Brexit und danach?

Theresa May hat auf ihrem ersten EU-Gipfel nur 5 Minuten Redezeit bekommen, und auch erst ganz am Ende, um 1 Uhr morgens, als alle schon eingepackt haben. Der Unterhändler der EU, Michel Barnier, hat gefordert, die Verhandlungen auf Französisch zu führen.

Das ganze läuft auf eine Kette von Demütigungen hinaus.

Bauli schrieb:Was du alles so weisst, ohne die Planungen der EU in der Hand zu haben, oder bist du Zukunftsforscher?
Ich bin sicher, wir sprechen nochmal drüber.

Da muss man nix Wissen, die BRD hat allein für die Flüchtlinge in einem Jahr 15 Mrd Euro losgemacht.

Sollen wir echt jetzt mal schauen welch Summen zusammenkommen wenn wir 10 Mrd auf alle EU Länder ausser UK verteilen.?

@Anaximander

wie man in den Wald hinein ruft...

@Fedaykin

Davon bekommen sie einen Teil wieder raus, der Nettobetrag liegt um die 5 Mrd:

http://www.wiwo.de/politik/europa/europaeische-union-die-groessten-netto-zahler-der-eu/7179190.html?p=9&a=false&slp=false#image

Anaximander schrieb:Davon bekommen sie einen Teil wieder raus, der Nettobetrag liegt um die 5 Mrd:

Also bei solchen Zahlen frage ich mich immer mehr, was sich die Brexit-Befürworter dabei dachten, den Leuten so ein Eigentor zu verkaufen. War es ihnen egal, dass das Land in schwere Nöte geraten kann, oder glaubten sie selbst nicht dran, dass man dafür stimmen würde..

@Philipp

mMn eher letzteres. Leute wie Borat Johnson wollten sich für künftige Wahlen besser positionieren, indem sie sich nach dem gescheiterten Referendum als Märtyrer der Bewegung verkaufen könnten.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Beteurungen man könnte den Zugang zum freien Markte behalten und gleichzeitig die Freizügigkeit stoppen, aus Unkenntnis geschahen oder einfach gelogen waren.

@Philipp


nun Populisten neigen dazu die Realität etwas zu beugen.

Hinzu kam auch noch, dass auch die Presse die Möglichkeiten nicht richtig dargestellt hat. Den Abschluss der Verhandlungen können zwar die EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit zusammen mit Zustimmung des EU-Parlaments beschließen. Wenn es aber um Freihandel geht und dadurch Interessen einzelner Länder berührt werden, muss die Zustimmung aller EU-Länder einstimmig sein.

http://openeurope.org.uk/today/blog/the-mechanics-of-leaving-the-eu-explaining-article-50/

Realistischerweise können die Verhandlungen nur dazu dienen, die Höhe der noch fälligen Zahlungen festzulegen. Diese dürften in der Höhe einiger Jahresbeiträge an die EU liegen. Wie man an CETA sieht, kann man sich ein einigermaßen umfassendes Freihandelsabkommen in dieser Zeit aus dem Kopf schlagen. Ob es das in einigen Jahrzehnten gibt, ist mMn unter diesen Umständen doch eher fraglich.

In der Presse wurde es so dargestellt, als sei das WTO-Modell eine fallback option oder default option. Der Direktor der WTO sieht das anders:

"I don't see how just negotiating with the EU is going to obviate the necessity to establish what the parameters are between the UK and all other WTO members," Azevedo said.

He declined to predict how long such talks could take.

"It could be a few years, it could be decades. But our experience suggests that to expect smooth sailing and quick results would be a high-risk bet."

http://uk.reuters.com/article/uk-britain-eu-wto-idUKKCN0YS1L8

Die Frage ist, ob es dennoch möglich sein könnte, bereits nach dem förmlichen Austritt erste Freihandelsabkommen mit Drittstaaten auszuhandeln. Ich würde es eher so sehen, dass man erstmal die Anbindung an WTO braucht.

Damit das UK seinen "neuen Status in der Welt" finden kann, werden somit wohl Jahrzehnte ins Land ziehen. Wie der aussieht, ist völlig offen.

Interessante demographische Analyse der Wahlverteilung von einem großen Meinungsforschungsinstitut, einige Punkte:

A majority of those working full-time or part-time voted to remain in the EU; most of those not working voted to leave. More than half of those retired on a private pension voted to leave, as did two thirds of those retired on a state pension.

State pension entspricht etwa der Grundrente (ist nicht viel).

Around two thirds of council and housing association tenants voted to leave.

Council Housting ist sozialer Wohnungsbau. Um Council Housing zu bekommen, muss man bestimmte Kriterien erfüllen, normalerweise dass man sich keine Wohnung leisten kann.

A majority (57%) of those with a university degree voted to remain, as did 64% of those with a higher degree and more than four in five (81%) of those still in full time education. Among those whose formal education ended at secondary school or earlier, a large majority voted to leave.

The AB social group (broadly speaking, professionals and managers) were the only social group among whom a majority voted to remain (57%).

