Brexit und danach?

Diplomatische Spannungen zwischen Berlin und London, da die Austrittssumme nur zu zahlen sei, wenn es auch ein Handelsabkommen gibt (May) bzw. der ganze Text nur eine Absichtserklärung sein (DD). Berlin hält die Vereinbarung für bindend:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-bundesregierung-ermahnt-theresa-may-a-1182911.html

May beruft sich wohl darauf, dass im Text steht "nothing is agreed until everything is agreed" und dass art. 50 ein "future framework" vorsieht (aber keinen Handelsvertrag).

Berlin drängt auf Klärung, sonst ist der ausreichende Fortschritt gefährdet.

Dürfte alles nicht zum Vertrauensaufbau sorgen.

Und nicht zuletzt:
- Unsere Großeltern mussten im Krieg auch Entbehrungen dulden

Gerade in der FAZ gelesen, droht da wirklich so etwas wie eine kleine Rebellion?

Nur wenige Tage vor der Entscheidung der EU-Staats- und Regierungschefs über die Ausweitung der Brexit-Gespräche hat die britische Premierministerin Theresa May mit einer Rebellion in den eigenen Reihen zu kämpfen. Sie muss fürchten, bei der Debatte über das EU-Austrittsgesetz am heutigen Mittwoch im Parlament eine Niederlage einzufahren.

Die EU-freundlichen Abgeordneten in ihrer Fraktion wollen sich ein Veto über das endgültige Brexit-Abkommen sichern. Zehn Mitglieder der Regierungsfraktion unterzeichneten einen Änderungsantrag, der dem Parlament das letzte Wort über den Deal mit Brüssel erteilt. Zusammen mit den Stimmen der Opposition könnten sie die Regierung überstimmen, sind sich die Rebellen sicher.

Hinter den Kulissen wurde Medien zufolge noch in der Nacht zum Mittwoch heftig um einen Kompromiss gerungen. Doch die Tory-Rebellen unter Führung des ehemaligen Generalstaatsanwalts und konservativen Abgeordneten Dominic Grieve seien entschlossen, die Regierung in die Knie zu zwingen, hieß es. „Ich bleibe hoffnungsvoll, dass mir die Regierung zuhört, aber wenn nicht, bin ich bereit eine Abstimmung durchzudrücken“, sagte Grieve der Zeitung „Guardian“.

http://www.faz.net/aktuell/brexit/britisches-parlament-will-sich-veto-ueber-brexit-abkommen-sichern-15338378.html

War mir nicht bewusst, daß die EU-Anhänger aus den eigenen Reihen May derart torpedieren könnten und wollten.

@sigbert

Ja, hatte das auch im Guardian verfolgt, im Grunde zieht sich das schon seit Monaten hin, es geht immer noch um die früher sog. "Great Repeal Bill", also auch darum, welche Kompetenzen der Exekutive zuzugestehen sind (Henry VIII powers). Das ganze wird dadurch kompliziert, dass keine geschriebene Verfassung, sondern Gewohnheitssrecht besteht, das hier auf eine ungewöhnliche Situation angewendet wird.

Außerdem gibt es weitere Debatten über ein zweites Referendum, die Regierung lehnt das ab, der Druck wird aber natürlich höher:

https://hansard.parliament.uk/commons/2017-12-11/debates/E3B1D9A4-5B9B-4337-8486-C4BE9A46F2BB/BrexitDealReferendum

Und so kam es dann...

https://www.n-tv.de/politik/Britisches-Parlament-erzwingt-Veto-Recht-article20184226.html

Premierministerin May weht aus dem eigenen Lager ein rauher Wind entgegen. In einer Abstimmung sichert sich das britische Parlament ein Veto-Recht über das Brexit-Abkommen. Mehrere Politiker aus der Regierungsfraktion schlagen sich auf die Seite der Opposition.

Das britische Parlament hat sich gegen den Willen der Regierung von Premierministerin Theresa May ein Veto-Recht über das Brexit-Abkommen gesichert. Bei der Abstimmung über einen Änderungsantrag zum EU-Austrittsgesetz stimmten mehrere Rebellen aus der Regierungsfraktion gemeinsam mit der Opposition ab und brachten May ihre erste Niederlage im Parlament bei. Der Änderungsantrag wurde mit 309 Stimmen angenommen, nur 305 Abgeordnete stimmten mit der Regierung ab.

Dominic Grieve, der Tory, der die Rebellion angeführt hat, ist ein Remainer.

Wikipedia: Dominic Grieve#Member of Parliament

Wie nimmt das denn die britische Presse auf?
Werden sie als Verräter gebrandmarkt, oder gibt es da Verständnis?

Hab auch schon geschaut. Es wird als Demütigung für May gesehen, auch als Schwächung von deren Position der EU gegenüber (Daily Mail, Telegraph, den Express schaue ich mir nicht mehr an, den nimmt auch in England kaum niemand ernst).

Und wird die Brexiteers sicher provozieren.
Es bleibt spannend.

