Gefahr für den Weltfrieden im südchinesischem Meer?
11.08.2012 um 19:21Ich beobachte schon seit geraumer Zeit den Konflikt zwischen den USA, China, Vietnam, Philippinen, Malaysia, Brunei und Taiwan, um die sogenannten Spratly-Inseln. Der Konflikt an sich ist schon sehr alt, dennoch scheint er sich in den vergangenen Jahren immer mehr zuzuspitzen, passend zu den knapper werdenden Ressourcen, wie Öl und Fisch, aber nicht nur dadurch verschärft sich der Konflikt, denn offenbar scheint China immer selbstbewußter auf seine Vormachtstellung zu beharren.
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Säbelrasseln über dem Meer
Reiche Fischgründe, die wichtigsten Schifffahrtswege der Welt und womöglich auch Öl und Gas: China, Amerika, Indien und Südostasien ringen um die Vorherrschaft in Asiens Mittelmeer. Mit - fast - allen Mitteln.
Für Xiao Jie dürfte es ein großer Sieg gewesen sein. Gerade wurde der 51-Jährige zum ersten Bürgermeister der chinesischen Stadt Sansha gewählt. Sein Amtssitz liegt mitten im Südchinesischen Meer, auf den Paracel-Inseln, gut tausend Kilometer vor dem chinesischen Festland. Xiao führt nur knapp 600 Bürger. So könnte er regieren wie einst König Alfons der Viertelvorzwölfte von Lummerland. Wäre Sansha nicht Ausgangspunkt von Chinas Machtstreben, das Südchinesische Meer zu beherrschen. Bald will Peking eine Garnison nach Sansha verlagern. Deshalb schlug Xiaos Wahl Wellen bis nach Hanoi, nach Manila, ja nach Washington.
Vor der chinesischen Botschaft in Vietnams Hauptstadt Hanoi schreien Demonstranten ihre Wut hinaus, auf Spruchbändern hetzen sie gegen den „Bastard-Nachbarn“ China. Einer diktiert Reportern in den Block, China verhalte sich wie Hitler-Deutschland beim Überfall auf Polen. Einige Wochen zuvor, drei Flugstunden weiter östlich auf den Philippinen, fragt Präsident Benigno Aquino seine Landsleute in einer Regierungsansprache: „Was würdet Ihr tun, wenn ein Nachbar in euer Haus eindringt, und es nicht mehr hergeben will?“ Sie recken die Fäuste.
China und Indien stoßen bei der Ölsuche aufeinander
Das „Haus“, das sind aus Sicht der Demonstranten in Manila die Seegebiete der Philippinen. Und den „Überfall“ erkennen die Protestierer in Hanoi in Chinas Vorpreschen in Seeregionen, die ihrer Ansicht nach Vietnam gehören. Der Streit um das Südchinesische Meer ist nur auf den ersten Blick bizarr. Engagiert sind die größten Wirtschaftsnationen der Welt, einige derjenigen, die am schnellsten wachsen und eng miteinander verflochten sind. „Alle, die Ansprüche anmelden, stärken ihren militärischen Apparat und ihre Durchsetzungskraft. Unterdessen stützt der wachsende Nationalismus in der jeweiligen Heimat die Hardliner, die auf einen noch stärkeren Auftritt in Territorialfragen drängen“, heißt es bei der International Crisis Group. Die Region gilt inzwischen als Austragungsort für den schwersten bilateralen Konflikt zwischen Amerika und China.
Jahrhunderte galt die See um die Spratly- und Paracel-Inseln und die Scarborough-Untiefen Kapitänen als „dangerous ground“, als gefährliches Gebiet, aufgrund seiner vielen unkartierten Riffs. Gefährlich bleibt sie im Zeitalter der Satellitennavigation: Jetzt liegen die Risiken im Ringen um Rohstoffe, in einer unkalkulierbaren Politik, im Machtstreben, in Provokationen. Der Ton ist rauh, die Regierungen ziehen fast alle diplomatischen und militärischen Register. Zweimal haben Schiffe der chinesischen Marineüberwachung Haijian Badui und später ein angeblich eigens dafür umgerüstetes, chinesisches Fischerboot Kabel von vietnamesischen, norwegischen und philippinischen Forschungsschiffen in den Einflusssphären Vietnams und der Philippinen in voller Fahrt durchtrennt, als diese Ölvorkommen erforschten.
