@lawine Ganz genau. Ich denke die deutschen Medien und Politiker sehen das alles immer noch viel zu sehr mit ihrer europäischen Brille.
Demokratie westlicher Prägung ist in den meisten Gegenden der Welt und schon gar nicht im Nahen Osten etwas, was die Menschen von den Stühlen reisst, vor Begeisterung. Im Gegenteil: dort ist seit ewigen Zeiten immer noch das Führerprinzip die Regel. Daran ändern auch die vergleichsweise wenigen Jahre seit Atatürk nicht viel.
Das merkelsche Geschwafel und die besorgt händeringenden Kommentare westlicher Zeitungen werden in der Türkei kaum Eindruck machen. Vielleicht bei den ganz wenigen westlich geprägten Intellektuellen, aber die entsorgt Erdowahn ja gerade eh in seine Gefängnisse.
Erdowahn hat ganz andere Ziele. Er hat erkannt, dass sich ihm ein historisch günstiges Fenster geöffnet hat, seit der Westen -genauso kurzsichtig- dafür gesorgt hat, dass die beiden einzig ernstzunehmenden Konkurrenten um die Stellung einer Regionalmacht ausgeschaltet wurden: Ägypten durch den Sturz Mubaraks und das anschliessende Chaos, Irak durch die Beseitigung Saddams. Der Iran, der letzte Konkurrent, ist aus historischen Gründen in der Gegend wenig beliebt. Die Saudis sind zwar reich, aber dekadent, die haben keine starke Armee usw.
Erdowahn meint, die Zeit ist reif für einen Sultan, der die unterdrückten Nationen der arabischen Welt wieder zu Glanz un Gloria führt und vor allem sie von westlicher Bevormundung befreit. Und er weiss, dass sein eigenes Volk schon ganz gerne wieder als das 1. Volk im Nahen Osten gesehen würde, wie anno dunnemal.
Und er hat richtig erkannt, dass die EU ein zahnloser Tiger ist, die USA keinen Bock mehr haben, sich da einzumischen und Putin dazu bewogen werden kann, das alles wohlwollend anzusehen.
Bei der ganzen Diskussion derzeit geht es immer nur um das Referendum. Man sollte sich einmal Gedanken machen, worum es Erdowahn geht: um die Zeit nach dem (gewonnenen) Referendum.
Dann merkt man auch, dass die ganze Betroffenheitsbesorgnis in Merkelland ohne jede Wirkung auf die Türkei ist. Oder hart gesagt: das Land, in dem bald gefühlt die Hälfte der Bevölkerung im Gefängnis sitzt, hat andere Probleme als darüber nachzudenken, ob nun eine Kommune in Deutschland ein Hallenverbot aussprechen soll oder die ewig schweigende Bundesmutti einmal was sagen sollte.