@Maya108 ...eine Stadt, zwei Gesichter
Auf dem Dach des Mercury-Hotels wehte ein eisiger Wind. Michael hatte sich schnell wieder gefasst und war ausgestiegen. Er holte aus seiner Brusttasche seine Sonnenbrille. Es ging los.
Aus dem Eingang kamen drei Männer. Michael ging ihnen entgegen und Nathan folgte ihm in gebührendem Abstand. Dies war nicht seine Welt. Das hier war Buisness – der Buisness von Michael.
Und der junge Mann fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Er beobachtete wie der kleiner der Männer Michael die Hand gab und zu ihm etwas sagte. Die anderen Beiden schienen so etwas wie Bodyguards zu sein. Sie waren groß und breitschultrig, hatten dunkle Anzüge und einen regungslosen Gesichtsausdruck. Jetzt wünschte Nathan sich in sein altes Leben zurück. Ihm fehlte plötzlich die
Sicherheit seines Alltages. „Gut, dass du da bist Michael“, hörte er den kleineren Mann sagen. „Danke dass du alles organisiert hast“, antwortetet Michael. Das war also David Furguson.
Nathan betrachtete ihn genauer. Der graue Anzug schien dem Mann fast zwei Nummern zu groß geraten zu sein. Ansonsten wirkte er sehr gepflegt. Seine schwarzen Schuhe glänzten.
Seine längeren schwarzen Haare waren sorgsam zurück gekämmt und das Gel darin glänzte. Bei seinem Lächeln entblößte sich eine Reiße tadellos weißer Zähne. An diesem Mann schien nichts wirklich echt zu sein. Anscheinend bemerkte Furguson den intensiven Blick. Er sah zu ihm herüber. Und der Blick in seinen Augen ließ Nathan erschauern. „Gehen wir rein.“ Nathan drehte sich noch einmal um.
Hinter ihm erstreckte sich die Skyline von New York. Und plötzlich erschien ein Bild vor seinen inneren Augen. Cassandra stand am Rand des Hofes. Ihr rotes Kleid wehte und der Wind spielte mit
Ihren Haaren. Sie nickte ihm zu. Dann war sie verschwunden. Nathan keuchte und drehte sich ruckartig um. Die Männer waren schon am Eingang. Hastig eilte er ihnen hinterher. Nachdem er sein Zimmer bezogen und es für wahnsinnig gepflegt empfunden hatte, klopfte Nathan an Michaels Tür. Nick, der große bullige Bodygard vor der Tür nickte ihm freundlich zu. „Komm rein, Nat“, hörte er Michael sagen.
Der Raum war ein riesiges Apartment. Der helle Teppich ließ alles noch größer erscheinen. Es gab keine Trennwände. Links in der Ecke stand ein riesiges Bett. Der dunkle Himmel war mit der golden bestickten Tagesdecke abgestimmt. In der Mitte war eine weiße Couch, dann ein riesiger Fernseher. Davor eine Spielekonsole. Man hatte sich also auf den Gast vorbereitet. „Ich habe leider heute wenig Zeit für dich“, sagte sein Freund aus dem Badezimmer heraus. “David hat mich zum Mittagessen eingeladen.“ „Oh“, machte Nathan nur als Bemerkung. Natürlich war er nicht eingeladen. Er gehörte nicht dazu. Er war ein Freund, kein Berater. Jetzt grade war er nicht einmal mehr wichtig. Und das nagte an ihm. „Es tut mir wirklich leid.“ Michael war an ihm herangetreten. „Aber heute Abend essen wir zusammen, okay?“ Er knöpfte sein Jackett zu und griff nach der Sonnenbrille, die er auf die Kommode gelegt hatte. Nathan trat nervös von einem Bein auf das andere. „Was ist denn?“ fragte Michael und hatte plötzlich einen besorgten Gesichtsausdruck. „Ich weiß nicht, Mike“, begann der junge Mann. “Mir kommt das alles hier so – suspekt vor. Ich meine wir kommen direkt von Neverland - paff – in diese ganz andere Welt. Wird man dabei nicht verrückt?“ Michael tätschelte seinem Freund den Arm. „Das wird schon“, sagte er aufmunternd. “Das ist nun einmal mein Leben.“ Nathan nickte und senkte den Kopf. „Sagen wir heute Abend gegen neun hier auf meinem Zimmer?“ hörte er Michael im Weggehen sagen. “Ich muss leider los. Bin schon wieder spät dran.“ Nathan blieb zurück.
