Fellatix schrieb:Das herrschende Regime wird sich nicht ändern, solange Putin an der Macht ist. Aber wenn er eines Tages abtritt, ist ein demokratischer Wandel viel wahrscheinlicher als eine weitere Radikalisierung ...
Das halte ich für extremes Wunschdenken von Herrn Milow. Das System von Putin wird Putin überleben, weil dieses System der herrschenden Klasse in Russland (den Oligarchen) ihre Besitzstände sichert.
Diese extrem weitreichenden Verflechtungen aus mafiösen Abhängigkeiten, Korruption, Nepotismus und die tief verwurzelte "eine Hand wäscht die andere" DNA werden nur sehr schwer aufzubrechen sein.
Ein gutes Beispiel ist ausgerechnet die Ukraine, die trotz langjährigen Bemühungen um Annäherung an den Westen noch einen weiten Weg vor sich hat in der Korruptionsbekämpfung und im Ablegen von den alten mafiösen Verflechtungen.
Beim viel größeren und dezentraleren Russland wird das nochmals viel, viel schwieriger. Ohne eine echte Revolution von innen, getragen durch das Volk, wird das mMn nie etwas.
Fellatix schrieb:Der Weg Russlands zu einer echten Demokratie mag noch weit sein, aber die Grundvoraussetzungen dafür – der Wunsch nach Demokratie und die Ablehnung von Autokratie – sind vorhanden. Die westlichen Demokratien sollten aus ihren Fehlern lernen und den kommenden demokratischen Wandel in Russland unterstützen statt ihn zu brüskieren.
Gemäß zahlreicher Kommentatoren der derzeitigen Wahl erscheint das sehr zweifelhaft, was Milow hier annimmt. Der Tenor realistischer westlicher Kommentatoren lautet, dass Putin selbst dann wiedergewählt worden wäre, wenn Nawalny noch am Leben und in Freiheit wäre und er mit seiner Oppositionspartei an den Wahlen teilnehmen hätte können/dürfen.
Natürlich hätte das Ergebnis von Putin dann eine ordentliche Delle, aber dank 24/7 Propaganda-Show stehen nach wie vor gemäß Schätzungen 70% bis 80% der Russen hinter ihm.
Keine Ahnung, woraus Milow diesen Wunsch nach Demokratie und eine Ablehnung der Autokratie ableiten möchte.
Und den letzten Satz verstehe ich überhaupt nicht. Hä? Warum sollte der Westen da irgendetwas "brüskieren"?
Im Gegenteil hat der Westen es in den letzten Jahrzehnten ja bei der Unterstützung von Demokratiebewegungen oft zu gut gemeint und unbeabsichtigt die unterstützen Länder in ein noch tieferes Chaos gestürzt.
Angefangen beim Irak, Afghanistan und Syrien bis zum "arabischen Frühling", der fast ganz Nordafrika ins Verderben gestürzt hat bis eben auch zur Ukraine. Ohne das Zerren des Westens an der Ukraine wäre es vermutlich nicht zur 2014er Invasion der Krim und der Ostukraine gekommen. Das muss man so nüchtern feststellen. Das hat den Verbrecher Putin auf den Plan gerufen.
Insofern erscheint es mir schleierhaft, welche Fehler Herr Milow hier konkret meint. Im Gegenteil scheint die "Unterstützung" und Einflussnahme von außen in nahezu allen oben genannten Fällen
der Fehler an sich gewesen zu sein.
Man kann keinem Volk der Welt die Demokratie aufzwingen, wie die Geschichte gezeigt hat. Die Demokratisierung muss von innen kommen. Da ist seitens des Westens höchstes Fingerspitzengefühl (kein moralischer Zeigefinger!) und Diplomatie gefragt, sowie eine subtile Unterstützung, nur wenn das jeweilige Land es wünscht (so wie z.B. die Ukraine).
Alles andere hat bisher nachweislich nur zu mehr Verwerfung, Krieg, Chaos, Terror und Leid geführt. Tut mir leid, aber ich bin da wesentlich pessimistischer, was Russland betrifft. Ich bin Jahrgang 1972 und glaube nicht, dass ich das in diesem Leben noch miterleben werde, dass Russland "echt" demokratisch wird.