinen atemberaubenden Aufstieg, dessen Ende noch lange nicht absehbar ist, nicht in Abgrenzung gegen, sondern im Austausch mit dem Rest der Welt erreicht. Im Ergebnis ist es stärker als je zuvor, nicht jedoch unabhängiger vom Rest der Welt, vielmehr im Gegenteil abhängiger, ob nun von Märkten oder, in zunehmenden Maße, Rohstoffquellen jenseits seiner Grenzen.
Dieses neue Bewusstsein der eigenen Macht wie der eigenen Abhängigkeit erfordert dringend und zwingend eine genaue Kenntnis der Verhältnisse und Interessen der Anderen; wo sie fehlt, entsteht nur allzu leicht jene Hybris, gemischt aus Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitskomplex, aus dem Gefühl, bisher zu kurz gekommen zu sein und dem, zukünftig aber alles, auch mit Gewalt, gegen eine als feindlich vorgestellte Welt erreichen zu können, die vor 100 Jahren die aufstrebenden Supermächte Japan und Deutschland auf den Weg in die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts gebracht hat.
Nationalismus statt Kommunismus
Sowenig sich auf Dauer innerhalb Chinas nur die Wirtschaft, nicht aber die Politik liberalisieren lässt, sowenig kann China auf Dauer mit dem Rest der Welt nur Güter, nicht aber Informationen und Ideen austauschen. Diese beiden Widersprüche sind zwei Seiten derselben Medaille, und genau sieht und wendet sie auch die chinesische Partei- und Staatsführung. Diese hat Entwicklungen angestoßen, die notwendig zu ihrer eigenen historischen Überwindung führen.
Die einzige Möglichkeit, sich noch etwas länger über die Runden zu retten, ist es, ihre Macht nicht länger aus einem kommunistischen, sondern aus einem nationalistischen Projekt zu rechtfertigen. Die unverhüllte Gewaltdrohung gegen Taiwan ist ebenso Teil dieser Strategie, wie die Weigerung, wiederholte japanische Reuebekundungen, so erst letzten Freitag von Ministerpräsident Koizumu, zur Kenntnis zu nehmen, oder Angriffe auf japanische Einrichtungen zu bedauern.
Von den Dummheiten der anderen lernen
Sie kalkuliert damit, die im eigenen Volk entfesselten Energien als nationale Begeisterung und nationalistischen Hass nach außen lenken zu können, ehe sie sich gegen die verkrusteten und ungenügend legitimierten Strukturen der eigenen Macht richten. Eben weil sie aus dem Gestern entwickelt wurde, läuft sie aber Gefahr, die eigene Macht zu überschätzen, die einmal geweckten Geister dann auch wieder loszuwerden.
Bei der ersten schweren Wachstumskrise, die nach den Gesetzen des Kapitalismus unvermeidlich ist, könnte diese nationale Welle die Partei in einen Angriffskrieg treiben, wenn sie nicht weggespült werden will. Wer die Geschichte Europas zwischen 1871 und 1945 vor Augen hat, muss angesichts der Lage rund ums Chinesische Meer zu dem Ergebnis kommen, dass sich dort ein neuer Weltkrieg zusammenbraut.
Zu hoffen bleibt, dass das älteste Kulturvolk der Menschheit doch ein wenig klüger ist als Deutsche und Japaner. Kanzler Schröder jedenfalls wäre besser beraten, den Chinesen statt Kriegswaffen etliche Millionen Schulbücher über die Geschichte Deutschlands zu liefern.
Willst du den Charakter eines Menschen
erfahren, so gib ihn Macht!