JacobMonod schrieb:Nö, nur angewidert von Abschweifungen, die vom Thema weg und zu Haarspaltereien hinführen, wo mir die Lebenszeit schlicht zu schade ist, um sie daran zu vergeuden, ständig Richtigstellungen vorzunehmen, die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächsten Verwirrungsspiele nach sich ziehen. Was Du gestern geschrieben hattest, war ebenfalls vom Thema wegführend, statt sich dem Thema widmend.
Leider kommt man aber bei der Erörterung metaphysischer Fragestellungen scheinbar nicht drumherum, logisch-semantische oder erkenntnistheoretische Grundlagen klarzustellen, weil andererseits Fehlschlüsse und Missverständnisse förmlich vorprogrammiert sind. Klassiker:
Wikipedia: Semiotisches DreieckIn diesem Sinne ist bspw. "Lebewesen" erst einmal nur eine Folge von
Zeichen ("L", "e", "b" usf.), die für einen
Begriff steht, welcher sich ggf. auf
real-faktische Gegebenheiten bezieht (ich meide bewusst den Begriff "Ding"...). Ich hab's sogar noch vereinfacht und erst einmal nur zwischen Konzepten und real-faktischen Gegebenheiten, auf die sich jene Konzepte beziehen, unterschieden. Statt von "Konzept" könnte man vielleicht auch von einer "Idee", einem "Gedankeninhalt" oder einem "Begriff" sprechen. Und statt von "real-faktischen Gegebenheiten" vielleicht auch von "Tatsachen" (im Sinne wirklicher, nachweisbarer, bestehender, wahrer und denkunabhängiger Sachverhalte). Mir egal. Wichtig ist zunächst nur: Es gibt real-faktische Gegebenheiten einerseits, und unsere Konzepte (Ideen, Gedankeninhalte, Begriffe...), die wir jenen Gegebenheiten aufstempeln, andererseits.
Bspw. das Konzept oder die Idee "Lebewesen" ist nur eine Erfindung des menschlichen Geistes. Nicht: Es gibt Lebewesen. Sondern: Es gibt real-faktische Gegebenheiten, denen wir dann das Konzept "Lebewesen" aufstempeln. Die Natur selbst kennt keine "Lebewesen" und es ist ihr bspw. völlig egal, ob wir etwa Viren mit zu den "Lebewesen" zählen oder nicht...
https://www.synthetische-biologie.mpg.de/17480/was-ist-lebenUnd gerade dieses und viele andere Beispiele machen deutlich, dass wir permanent eigentlich nur Konzepte erfinden, mit deren Hilfe wir dann ein gedankliches Abbild der Realität schaffen, um sie uns irgendwie begreifbar zu machen. Die Realität selbst kennt diese Einteilung bzw. Konzeptionalisierung nicht, was dann u.a. dazu führt, dass wir ständig gezwungen sind, unsere Konzepte zu überdenken und ggf. zu überarbeiten (man denke etwa auch an das Konzept "Atom"... von der Antike bis zur Moderne...).
Sobald solche Grundlagen halbwegs klar sind, kann man weitermachen:
JacobMonod schrieb:Hier geht es um die Frage, ob die Mathematik erfunden oder entdeckt worden ist. Und die Belege dafür, dass es sich um eine Erfindung handelt, sind überwältigend genug, um hier eine Entscheidung treffen zu können.
Mathematik ist für dich eine Erfindung, gut. Über die klassischen Naturwissenschaften schreibst du:
JacobMonod schrieb:Selbstverständlich, denn die beschreibenden Wissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) sind ebenfalls Erfindungen des menschlichen Gehirns, die sich mit dem vorgefundenen Ausgangsmaterial in der Natur beschäftigen.
Allerdings schrieb ich bereits:
Noumenon schrieb:Hier geht es aber nicht um Konzepte (diese sind selbstverständlich Produkte des Geistes), sondern um das, worauf sich diese Konzepte beziehen (ferner: ob und inwiefern sie es tun).