Nur auf den ersten Blick geht es um ein paar Inseln irgendwo in den 650.000 Quadratkilometern grauer See, die meisten nicht mehr als Steinhaufen oder Riffs. Sie bieten kein Süßwasser, viele sind bei Flut nicht zu sehen. Um sie herum aber liegen reiche Fischgründe, unter ihnen womöglich riesige Vorkommen an Öl und Gas, vor ihnen die wichtigsten Schifffahrtswege der Welt. Hier verläuft die Schlagader des Welthandels, zwischen dem Westen und den Wachstumsweltmeistern in Nordasien. Ein Drittel des globalen Warenverkehrs wird durch das Südchinesische Meer abgewickelt, freie Schifffahrtswege sind für Amerikaner und Asiaten ein nicht verhandelbares Gut. „Wie ein Krieg zwischen Amerika und China zu vermeiden ist“, erklärte die Zeitung des benachbarten Stadtstaates Singapurs ihren Lesern Mitte der Woche. Besonders besorgniserregend: Inzwischen stoßen auch die Rivalen China und Indien hier bei der Suche nach Rohöl aufeinander.
Die Amerikaner stärken ihre Truppenpräsenz in der Region
China erhebt Anspruch auf nahezu das ganze Südchinesische Meer. 1974 vertrieb die chinesische Marine Südvietnamesen von den Paracel-Inseln. 1988 tötete sie rund 70 Vietnamesen, die auf den Spratleys ihre Flagge hissten. 1994 nahm sie sich das Mischief Riff von den Philippinen. Nun verschärfen sich die Konflikte wieder. Vietnam, Taiwan, die Philippinen, Malaysia und Brunei-Darussalam bestehen auf ausgedehnte Küstenstreifen und von den Vereinten Nationen garantierte „Exklusive Wirtschaftszonen“ (EEZ). Indien tastet sich über den Kauf von Ölfeldern in den Vorhof des früheren Kriegsgegners China. Und Amerika betrachtet die Region, auch gebunden durch Verträge mit einzelnen südostasiatischen Staaten, als erstes Bollwerk gegenüber Pekings Machtstreben.
Die kleineren Länder, insbesondere die Philippinen, drängen die Amerikaner zu einem Bekenntnis. Außenministerin Hillary Clinton versprach ihnen, Amerika werde seine traditionelle Einflusssphäre im Westpazifik nicht aufgeben, dies liege im „nationalen Interesse“. Daraufhin bekamen die Falken in der chinesischen Marine Starterlaubnis: „Clinton rannte frech nach Vietnam, um zu erklären, dass der Beschluss zum Südchinesischen Meer in Amerikas Kerninteresse liege und eine Priorität seiner Außenpolitik sei. Mit dieser Intervention suchte sie die direkte Konfrontation mit China und bewies Amerikas Entschlossenheit, seinerseits eine der Kerninteressen Chinas zu attackieren“, sagt Li Jie, ein geachteter Vordenker der chinesischen Marine.
„China sollte sich den arrogantesten Provokateur greifen, angemessene Schläge führen und wirtschaftlich, politisch und militärisch Druck ausüben. Steht China bis zu den Knien im Wasser, reicht es anderen schon bis zum Halse“, poltert ein Leitartikler in der staatlichen „Global Times“ in Peking. China erklärt seine Marine als gefechtsbereit. Die Amerikaner stärken ihre Truppenpräsenz in der Region, kündigen an, 60 Prozent ihrer Marine in den Pazifik zu verlegen. Gerade erinnerte Clinton süffisant daran, dass Amerika insgesamt wesentlich mehr in Südostasien investiert habe als China. Der Kommentator einer staatlichen Zeitung in Peking rief den Amerikanern ein schlichtes „Haltet das Maul“ zu.
