Abahatschi schrieb:Es wird ihmo auch zu einer Umkehr bei der Qualifikation kommen: der Arzt muss nicht mehr einen Job annehmen wenn es nur eine Arztstelle gibt, sondern vielleicht auch dann wenn es eine Pflegerstelle gibt.
Das kommt nicht erst in Zukunft. Auch Stellen, welche weit unter dem Qualifikationsniveau liegen, gehören zur zumutbaren Arbeit.
dgbDeine Aussage passt desweiteren nicht zur Entwicklung bzgl.der Anforderungen von freien Stellen. Es fehlt eher an entsprechenden Qualifikationen den umgekehrt
...Viele, die seit Jahren verzweifelt eine Stelle suchen, fehlt es an Know-how, um die immer anspruchsvolleren Aufgaben erledigen zu können...
...Denn seit Jahren wird es für Unternehmen schwieriger, frei gewordene oder neue geschaffene Stellen mit qualifizierten Kräften zu besetzen. Hatte es etwa im Jahr 2010 im Schnitt noch 57 Tage gedauert, bis eine Stelle besetzt war, so sind es im Vorjahr bereits 102 Tage gewesen, zeigt eine aktuelle Analyse der Bundesagentur vom Dezember 2017....
BusinessinsiderKlar, weiter qualifizieren ist eine Option, aber auch da müssen erstmal die Vorraussetzungen gegeben sein. Nicht jeder Arbeitslose hat diese. Zwischen dem arbeitslosen Frisör und der freien Stelle des Bilanzbuchhalters liegen Welten, welche auch nicht mal eben mit einer Fortbildung zu schließen sind. Es gibt Arbeitslose ohne Schulabschluss und/oder ohne Ausbildung. Diese Lücken wären höchstens mit langjähriger, intensiver Ausbildung zu schließen um überhaupt geeignet zu sein für Jobs mit hohen Qualifikationsanforderungen. Und fehlende Qualifikation ist nur ein Punkt unter mehreren, warum die Arbeitslosen kaum von den freien Stellen profitieren.
...Die populistische Einschätzung, dass bei so vielen freien Stellen jeder einen Job findet, der wirklich arbeiten wolle, halten Arbeitsmarktforscher für eine wirklichkeitsfremde Stammtischparole. Denn selbst hochmotivierte Jobsucher stünden in der Regel nach längerer Arbeitslosigkeit bei ihrem Weg zurück in die Arbeitswelt oft vor hohen Hürden. Schon länger arbeitslos gewesen zu sein, so zeigen IAB-Befragungen von Firmen- und Personalchefs, gehört dabei mit zu den größten Hindernissen....
BusinessinsiderEs scheint die Bereitschaft der (Personal)Chefs, freie Stellen mit Langzeitarbeitslose zu besetzen, nicht sehr groß zu sein.
...Für andere Langzeitarbeitslose erweisen sich oft ihr Alter von über 50 Jahren, gesundheitliche Einschränkungen, vor aber allem fehlende Schul- und Ausbildungsabschlüsse als unüberwindbare Vermittlungsprobleme. Ausländischen Jobsucher fehlt es oft an Deutschkenntnissen, Müttern am passenden Betreuungsplatz für ihre Kinder. Und auch die Pflege von Angehörigen macht manchen die Jobsuche schwerer als anderen. Kommen gleich mehrere dieser Hemmnisse zusammen, tendiert die Chance der Betroffenen, jemals eine Arbeit zu finden, gegen Null, lautet der IAB-Befund....
BusinessinsiderDesweiteren ist der psychosoziale Faktor nicht zu unterschätzen:
Die Hälfte aller in Deutschland registrierten Erwerbslosen sind Langzeitarbeitslose, sprich seit mindestens einem Jahr ohne Erwerbstätigkeit. Damit liegt die Bundesrepublik an der Spitze der Alt-EU-Länder. Die Forschungsergebnisse zu den Folgen von lang anhaltender Arbeitslosigkeit sind eindeutig. Sie hat insgesamt einen negativen Einfluss auf die Psyche und führt häufig zu
Depressionen
psychosomatischen Beschwerden
Störungen des Wohlbefindens
Aber auch die erste persönliche Konfrontation mit Arbeitslosigkeit ist psychisch sehr belastend und bedeutet für die meisten Betroffenen eine ernsthafte Krisenerfahrung...
...Vorher unauffällige Personen werden oft psychiatrisch auffällig. Es zeigen sich:
Niedergeschlagenheit, die sich in langsameren Bewegungen, einer langsameren Gehgeschwindigkeit sowie einem verringerten Interesse am Leben äußert
Psychosomatische Beschwerden in Form von Kopf- oder Rückenschmerzen und anderen körperlichen Beschwerden
Selbstmordgedanken
eine höhere Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden
eine allgemeine Schwächung des Immunsystems, die zu einer erhöhten allgemeinen Infektionsanfälligkeit führt
eine Reduzierung der mit dem Wohlbefinden in Arbeit einhergehenden längeren Lebenserwartung
eine Verstärkung negativer Gewohnheiten wie Tablettengebrauch oder Alkoholkonsum
eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Scheidung kommt, wenn es in der Ehe vor der Erwerbslosigkeit bereits kriselte...
...Je länger die Erwerbslosigkeit andauert und je größer damit die finanziellen Probleme werden, desto gefährdeter ist die für den Wiedereinstieg wichtigste persönliche Ressource der Arbeitssuchenden: die psychische Gesundheit. Gelingt es nicht, die psychische Stabilität zu erhalten, geraten sie mit zunehmender Dauer tiefer in einen Teufelskreis, denn:
Es gelingt depressiven Personen in Bewerbungssituationen schlecht oder gar nicht, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten positiv darzustellen.
Labile Persönlichkeiten haben keine ausreichenden Ressourcen, um Misserfolge bei Bewerbungen ohne Schädigung des Selbstwertes zu bewältigen...
...Finanzielle Mittel und empfundene Folgen der Erwerbslosigkeit
Die negativen Folgen der Arbeitslosigkeit werden eher abgefedert, wenn genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen und je mehr arbeitsähnliche Verpflichtungen übernommen werden:
Menschen, denen es leichter fällt, eine andere (auch unbezahlte, ehrenamtliche), aber gesellschaftlich relevante oder persönlich als wichtig empfundene Rolle zu übernehmen, leiden erwiesenermaßen weniger.
Auch Arbeitslose, die gesetzeswidrig in die Schwarzarbeit gehen, sind durchschnittlich wohl gesünder als die gesetzestreuen.
Je weniger Geld Arbeitslosen zur Verfügung steht und je belastender dieser finanzielle Mangel empfunden wird, desto negativer sind die Wirkungen der Arbeitslosigkeit. Geldmangel führt zwar kurzfristig zu einer größeren Motivation und Aktivität bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Langfristig aber tragen finanzielle Schwierigkeiten dazu bei, die negativen Effekte der Arbeitslosigkeit zu steigern. Eine schlechte finanzielle Lage ist oft das Bindeglied zu Depressivität und psychosomatischen Beschwerden.
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