Niemand möchte bspw. wissen, ob etwa die Biologie, die Evolutionstheorie oder die von ihnen genutzen Konzepte bloße Erfindungen des menschlichen Gehirns sind. Diese Frage stellt sich nicht, jedenfalls nicht ernsthaft. Die relevante Fragestellung ist die, ob durch jene Konzeptionalisierungen und darauf basierenden Aussagen letztendlich
Tatsachen (dein "Ausgangsmaterial", sozusagen) dargestellt werden, oder ob es sich um frei erfundene Sachverhalte handelt. So im Falle der klassischen (empirischen) Naturwissenschaften, aber auch - im Rahmen dieser Diskussion hier - im Falle der Mathematik.
JacobMonod schrieb:Der Fakt, dass man Dinge der Natur zählen kann und den daraus abgeleiteten Zahlbegriff verwenden kann, um ihn isoliert zu betrachten und darauf aufbauend dann eine Mathematik zu entwickeln, ist an das Vorhandensein eines hinreichend entwickelten Gehirns gebunden, welches zu einem Lebewesen gehört, das in der Lage ist, Dinge der Natur wahrzunehmen und als Zähleinheiten zu erkennen. Nur darum geht es ...
Die Ontologie fragt: was ist? Oder: Was ist der Fall? Oder: Welche Tatsachen gibt es? Nur darum geht es. Und natürlich kommt auch die Ontologie nicht ohne Konzepte aus: "Ding", "Eigenschaft", "Relation", "Existenz" usw. Und selbstverständlich sind solche Konzepte
"an das Vorhandensein eines hinreichend entwickelten Gehirns gebunden, welches zu einem Lebewesen gehört, das in der Lage ist, Dinge [Tatsachen] der Natur wahrzunehmen [zu erfassen]" und sich durch eben jene Konzepte begreifbar zu machen. Das von dir Gesagte gilt also nicht nur für das Konzept "Zahl", sondern überhaupt für
alle unsere (erdachten) Konzepte.
JacobMonod schrieb:Jetzt bekommst Du gerade live vorgeführt, was ich mit meiner Einlassung, dass es mir hier zu blöd wird, meinte, @Noumenon . Und dafür ist mir meine Zeit einfach zu schade. Ich ziehe mich daher dann mal aus dieser Parodie einer Diskussion zurück und überlege mir stattdessen lieber, ob ich mir doch einen Blog anlege. Dumme Kommentare kann ich da nämlich wieder löschen, während das hier leider nicht möglich ist.
Was erwartest du? Im Rahmen einer gewissen Verteilung ist hier sicherlich so ziemlich jede Altersgruppe vertreten. Neulich outete sich hier jemand als Schüler der 8. Klasse - da darf man dann auch kaum tiefgründige Diskussionen und Analysen über fundamentale Fragestellungen der Philosophie oder Wissenschaft auf hohem Niveau erwarten. Außerdem dürfte wohl auch vom Hauptschüler bis zum Doktoranden so ziemlich alles vertreten sein.
Ich nutze Diskussionen häufig nur als Anregung, mich mit diversen Themen eingehender auseinanderzusetzen, und zwar weniger in der Diskussion selbst, sondern durch die beiläufige Recherche (Internet) oder Lektüre entsprechender Literatur. Aktuell schleppe ich bspw. auch 2-3 Taschenbücher zu philosophischen Grundlagen (logisch-semantische Propädeutik, Logik und Metaphysik) mit mir herum, auch wenn's vielleicht nur ein paar Minuten auf dem Arbeitsweg sind, wo ich es schaffe bzw. die Lust hab, ein paar Seiten zu lesen - immerhin, besser als nichts. Und die Diskussion dient dann eigentlich nur der eigenen Urteilsbildung (welchen Standpunkt vertrete
ich eigentlich...?) und der Überprüfung, ob das Gelesene auch halbwegs verstanden wurde, welche Unklarheiten, Einwände oder Gegenargumente es gibt usf.