Selbstbewusste Töne aus Peking
Rückhalt suchen die kleinen Anrainerstaaten auch bei der einst als Verteidigungsbund gegründeten Vereinigung Südostasiatischer Nationen (Asean). Dort aber treffen sie auf Partnerländer wie Kambodscha, die dank Investitionen und Entwicklungshilfe an Chinas Tropf hängen. Deshalb scheiterte Asean erstmals in den 45 Jahren ihres Bestehens damit, eine Abschlusserklärung nach dem Treffen ihrer Außenminister abzugeben: Kambodscha verhinderte im Sinne seines großen Bruders China, dass Vietnam und die Philippinen den Streit um das Meer erwähnten. Ein Eklat, der den Bund kurz vor seiner geplanten Wirtschaftsunion 2015 im Innersten spaltet.
Brantly Womack, Professor für Außenpolitik der Universität von Virginia, sieht die Wirtschaftskrise ab 2008 als Grund für die Eskalation des Streits. Seit damals gewann China aufgrund der Schwäche der restlichen Weltwirtschaft sprunghaft an Stärke. „Chinas wachsendes Gewicht hatte zwei Folgen: Erstens wuchs sein wirtschaftlicher Vorsprung gegenüber seinen südostasiatischen Nachbarländern, so dass sie sich ungeschützter und verletzlicher zu fühlen begannen. Zweitens nahm der wirtschaftliche Vorsprung der Amerikaner vor China immer weiter ab, so dass Washington sich mehr und mehr um China als potentiellen Rivalen und Herausforderer zu sorgen begann.“ Für diese These sprechen selbstbewusste Töne aus Peking: „Es ist zweifelhaft, ob die Amerikaner eine finale Auseinandersetzung mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Erde zulassen, wenn es um die Philippinen geht“, lässt sich ein chinesischer General zitierten. Wissenschaftler verweisen darauf, dass das Südchinesische Meer für Peking vergleichbares Gewicht besäße wie Tibet, Hongkong oder Taiwan.
Ein diplomatisches Minenfeld
Nun geraten hier auch die früheren Kriegsgegner China und Indien aneinander. Denn die Chinesen bieten internationalen Käufern neun Ölfelder nur knapp 70 Kilometer vor der Küste Vietnams an, von denen ausgerechnet Indien längst zwei von den Vietnamesen zugesprochen bekommen hat. Damit treffen die staatliche indische Ölgesellschaft ONGC und ihr chinesisches Gegenüber CNOOC im Wasser vor Vietnam aufeinander. „Vietnams Entscheidung, die staatlichen Energieunternehmen aus Russland und jüngst aus Indien einzuladen, ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Entscheidung. Denn sie verleiht dem Land den Rückhalt großer Regionalmächte bei der Ausbeutung der Bodenschätze innerhalb der von ihm beanspruchten Seeregion“, sagt Lucio Blanco Pitlo vom Asiencenter der Universität der Philippinen. „Gemeinschaftsunternehmen verteilen die Risiken - nicht nur finanzielle und wirtschaftliche, sondern auch politische.“ Deshalb haben sich die Vietnamesen bei der Erforschung der Ölvorkommen vor ihrer Küste auch amerikanische, britische, australische und malaysische Konzerne als Partner an Bord geholt. Beim Streit um das Öl im Seeboden gewinnt ein Konflikt an Schärfe, in dem sich die Inder schon durch Chinas Vordringen nach Tibet, Burma, Pakistan und Sir Lanka umzingelt sehen. Um dies zu kontern, näherte sich Indien jüngst immer mehr an Ostasien an - Chinas klassische Einflusssphäre.
Die Ansprüche auf Felsen, Fische und Bodenschätze reichen weit zurück. Philippiner verweisen auf jahrhundertealte Gewohnheiten ihrer Fischer, Vietnamesen auf alte Karten. Chinesen führen den Besitz schon während der Han-Dynastie an und legen eine Karte von 1947 vor. Schon 1883 hatten Chinesen deutsche Forscher von den Spratlys vertrieben - auch damals gehörten sie ihnen, meinten sie.
Zumindest die Wissenschaftler reichen sich noch heute die Hand. In Singapur beklagten gerade ein paar Dutzend Meeresforscher aus ganz Asien, dass die zerstrittenen Staaten ihnen keinen Zugang zu den Atollen im Südchinesischen Meer gewährten. Sogar Forscher aus neutralen Ländern gerieten in ein „diplomatisches Minenfeld“, wenn sie Einreiseanträge stellten, sagte Professor Peter Ng, der die Konferenz leitete. Von wirklichen Minen sprach er nicht.
