passato schrieb:Mir ist die Logik trotzdem nicht ganz klar
Der Artikel war ja auch nur dafür da, um aufzuzeigen, wie weit und vernetzt Russland weiterhin geopolitisch agiert. Und dass ich nicht darauf bauen würde, dass Russland die Mittel für den Angriffskrieg ausgehen. Sie haben ja jetzt auch schon wieder Raketen zurückgehalten, um den Winter hindurch mit der Zermürbungstaktik wieder hochzufahren (Infrastruktur, Elektrizität, Luftalarme, die 3 Stunden lang dauern, Entvölkerungsstrategie, wie es Claudia Major nennt).
Mit der Wirtschaft u. a. ich versuchs mal kurz. Viele Annahmen wie auch die Strategie (?) von Scholz scheinen irgendwie auf der Prämisse zu beruhen, zu denken, dass man den Widerstand so leisten müsse, bis Putin irgendwann ein Licht aufgeht und er einsieht, dass er da einen Fehler gemacht hat, in der Ukraine. Einen Fehler zum Nachteil Russlands. Putin aufzeigen, dass er einen Fehler gemacht hat, so hatte ich die Linie hier auch schon kurz beschrieben. Ich halte das für inadäquat.
Aber was wenn es Putin gar nicht (nur) um die Ukraine geht? Was wenn es ihm gerade um die Folgen des Angriffs geht? Um die Folgen, für die er gar nicht die ganze Ukraine gewinnen muss. Die Folgen umfassen da mehr als nur das Exempel, dass sich Grenzen verschieben lassen. Carlo Masala und Nico Lange haben da dieses Wochenende wieder einen langen Zeit-Beitrag geschrieben, darüber. Um die unbedingte Notwendigkeit der Abwehr für Europa auszubuchstabieren.
Überhaupt fällt es auf, dass momentan so viele Sicherheitsstrategen medial so präsent sind, mit Beiträgen und Interviews und noch und noch. Und keiner von dennen, auch wenn sie es nicht namentlich aussprechen, scheint mir mit der Linie von Scholz so recht mitzukommen. Nicht nur in der Taurus-Frage. Das zieht sich schon länger hin so.
Was wenn es Putin nicht nur um die Zerstörung der Ukraine oder großer Teile der Ukraine geht, nicht nur um die Zerstörüng oder Zermürbung auch der europäischen Sicherheitsstruktur, nicht nur mit Hoffnung auf den US-Wahlkampf (bis dahin wird der Krieg auf jeden Fall weiter gehen, wenn es auch keinen Trump braucht für eine andere Priorisierung von Ressourcen, Richtung Indopazifik und anderswo). Was wenn es ihm auch um eine grundsätzliche geopolitische Neupositionierung Russlands im sich verstärkenden Kalten Krieg zwischen den USA und China geht? In dem Fall und erst recht in dem Fall würde ich Putins Willen zum Durchhalten und seine Wette darauf, dass er den längeren Atem hat, erst recht nicht unterschätzen.
Scholz hatte da eine Rede gehalten, die viele als epochal charakterisiert hatten, ok, vielleicht war es auch nur ein endliches Aufwachen. Aber die Entscheidungen danach waren alle irgendwie mehr Episode als epochal. Oder auch mehr Zeitlupe als Zeitenwende.