Optimist schrieb:Nur, was T/C betrifft, besteht doch die Befürchtung, dass unsere hohen Standards zugunsten mancher niedrigeren Standards in USA abgesenkt werden könnten - in Teilbereichen - halt bei DEN Produkten, wo in USA derzeit nicht so hohe Standards gelten wie hier.
Hmm. Naja. VW ist nicht über niedrige amerikanische Hürden gestolpert. So pauschal kann man das also nicht sagen, dass hier oder da grundsätzlich höhere Standards wären.
So ist die Medikamentenzulassung in Europa vergleichsweise einfach. Hier braucht es nur die Konformitätserklärung[1] für die CE-Zulassung und gegebenenfalls muss der Zusatznutzen[2] in umfangreichen klinischen Studien nachgewiesen werden[3], während das Zulassungsverfahren der FDA wohl das umfangreichste aber nicht zwingend das schwierigste sein soll; der ganze Prozess beginnt schon weit früher in der Entwicklungsphase und es müssen vollständige Studien (nicht nur die Zusammenfassungen) zur Überprüfung eingereicht werden.
Die Zulassungskriterien sind allerdings ziemlich ähnlich (Kunststück: gibt ja nur eine begrenzte Zahl an prüffähigen Kriterien), weshalb die meisten Medis hüben wie drüben auf dem Markt sind. Daher ist der Wunsch nach harmonisierten Regeln wohl einfach nachvollziehbar[4]. Andererseits sind vorgebrachte Bedenken (zB dass es schwieriger würde, unwirksame oder weniger wirksame Medis von den sinnvollen zu unterscheiden) ebenso nachvollziehbar, wenn es tatsächlich zu einer Absenkung der Hürden käme. Aber eine Harmonisierung ist ja nicht gleichbedeutend mit einer Senkung[5]
Also reden wir erneut nicht über das
ob sondern das
wie.
Das oft vorgebrachte Beispiel der gemeinsamen Standards bei Automobilen mag ich nicht groß aufgreifen. Das ist mMn ein Unsinn so zu tun, als bräuchte man T/C um techn Standards anzupassen. Dazu braucht es nur den Willen, man stopft IngenieurInnen und NormungmenschInnen in einen Raum und lässt sie erst wieder raus, wenn sie sich geeignet haben. Außerdem haben wir mit ISO und IEC zwei Org, die eigenes für die Schaffung internationaler Normen zuständig sind.
Der eigentliche Knackpunkt ist ein anderer: wenn sich welche zusammentun (hier Eu und Amicanadier) und Standards ausklabustern, dann hat man das Ergebnis besser in der Hand als wenn alle (Russen, Chinesen ectpp) in die Suppe spucken.
Wenn wir uns also auf Autostandards einigen, dann dürften das a) nicht gerade die schlechtesten sein und b) ist der Prozess einfacher (weil durch begrenzte Zahl von Köchen weniger wirr) c) wird sich der Rest ohne großes Murren anpassen, weil es im Grunde völlig wurscht ist, welchen Blinker man an ein Auto schraubt - Hauptsache man hat nicht dutzende verschiedene Blinkertypen und d) haben die Unternehmen natürlich ein Interesse daran, dass sie möglichst ihren Standard durchsetzen, damit sie nicht jüngst getätigte Investitionen in Entwicklung und Produktionslinien ins nächste Museum verfrachten müssen.
Deshalb ist es ein so heißes Thema, nicht weil es ohne T/C generell unmöglich wäre.
Schwierig wird es aber bei Dingen wie den Verbraucherschutz. Wir setzen auf Vorschriften (und hoffen das beste), die USA setzt auf Eigenverantwortung der Unternehmen und Verbraucher (es drohen empfindliche Strafen). Die Lebensmittelsskandale die uns in unregelmäßigen Abständen heimsuchen, zeigen, dass unser Weg nicht unfehlbar ist. In den USA musst du deinen Anspruch erstmal geltend machen, meist ist dazu der Gang zum Gericht notwendig. Ist beides nicht das Gelbe vom Ei.