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/suedchinesisches-meer-saebelrasseln-ueber-dem-meer-11851303.html
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Säbelrasseln über dem Meer
Reiche Fischgründe, die wichtigsten Schifffahrtswege der Welt und womöglich auch Öl und Gas: China, Amerika, Indien und Südostasien ringen um die Vorherrschaft in Asiens Mittelmeer. Mit - fast - allen Mitteln.
Für Xiao Jie dürfte es ein großer Sieg gewesen sein. Gerade wurde der 51-Jährige zum ersten Bürgermeister der chinesischen Stadt Sansha gewählt. Sein Amtssitz liegt mitten im Südchinesischen Meer, auf den Paracel-Inseln, gut tausend Kilometer vor dem chinesischen Festland. Xiao führt nur knapp 600 Bürger. So könnte er regieren wie einst König Alfons der Viertelvorzwölfte von Lummerland. Wäre Sansha nicht Ausgangspunkt von Chinas Machtstreben, das Südchinesische Meer zu beherrschen. Bald will Peking eine Garnison nach Sansha verlagern. Deshalb schlug Xiaos Wahl Wellen bis nach Hanoi, nach Manila, ja nach Washington.
Vor der chinesischen Botschaft in Vietnams Hauptstadt Hanoi schreien Demonstranten ihre Wut hinaus, auf Spruchbändern hetzen sie gegen den „Bastard-Nachbarn“ China. Einer diktiert Reportern in den Block, China verhalte sich wie Hitler-Deutschland beim Überfall auf Polen. Einige Wochen zuvor, drei Flugstunden weiter östlich auf den Philippinen, fragt Präsident Benigno Aquino seine Landsleute in einer Regierungsansprache: „Was würdet Ihr tun, wenn ein Nachbar in euer Haus eindringt, und es nicht mehr hergeben will?“ Sie recken die Fäuste.
China und Indien stoßen bei der Ölsuche aufeinander
Das „Haus“, das sind aus Sicht der Demonstranten in Manila die Seegebiete der Philippinen. Und den „Überfall“ erkennen die Protestierer in Hanoi in Chinas Vorpreschen in Seeregionen, die ihrer Ansicht nach Vietnam gehören. Der Streit um das Südchinesische Meer ist nur auf den ersten Blick bizarr. Engagiert sind die größten Wirtschaftsnationen der Welt, einige derjenigen, die am schnellsten wachsen und eng miteinander verflochten sind. „Alle, die Ansprüche anmelden, stärken ihren militärischen Apparat und ihre Durchsetzungskraft. Unterdessen stützt der wachsende Nationalismus in der jeweiligen Heimat die Hardliner, die auf einen noch stärkeren Auftritt in Territorialfragen drängen“, heißt es bei der International Crisis Group. Die Region gilt inzwischen als Austragungsort für den schwersten bilateralen Konflikt zwischen Amerika und China.
Jahrhunderte galt die See um die Spratly- und Paracel-Inseln und die Scarborough-Untiefen Kapitänen als „dangerous ground“, als gefährliches Gebiet, aufgrund seiner vielen unkartierten Riffs. Gefährlich bleibt sie im Zeitalter der Satellitennavigation: Jetzt liegen die Risiken im Ringen um Rohstoffe, in einer unkalkulierbaren Politik, im Machtstreben, in Provokationen. Der Ton ist rauh, die Regierungen ziehen fast alle diplomatischen und militärischen Register. Zweimal haben Schiffe der chinesischen Marineüberwachung Haijian Badui und später ein angeblich eigens dafür umgerüstetes, chinesisches Fischerboot Kabel von vietnamesischen, norwegischen und philippinischen Forschungsschiffen in den Einflusssphären Vietnams und der Philippinen in voller Fahrt durchtrennt, als diese Ölvorkommen erforschten.