Those who said they paid little or no attention to politics voted to leave the EU by 58% to 42%.

More than three quarters (77%) of those who voted to remain thought “the decision we make in the referendum could have disastrous consequences for us as a country if we get it wrong”. More than two thirds (69%) of leavers, by contrast, thought the decision “might make us a bit better or worse off as a country, but there probably isn’t much in it either way”.

http://lordashcroftpolls.com/2016/06/how-the-united-kingdom-voted-and-why

Die wichtigsten begünstigenden Faktoren für ein Leave Vote waren also:
- Arbeitslosigkeit
- höheres Alter
- kein Universitätsabschluss
- kein Interesse an politischen Fragen
- fehlendes Verständnis dafür, dass die wirtschaftlichen Folgen desaströs sein können.

Schlechte Nachricht für England: Die kleinen Banken wollen noch vor Weihnachten wegziehen. Gute Nachricht: die großen Banken wollen erst Anfang 2017 wegziehen.

https://www.theguardian.com/politics/2016/oct/22/leading-banks-set-to-pull-out-of-brexit-uk

@Anaximander
Ob die Ankündigung nur erstmal ein Druckmittel sein könnte, um die Stimmung zu kippen, und einen Brex-exit zu forcieren?

@Philipp

Im Artikel und im verlinkten Unterartikel wird erklärt, dass die Geschäftsbereiche der betreffenden Banken nicht warten können, bis die Passporting-Rechte tatsächlich wegfallen, sondern bereits jetzt ihre Umzugspläne realisieren müssen. Beim Brexit fallen die Passporting-Rechte weg, das war von Anfang an bekannt.

An diesem Artikel sieht man besonders gut, wie die öffentliche Meinung beeinflusst wird:

http://www.dailymail.co.uk/news/article-3865384/It-s-nonsense-Banks-dismiss-gloom-laden-claim-ll-quit-UK-Brexit.html (Archiv-Version vom 19.11.2019)

Der Überschrift zufolge sind "die" (welche?) Banken in London nicht dabei umzuziehen.

Im Text heißt es dann, dass die spanische Bank Santander weiterhin gerne in London bleiben will und froh ist, von außerhalb der EU operieren zu können.

Wer hätte das gedacht? Die spanische Bank hat kein Hauptquartier in Spanien und kann deshalb den EU-Pass nicht nutzen? Oder so.

Der Witz ist doch die Drohung mit den billig Steuern. ...warum ist wohl Fiat nach England gezogen ?
GB ist soweit ich weiß und wie man am Straßenbild erkennt weder für Fiat noch für Chrysler der Hauptabsatzmark in Europa ...

@querdenkerSZ

Theresa May hat einfach keine Ahnung, was sie bei den Verhandlungen zu erwarten hat.

Nachdem sie zuletzt 5 Minuten Redezeit um 1 Uhr morgens bekommen hat, und dafür den klassischen Kommentar "Pfff" einstecken musste, während ihr niemand zuhörte, fängt sie in den Commons schon wieder damit an, dass GB ein vollständig souveränes Land mit Kontrolle über die Grenzen werden wird, während britische Firmen, soweit es in ihrem Interesse ist, weiterhin im Binnenmarkt verbleiben können.

Seit nunmehr über einem Jahr kein Fortschritt.

Statt dessen zahllose Leaks aus den 10 Downing Sitzungen, wo sich die Teilnehmer gegenseitig zerfleischen: Milliardenzahlungen für den Erhalt der Passporting-Rechte, Unternehmenssteuersenkungen als einzig verbleibendes Drohszenario.

Man soll der Bevölkerung einfach klar sagen, es gibt ein WTO-Handelsmodell und gut ist.

So sieht es aus, wenn der Chef der Bank of England davor steht, eine Rede über den wirtschaftlichen Niederschlag von Brexit zu halten:

Nachtrag:

Auf Nachfrage, ob er bald zurücktritt, meint der Chef der BoE, dass das seine persönliche Entscheidung ist.

@Anaximander
Ich schätze, hier werden "die üblichen Verdächtigen" gleich behaupten, dass dies nichts zu bedeuten hat und die britische Wirtschaft nur gewinnen wird.

Es gibt eine neue Ebook-Studie von einem Thinktank, Resolution Foundation. Darin Überlegungen, was Hammond mit seinem 84-Mrd-Haushaltsloch in den nächsten Jahren machen soll. Und dass die Wirtschaft um 60 Mrd pro Jahr schrumpft, mit 600.000 weniger Arbeitsplätzen.

http://www.resolutionfoundation.org/publications/pressing-the-reset-button-the-public-finance-options-facing-the-new-chancellor-at-the-autumn-statement/

Wird hier erwähnt:
https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/oct/26/the-guardian-view-on-theresa-may-shifting-view-of-what-brexit-means

@Anaximander

Auch falls die Briten jetzt den Exit aus dem Brexit verkünden: ihr bestes Drohmittel ist flötenn gegangen. Auf "dann gehen wir" wird nur noch kommen "Schon wieder? Viel Spaß!"