Während der 15 Jahre, die ich für die ARD sehr viel gereist bin, konnte ich oft erleben, das es so etwas wie eine globale "Sehnsucht" nach Frieden, Harmonie (bzw harmonischem Miteinander) und "Qualitylife" gibt. Mit 'Qualitylife' ist, abhängig vom jeweiligen Lebensstandart, nichts anderes als ein Dach über dem Kopf, eine warme Mahlzeit auf dem Tisch und Bildung für die Kinder gemeint - Zugang zu sauberem Wasser und ärztlicher Versorgung.
Es sind die grundlegenden Bedürfnisse, die zuerst kommen - erst wenn diese gesichert sind kommen Kultur, Glaube und/oder Wissenschaft.
Die Tatsache, dass selbst diese existenziellen Bedürfnisse in manchen Regionen nicht befriedigt werden, treibt die Einen in den Extremismus (auf die Barrikaden) die Anderen ins Elend und in die Flucht. Und sie spaltet diejenigen, die 'eigentlich' alles haben.
All' das wissen wir allerdings bereits seit Jahren. Die Kritik am Kapitalismus, am Geldsystem und am Imperialismus ist weiß Gott keine Erfindung der Mmw.
Worüber reden Sie selbst bei den Demos?
Frings: Über Kapitalismus – wie er Kriege befördert, die Auswirkungen im Alltagsleben, in der Wirtschaft, in der Rüstungspolitik, in der Produktion unserer Nahrungsmittel und Konsumgüter.
Shahyar: Die Ablehnung einer politischen Einordnung ist nicht rechts. Ich sehe die Montagsdemos vor dem Hintergrund der neuen globalen Bewegungen, auf dem Tahrir-Platz in Kairo, auf dem Syntagma-Platz in Athen, die Indignados in Spanien, Occupy Wallstreet. Das sind alles Bewegungen, die sich nicht mehr in das klassische Links-Rechts-Schema einordnen und das zum Teil wie die Indignados sogar dezidiert zurückweisen.
(Aus dem Artikel "Die Chemie stimmt")
Was mir fehlt, ist das verbindende Manifest! Die Kritik am Kapital und der Wunsch nach Verbesserung ist derart allgemein gültig, dass sich im Schatten dieser Haltung so ziemlicher jeder mit seiner Meinung breit machen kann, der nur laut genug 'Frieden' ruft. Im Nu zerfasert man sich dann in zig Nebenkriegsschauplätzen und verliert dabei die ursprüngliche Bewegung aus den Augen (wofür die Mmw ein Paradebeispiel liefern).
Wenn aus all diesen Bewegungen weltweit eine Stimme werden soll, braucht das ein Manifest. Eines, welchem jenseits von Politik, Religion und Hautfarbe die grundlegensten ethischen und materiellen Bedürfnisse (Nahrung, Bildung, Gesundheit, Kultur) zugrunde liegen.
Solange es uns nicht möglich ist, uns unter solch einem Manifest zu versammeln, glaube ich auch nicht wirklich an die erfolgreiche Verbindung von alter und neuer Friedensbewegung geschweige denn an eine weltweite Friedensbewegung.
Was nicht heißt, dass ich nicht alles mir mögliche dafür tun werde, dass es doch den einen oder anderen Erfolg gibt. Es muss der Paradigmenwechsel ja nicht gleich über die gesamte Menschheit hereinbrechen - wenn mein Nachbar neuerdings statt bei Aldi nun beim Bauern einkaufen geht, dann ist das doch auch schon was ;-)