Nur auf den ersten Blick geht es um ein paar Inseln irgendwo in den 650.000 Quadratkilometern grauer See, die meisten nicht mehr als Steinhaufen oder Riffs. Sie bieten kein Süßwasser, viele sind bei Flut nicht zu sehen. Um sie herum aber liegen reiche Fischgründe, unter ihnen womöglich riesige Vorkommen an Öl und Gas, vor ihnen die wichtigsten Schifffahrtswege der Welt. Hier verläuft die Schlagader des Welthandels, zwischen dem Westen und den Wachstumsweltmeistern in Nordasien. Ein Drittel des globalen Warenverkehrs wird durch das Südchinesische Meer abgewickelt, freie Schifffahrtswege sind für Amerikaner und Asiaten ein nicht verhandelbares Gut. „Wie ein Krieg zwischen Amerika und China zu vermeiden ist“, erklärte die Zeitung des benachbarten Stadtstaates Singapurs ihren Lesern Mitte der Woche. Besonders besorgniserregend: Inzwischen stoßen auch die Rivalen China und Indien hier bei der Suche nach Rohöl aufeinander.
Die Amerikaner stärken ihre Truppenpräsenz in der Region
China erhebt Anspruch auf nahezu das ganze Südchinesische Meer. 1974 vertrieb die chinesische Marine Südvietnamesen von den Paracel-Inseln. 1988 tötete sie rund 70 Vietnamesen, die auf den Spratleys ihre Flagge hissten. 1994 nahm sie sich das Mischief Riff von den Philippinen. Nun verschärfen sich die Konflikte wieder. Vietnam, Taiwan, die Philippinen, Malaysia und Brunei-Darussalam bestehen auf ausgedehnte Küstenstreifen und von den Vereinten Nationen garantierte „Exklusive Wirtschaftszonen“ (EEZ). Indien tastet sich über den Kauf von Ölfeldern in den Vorhof des früheren Kriegsgegners China. Und Amerika betrachtet die Region, auch gebunden durch Verträge mit einzelnen südostasiatischen Staaten, als erstes Bollwerk gegenüber Pekings Machtstreben.
Die kleineren Länder, insbesondere die Philippinen, drängen die Amerikaner zu einem Bekenntnis. Außenministerin Hillary Clinton versprach ihnen, Amerika werde seine traditionelle Einflusssphäre im Westpazifik nicht aufgeben, dies liege im „nationalen Interesse“. Daraufhin bekamen die Falken in der chinesischen Marine Starterlaubnis: „Clinton rannte frech nach Vietnam, um zu erklären, dass der Beschluss zum Südchinesischen Meer in Amerikas Kerninteresse liege und eine Priorität seiner Außenpolitik sei. Mit dieser Intervention suchte sie die direkte Konfrontation mit China und bewies Amerikas Entschlossenheit, seinerseits eine der Kerninteressen Chinas zu attackieren“, sagt Li Jie, ein geachteter Vordenker der chinesischen Marine.
„China sollte sich den arrogantesten Provokateur greifen, angemessene Schläge führen und wirtschaftlich, politisch und militärisch Druck ausüben. Steht China bis zu den Knien im Wasser, reicht es anderen schon bis zum Halse“, poltert ein Leitartikler in der staatlichen „Global Times“ in Peking. China erklärt seine Marine als gefechtsbereit. Die Amerikaner stärken ihre Truppenpräsenz in der Region, kündigen an, 60 Prozent ihrer Marine in den Pazifik zu verlegen. Gerade erinnerte Clinton süffisant daran, dass Amerika insgesamt wesentlich mehr in Südostasien investiert habe als China. Der Kommentator einer staatlichen Zeitung in Peking rief den Amerikanern ein schlichtes „Haltet das Maul“ zu.
Selbstbewusste Töne aus Peking
Rückhalt suchen die kleinen Anrainerstaaten auch bei der einst als Verteidigungsbund gegründeten Vereinigung Südostasiatischer Nationen (Asean). Dort aber treffen sie auf Partnerländer wie Kambodscha, die dank Investitionen und Entwicklungshilfe an Chinas Tropf hängen. Deshalb scheiterte Asean erstmals in den 45 Jahren ihres Bestehens damit, eine Abschlusserklärung nach dem Treffen ihrer Außenminister abzugeben: Kambodscha verhinderte im Sinne seines großen Bruders China, dass Vietnam und die Philippinen den Streit um das Meer erwähnten. Ein Eklat, der den Bund kurz vor seiner geplanten Wirtschaftsunion 2015 im Innersten spaltet.