Ich habe keine Ahnung, wie man das auf einen gemeinsamen Nenner bringen möchte. Es sei denn, man lässt die Pfoten davon und belässt es einfach bei den jeweiligen Gegebenheiten. Das wäre zwar nicht die allerbeste Lösung, aber bislang funktioniert das ganz gut, somit könnte es auch mit T/C funktionieren.
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Grundsätzlich halte ich die Diskussion über die Bedrohung durch niedrige Standards für überzogen. Gerade im populistischen Bereich wird da viel an den Haaren herbeigezerrt.
Natürlich ist es ein wichtiges Thema. Es ist daher richtig und völlig legitim darauf hinzuweisen (möglichst ohne Chlorhühnchen und ähnlichen Krampf)
Die etwas seriöser vorgebrachten Bedenken[6] unterscheiden hierbei in direkte und indirekte Senkungen der Standards (BUND und Gewerkschaften zB) und halten direkte Senkungen für sehr unwahrscheinlich. Das ist mMn plausibel. Immerhin hocken da keine VollhorstInnnen zusammen, die sich beim Nasebohren ein Auge ausstechen. Die wissen ganz genau, dass das Machwerk durch die Parlamente muss und werden sich hüten, Dreckigkeiten hineinzumeißeln[7].
Indirekte Risiken, also solche, die nicht direkt beschlossen werden sondern sich als unerwünschte Nebenwirkung entfalten, sind allerdings durchaus reale und nicht gerade unwahrscheinliche Szenarien.
Die Begründung lautet, dass durch mehr Konkurrenz und Wettbewerb der Druck auf die Standorte und die jeweilige Wirtschaft steigt.
Im Zuge des Gerangels könnte man sich einiges Szenarien vorstellen: Steuernachlässe und Subventionsgeschenke, Feiertage, Aufweichung von Arbeitzeitgesetzen und Tarifabschlüsse usw.
Da mag ich auch gar nicht widersprechen. Das sind durchaus reale Gefahren. Aber einmal mehr handelt es sich dabei um Risiken, mit denen wir es ohnehin zu tun haben!
Weder Schröder noch Griechenland haben dafür T/C gebraucht. Wir befinden uns ohnehin im ständigen Gerangel - sowohl innerhalb der Eu wie auch nach außen. Sowohl die allgemeinen Bedingungen für die Wirtschaft wie auch die Standortfaktoren haben bereits heute immense Bedeutung.
D.h. wenn es bergab geht, dann wird sowieso das scharfe Messer angesetzt (hatte ich schon kurz erwähnt, glaube ich).
Was soll man denn sonst tun? Etwa sediert abwarten bis man sanft ins Otherland hinübergleitet?
Was diese Leute gern unterschlagen (vergessen?) ist, dass der Sinn von T/C nicht die gemeinsame Talfahrt ist sondern das genaue Gegenteil. Man möchte der Talfahrt vorbeugen. Insofern (wenns klappt mit der Belebung) könnte sich T/C sogar als ein Schutz für viele Standards herausstellen.
Denn keine Regierung kürzt gerne. Die wollen schließlich wiedergewählt werden. Kürzungen gibt es aber mit Sicherheit, wenn sie sein müssen (oder als unausweichlich scheinen/erklärt werden).
Ich schrieb es bereits: wir brauchen Antworten für morgen und übermorgen.
Der sicherste Weg, den geliebten Standards dauerhaft Lebewohl nachzurufen, ist der, die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren und abgehängt zu werden.
Deshalb müssen wir uns nicht nur die Frage stellen, ob wir ja oder nein zu T/C sagen. Wir müssen nicht nur die Chancen und Risiken abwägen, die mit T/C einhergehen. Wir müssen uns auch fragen, welches die Alternativen sind/sein könnten und wie die entsprechende SWOT-Analyse ausschaut.
