@Bauli Bauli schrieb:Ja, unter Berücksichtigung der Lügen von Farage und Johnson, die völlig haltlos waren und jeglicher Grundlage entbehrten.
Mein persönlicher Eindruck ist, fast niemand hat diese wirtschaftswissenschaftlichen Studien gelesen, am allerwenigsten diejenigen, die für den Brexit gestimmt haben.
Dabei kann man dem Tory-besetzten Finanzministerium (treasury) kaum vorwerfen, voreingenommen oder von einem Interessenskonflikt betroffen zu sein. Außerdem haben universitäre Institute, allem voran die weltweit führende London School of Economics, in weiteren Studien die dort getroffenenen Schlussfolgerungen - mit leichten Nuancierungen in die eine oder andere Richtung - bestätigt. Auch das von Hammond nun vertretene Treasury kommt zu ähnlichen, sogar noch dramatischeren Schlussfolgerungen. Aus akademischer Sicht muss man also festhalten, dass die dort getroffenenen Prognosen hinreichend peer-reviewed sind und anerkanntes Wissen darstellen.
Fairerweise muss man jetzt dazusagen, dass im Anschluss an diese Veröffentlichung auch die Gegenrichtung, "Economists for Brexit" (EfB) sich äußerte und andere Thesen präsentierte. Diese wurden aber im Anschluss von der London School of Economics in ihre Bestandteile seziert und widerlegt:
http://cep.lse.ac.uk/pubs/download/brexit06.pdfHauptpunkte sind:
- Der von den EfB gemachte Vorschlag, GB könnte einseitig Zölle auf alle Einfuhren und nationale oder EU-Qualitätsstandards für Produkte aufhaben, würde wirtschaftlich keinen Gewinn bringen, aber dazu führen, dass die handwerkliche und industrielle Produktion in GB komplett still gelegt wird - also das Gegenteil von dem bewirken, was Davis vorgeschlägt (Reindustrialisierung). Die Briten würden nicht mehr über Gehälter verfügen, die notwendig wären, um die Billigimporte zu erwerben. Das ist so eine Mickey-Maus-Logik, man schafft einfach alle Steuern ab, danach geht es dem Land besser. Oder so.
- Die EfB berücksichtigen nicht die Auswirkungen des Brexits für Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen, auf denen 80 % der britischen Wirtschaft beruht.
Aus meiner Sicht haben die Brexit-Wähler die dort getroffenen Schlussfolgerungen aus einem von folgenden drei Gründen verworfen:
- einige haben sich nie für solche Fragestellungen interessiert und kennen die Ergebnisse auch gar nicht
- einige haben dem Farage-Populismus vertraut, dass die Studien von "Experten" stammen und die Brexit-Wahl vornehmlich eine Protestwahl gegen Expertentum darstellt, um es "denen da oben" mal so richtig zu zeigen
- einige haben dem Gove-Johnson-Populismus vertraut, dass die EU "aus eigenem Interesse" einen Deal anbieten wird, der besser ist, als der bisherige. Dies ist auch weiterhin die Strategie der Brexit-Regierung. Die Strategie ging auf, da fast kein Brite in der Lage ist, eine europäische Fremdsprache lesend zu verstehen und sich so über die tatsächliche Position der EU zu informieren
Bauli schrieb:Das müßte schon ein Urteil sein, das Johnson freiwillig zurücktritt von seinem Außenministerposten.
Der High Court kann nur entscheiden, dass das Parlament die Brexit-Verhandlungsstrategie und die Antragstellung formal absegnen muss. Hintergrund ist, dass das Parlament zwar das Referendum abgesegnet hat, dies aber nur empfehlenden Charakter hatte.
Sollte das passieren, würde ich von folgendem Stimmverhalten ausgehen:
- die SNP stimmt geschlossen gegen den Antrag
- die nordirischen Regionalparteienvertreter stimmen gegen den Antrag (auch in NI gab es keine Mehrheit, außerdem Bedenken bezüglich der Grenze)
- Labour lässt sich die historische Chance nicht entgehen, den Tories eins auzuwischen und stimmt nach Koalitionsdisziplin, auch wenn individuelle MPs den Austritt befürworten würden
- der wirtschaftnahe Flügel der Tories, besonders aus den Londoner counties, stimmt gegen den hard brexit (Tory ist auch die Interessenvertretung der Banker)
Dann wäre das ganze erstmal gekippt.