Brantly Womack, Professor für Außenpolitik der Universität von Virginia, sieht die Wirtschaftskrise ab 2008 als Grund für die Eskalation des Streits. Seit damals gewann China aufgrund der Schwäche der restlichen Weltwirtschaft sprunghaft an Stärke. „Chinas wachsendes Gewicht hatte zwei Folgen: Erstens wuchs sein wirtschaftlicher Vorsprung gegenüber seinen südostasiatischen Nachbarländern, so dass sie sich ungeschützter und verletzlicher zu fühlen begannen. Zweitens nahm der wirtschaftliche Vorsprung der Amerikaner vor China immer weiter ab, so dass Washington sich mehr und mehr um China als potentiellen Rivalen und Herausforderer zu sorgen begann.“ Für diese These sprechen selbstbewusste Töne aus Peking: „Es ist zweifelhaft, ob die Amerikaner eine finale Auseinandersetzung mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Erde zulassen, wenn es um die Philippinen geht“, lässt sich ein chinesischer General zitierten. Wissenschaftler verweisen darauf, dass das Südchinesische Meer für Peking vergleichbares Gewicht besäße wie Tibet, Hongkong oder Taiwan.
Ein diplomatisches Minenfeld
Nun geraten hier auch die früheren Kriegsgegner China und Indien aneinander. Denn die Chinesen bieten internationalen Käufern neun Ölfelder nur knapp 70 Kilometer vor der Küste Vietnams an, von denen ausgerechnet Indien längst zwei von den Vietnamesen zugesprochen bekommen hat. Damit treffen die staatliche indische Ölgesellschaft ONGC und ihr chinesisches Gegenüber CNOOC im Wasser vor Vietnam aufeinander. „Vietnams Entscheidung, die staatlichen Energieunternehmen aus Russland und jüngst aus Indien einzuladen, ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Entscheidung. Denn sie verleiht dem Land den Rückhalt großer Regionalmächte bei der Ausbeutung der Bodenschätze innerhalb der von ihm beanspruchten Seeregion“, sagt Lucio Blanco Pitlo vom Asiencenter der Universität der Philippinen. „Gemeinschaftsunternehmen verteilen die Risiken - nicht nur finanzielle und wirtschaftliche, sondern auch politische.“ Deshalb haben sich die Vietnamesen bei der Erforschung der Ölvorkommen vor ihrer Küste auch amerikanische, britische, australische und malaysische Konzerne als Partner an Bord geholt. Beim Streit um das Öl im Seeboden gewinnt ein Konflikt an Schärfe, in dem sich die Inder schon durch Chinas Vordringen nach Tibet, Burma, Pakistan und Sir Lanka umzingelt sehen. Um dies zu kontern, näherte sich Indien jüngst immer mehr an Ostasien an - Chinas klassische Einflusssphäre.
Die Ansprüche auf Felsen, Fische und Bodenschätze reichen weit zurück. Philippiner verweisen auf jahrhundertealte Gewohnheiten ihrer Fischer, Vietnamesen auf alte Karten. Chinesen führen den Besitz schon während der Han-Dynastie an und legen eine Karte von 1947 vor. Schon 1883 hatten Chinesen deutsche Forscher von den Spratlys vertrieben - auch damals gehörten sie ihnen, meinten sie.
Zumindest die Wissenschaftler reichen sich noch heute die Hand. In Singapur beklagten gerade ein paar Dutzend Meeresforscher aus ganz Asien, dass die zerstrittenen Staaten ihnen keinen Zugang zu den Atollen im Südchinesischen Meer gewährten. Sogar Forscher aus neutralen Ländern gerieten in ein „diplomatisches Minenfeld“, wenn sie Einreiseanträge stellten, sagte Professor Peter Ng, der die Konferenz leitete. Von wirklichen Minen sprach er nicht.
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/suedchinesisches-meer-saebelrasseln-ueber-dem-meer-11851303.html