Und das ist keineswegs ein rein deutsches Problem, wie öfter mal zu hören ist. Klar haben wir mit Abstand den dicksten Batzen an den Ausfuhren (wir sind aber auch der dickste und bevölkerungsreichste Brocken der Eu). Die Exporte der Eu in Drittstaaten belaufen sich auf knapp 2 Billionen (ich glaub 1,8 oder 1,9, weiß jetzt nicht genau) und die Zahlen von Zypern oder Malta sind im Vergleich winzigst. Das heißt aber noch lange nicht, dass die auf ihre "Winzigkeiten" verzichten möchten oder können.
Wer Standards sichern oder gar ausbauen will, der braucht die Voraussetzungen dafür - das dürfte wohl eine der trivialsten Zusammenhänge in diesem Themenkomplex schlechthin sein.
T/C kann so eine Voraussetzung schaffen (ich schreib extra
kann, ich bin kein Hellseher und verdiene mein Geld nicht mit Werbefeldzügen), denn wirtschaftlicher Erfolg ist eine der Voraussetzungen.
Wer nichts tut, der wird über kurz oder lang mit Sicherheit Standards einbüßen, denn - ich erwähnte es bereits - die Kugel dreht sich weiter und nimmt dabei keine Rücksicht auf Staaten, Völker, Arbeitnehmer und Leckerli.
[1] das ist aber nicht so als würde ein Autobesitzer die Verkehrssicherheit seines Töffs selbst attestieren, wie einige Merkwürden gerne mal behaupten
[2] dabei muss ein neues Präparat nachgeweisenermaßen besser wirken als ein Vorgänger. Das hat aber nichts mit der Zulassung an sich zu tun. Der Nachweis ist erforderlich, damit Kassen einen höheren Preis zahlen. Auf den Markt darf ein Medi aber schon mit CE
[3] das ist eine ganz schön dämliche und
unfaire Regelung, weil ein Generikum dann lediglich die Konformität braucht und sich damit erheblich Zeit, Nerv und Kosten spart, was demjenigen, der ein Produkt entwickelt und durch die Instanzen geboxt hat, naturgemäß die Haare ergrauen lässt, weil der Kostenvorteil beim Nachahmer liegt (recht logische Konsequenz: der Preis für neue Medis wird im Zweifelsfall eher zu hoch als zu niedrig sein, denn die Zeit drängt)
[4] wäre etwa so als würdest du mit deinem Auto erst zum TÜV und dann zur Dekra vorstellig werden, zweimal die gleiche/ähnliche Prozedur über die ergehen lassen und zweimal dafür zahlen
[5] wissenschaftliche Kriterien ändern sich nicht mit T/C. Und wenn Politiker derart bekloppt sind, dass sie sich für niedrigere Regeln entscheiden, dann könnten die das auch prima ohne T/C tun. Wer also den Pol misstraut (was in gewissen Maßen durchaus angebracht scheint), der argumentiert nicht gegen T/C sondern im Grunde gegen Pol
[6] ja, das geht heutzutage auch, man glaubt es kaum
[7] seit der Wallonie wissen wir (abzüglich der Unbelehrbaren), dass das ständig beschworene Schreckensgespenst der Entmachtung, Unterwanderung und dem "Wirtschaftsdiktat" nichts als Panikmache war.
Optimist schrieb:Schon alleine in der EU wird doch sicher gerne mal der kleinste gemeinsame Nenner genommen um alle Länder unter einen Hut zu bekommen - wenn es um europaweite Regelungen geht.
Weiß nicht genau, was damit gemeint ist.
Der kleinste gemeinsame Nenner ist zudem nicht automatisch eine Absenkung von Standards sondern eben das fixierte Minimum, das man nicht unterschreiten darf. Draufpacken geht durchaus (bei einigen Themen zumindest). So haben viele Arbeitnehmer mehr Urlaub als ihnen das Gesetz zugesteht.
Außerdem gehts ja auch andersrum. Deutschland blockiert schärfere Abgasnormen für Kfz*, die die Eu gern durchboxt hätte.
Versteh den Punkt daher nicht genau. Müsstest du vielleicht etwas spezifizieren.
* Komisch, wo doch Millionen Autofahrer ganz genau wissen, dass die deutschen Töffs die allergutesten und saubersten überhaupt sind