Bauli schrieb:Selbst wenn es ein Referendum geben sollte, was für einen Verbleib in der EU spricht, muß Schottland zusätzlich noch die Unterschrift von London haben.
Dann kannst du genauso gut argumentieren, dass Brexit Referendum hatte nur empfehlenden Charakter und ist in keiner Weise bindend. Zumal man hier durchaus von Betrug am Wähler sprechen kann. Die EU zu verlassen ist das eine, den Binnenmarkt das andere. Davon stand auf dem Wahlzettel nichts. Etwa in Vorbereitung zum Referendum wurde auf das Norwegen- und Schweizmodell hingewiesen. Genau genommen, müsste man jetzt erstmal ein zweites Referendum haben.
Bauli schrieb:Nochmal: Womit will Schottland zahlen? Das Pfund würde sofort entzogen werden. Den Euro bekommen sie erst viel später. Die Bankbürgschaften würden sofort fällig werden, die Industrie würde nach GB gehen, mit Ausnahme von Lachs und Whiskey. Komm mir bitte nicht mit Ölvorkommen, die es nicht lohnt zu heben. Wovon will Schottland in der Zwischenzeit leben? Sind die Schotten überhaupt noch glaubwürdig? Nein, sind sie nicht. Jedes Jahr drohen sie mit einem neuen Referendum, wenn ihnen was nicht passt. Wenn man jetzt noch weiß, das die Mehrheit der arbeitsfähigen Schotten in Lohn und Brot bei den Engländern steht, sieht nochmal ganz zappenduster aus. Das wurde beim letzten Referendum bis in letzte Fitzelchen erklärt. Die Schotten haben sich dann auch dagegen entschieden, wie jeder weiß.
Jetzt bringst du in etwa die gleichen Argumente, die du beim Brexit jedesmal abstreitest oder nur teilweise anerkennst (Abzug von Industrien, Verlust von Arbeitsplätzen usw.). Natürlich wird Schottland nicht zur Naturalwirtschaft zurückkehren. Das Problem damals war, dass die EU dem Euro-Beitritt kritisch gegenüberstand (aus den von dir genannten Gründen). Das kann jetzt alles ganz anders sein. Zunächst mal von Seiten Schottlands: das ist ja wohl kein primäres Industrieland, ein viel wichtigerer Zweig ist der Tourismus. Nichts ist mehr Gift für den Tourismus als die Zugbrücken hochzuziehen. Oder wenn man bedenkt, dass sogar Visa-Waiver-Gebühren im Gespräch sind. Da das Englische Weltsprache ist (May hebt genau das immer wieder hervor), wäre ein EU-Verbleib z.B. auch für die Universitäten ein klarer Standortvorteil gegenüber England. Nicht zuletzt kann man argumentieren, dass Firmen sich von England nach Schottland verlagern könnten, um im Genuss der EU-Binnenmarkt-Privilegien zu kommen. Die Situation hat sich nunmal fundamental geändert. Man kann hier leicht von einer win-win-Situation sprechen, denen die Verpflichtungen gegenüber der BoE dann auch nicht mehr im Wege stehen, wenn diese sich auf die Gesamtwirtschaftskraft der EU verteilen. Die Vorteile können überwiegen (das Öl kommt noch als Bonus hinzu), das war 2014 anders. Zumindest Verhofstadt scheint es so zu sehen.
Es muss nicht so kommen, ist aber ein weiteres Störfeuer, das auf den ohnehin hochchaotischen Brexit-Plänen lastet und die politische Lage zusätzlich instabil macht.
Bauli schrieb:Was spricht dagegen, das Australien verlangt, das der Brexit erstmal über die Bühne geht?
Dagegen spricht nichts, im Gegenteil, es war für jeden Beobachter zu erwarten.
Es widerspricht aber recht deutlich dem, was David Davis vollmundig erklärt hat, würde den Brexit zu einem guten "deal" werden lassen:
So within two years, before the negotiation with the EU is likely to be complete, and therefore before anything material has changed, we can negotiate a free trade area massively larger than the EU.
Daraus wird genausoviel, wie aus den übrigen Versprechungen der Brexiters, nur hier kann man es bereits jetzt festmachen.