Das wird es noch schwieriger machen, einen hard Brexit durchzudrücken, die Rebellen können sich einfach auf das good Friday agreement berufen, keine harte Grenze, also Verbleib in Zollunion und Binnenmarkt. Die EU wird sicherlich ein entsprechendes Angebot machen (mittlerweile können sie sich sogar einige Extra-Gemeinheiten überlegen)

So langsam kommt mir das wie das Mühlespiel vor.
Mühle auf, Mühle zu, und jedesmal verliert May und das UK einen Stein.

Immerhin muss das UK nicht die Umzugskosten für die Pharma- und Bankenaufsicht bezahlen.

Aber klar, sowas schreibt man nur in den Text, damit man am Ende dem Gegenüber irgendeinen vermeintlichen Erfolg lassen kann.

Sind doch Peanuts im Vergleich zu dem, was sie sonst bezahlen müssen, verlieren und in der Folge noch zu verlieren haben.
Ich hab immer noch die Hoffnung, das die Briten aufwachen.
Der Ausgang der Wahl in Alabama/USA weckt in mir die Hoffnung, dass Populismus, ohne zu liefern, auf die Dauer nicht funktioniert.

Ja, das ist klar.

Dafür kassiert man dann lieber Gibraltar.

Der Telegraph kommentiert es so:



Vor einem Jahr wurde noch getönt, dass man die EU überrollen wird. Danach wurde nur noch über die EU geschimpft. Auch über Irland, die sollen doch endlich auch austretetn, sei doch besser für sie.

May hat einen Rebellen, Stephen Hammond, vom Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden gefeuert, mehr kann sie aber nicht machen, sie würde sonst die Mehrheit verlieren. Selbst wenn es Nachwahlen geben würde, so kommen die betreffenden MPs doch sicher aus Remain-Bezirken, die würden dann einen Remainer nachwählen (notfalls auch von Labour).

Jetzt habe ich doch in den Express geschaut, die bringen natürlich die Verräter-Story

BREXIT BETRAYAL: May loses key EU vote as Tory MPs defy Prime Minister in Remainer plot

Es gibt aber Hoffnung:

German industry TERRIFIED of Brexit as UK exports PLUNGE by QUARTER OF A BILLION

Original anzeigen (0,2 MB)

Also wieder das gleiche name and shame-Schema

Die britische Presse ist da echt hart drauf. Ist man in Deutschland weniger gewöhnt.

Der Spiegel sieht das Ergebnis der Abstimmung als eine Demütigung May´s mit weitreichenden Folgen:

Die Folgen für May

Grieve und seine Leute hoffen nun, die britischen Unterhändler wieder zurück an den Verhandlungstisch schicken zu können. Jetzt müssen die Parlamentarier in einem eigenen Gesetz die Vereinbarungen bewerten. Neue Debatten, eigene Vorschläge - der gesamte Prozess könnte sich in die Länge ziehen. In den Offerten der Regierung sahen sie lediglich ein "Friss oder stirb"-Angebot. Demnach hätte das Parlament in einer Resolution einem Brexit-Abkommen zugestimmt oder es abgelehnt. Die Folge: Entweder die Abgeordneten nickten alles ab, oder Großbritannien scheidet eben ohne Deal aus der EU - für viele auf der Insel ein Horrorszenario.

Für May hat das weitreichende Folgen. Eigentlich hatte sich die seit Monaten angeschlagene Premierministerin mit dem Durchbruch bei den Verhandlungen in Brüssel auch in der Heimat gerade erst etwas Luft verschafft. Dass es ihr am vergangenen Freitag tatsächlich gelungen war, die EU zum Einstieg in die für London so wichtigen Gespräche über die künftigen Beziehungen zu bewegen, nötigte selbst ihren Kritikern auf der Insel Respekt ab.

Davon dürfte nun nicht mehr viel übrig sein. May hat alle Warnungen vor einer Niederlage ignoriert, stur blieb sie bei ihrer Linie, dem Parlament nicht allzu viel Macht zu gewähren - aus Sorge, das würde ihre Verhandlungsposition in Brüssel schwächen, weil sie dann nicht mehr glaubhaft mit einem radikalen Austritt ohne Abkommen drohen kann. Die Quittung bekam sie nun im Unterhaus. Die Parlamentarier führten May und der internationalen Öffentlichkeit vor, wie schwach die Premierministerin derzeit ist.

Mit einer Schlappe nach Brüssel

Zwei wichtige Lehren dieses Abends in London: Die wacklige Tory-Mehrheit nach den Neuwahlen im Sommer genügt im Zweifel nicht, um kritische Brexit-Entscheidungen durchzupauken. Und die Proeuropäer scheuen sich auch nicht, sich im Ernstfall gegen die Regierung zu stellen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-britisches-parlament-demuetigt-theresa-may-a-1183233.html

@sigbert

Der Brexit ist bereits jetzt eine einzige Realsatire.

Dabei haben die eigentlichen Verhandlungen noch nciht angefangen.

Nach der Daily-Mail-Schlagzeile (s.o.) haben mehrere "Rebellen" Todesdrohungen erhalten, Dominic Grieve hat mehrere erhalten und nur diejenigen, die er am ernsthaftesten beurteilte, der Polizei mitgeteilt.

https://www.theguardian.com/politics/2017/dec/14/dominic-grieve-says-he-has-had-death-threats-after-brexit-rebellion