Er vergrub die Hände in die Taschen seines Anzuges und sah in den Spiegel. Ein müdes und blasses Gesicht starrte zurück. Sein braunes Haar mit der leichten Naturkrause hatte der Wind durcheinander gebracht. Seine blauen Augen wirkten überanstrengt. Sein brauner Anzug mit den feinen Nadelstreifen hatte sich verknittert. Er war wirklich kein besonders netter Anblick für die Herren des Managements. Wie schaffte es bloß Michael von jetzt auf gleich wieder so zu wirken, als wäre er der entspannteste Mensch auf der Welt? Er atmete tief durch. Der Druck auf seinen Schultern verstärkte sich. Dieser andere Michael machte ihm fast angst. So beherrscht, fast rücksichtslos seinen eigenen Gefühlen gegenüber. Mit gradem Rücken und geballten Fäusten war er aus diesem Zimmer gegangen.
Eigentlich hatte er ihm von diesem Bild erzählen wollen. Das Cassandra da war. Sie war hier, nicht im Hilton. Das sein Gefühl ihm sagte, dass es hier nicht wirklich mit rechten Dingen zuging.
Aber gleichzeitig nannte er sich einen Idioten. Früher oder vielleicht woanders hätte er seinem Freund das alles sagen können. Aber nicht hier. Nein, das hier war nicht Neverland! Das hier war ein Haifischbecken. Plötzlich wurde es auf dem Flur lebendig. Ein weiterer Bodyguard kam und besprach sich mit Nick. Als dieser ernst nickte trat Nathan neben ihn. „Ist etwas passiert?“
Die ernsten Augen von Nick sahen ihn an. „Nur das übliche, Mr. Cole.“ Er hatte eine tiefe Stimme, die zu seiner Figur und seiner sehr dunklen Hautfarbe passte. “Fans.“ Der junge Mann runzelte die Stirn. Ging es tatsächlich so schnell? Er hatte das Gefühl, dass ihm dieser Flur, dieses Hotel plötzlich zu eng wurde. „Ich werde ein Stück gehen“, sagte er. „Sagen sie Michael, dass ich heute Abend
pünktlich da sein werde.“ Er ging zum Fahrstuhl und drückte den Knopf. „Mr. Cole“, hörte er Nicks Stimme hinter sich. “Passen Sie auf sich auf.“ Nathan nickte nur. Die Hotelhalle war in hellem Marmor gehalten. Viele der kleinen Arrangements waren in Gold gehalten. Es herrschte lebhaftes treiben. Und Nathan blieb wie erstarrt stehen. Vor der gläsernen Eingangstür hatten sich die Portiers versammelt und versuchten nun mit vereinten Kräften, die Tür geschlossen zu halten. Dutzende junger Gesichter drückten sich an der Glasscheibe die Gesichter platt und schrieen. Ein junger Page lief an ihm vorbei und rief den Damen, die ebenfalls geschockt waren über die plötzliche Menschenmasse, etwas wild gestikulierend zu. Hektisch sah der junge Mann sich um und entdeckte einen weiteren Pagen an der
Treppe. „Entschuldigen Sie“, sprach er ihn an. “Können sie mir sagen, wie ich wohl aus diesem Hotel raus komme?“ Der Page grinste und Nathan merkte, dass ihm dieses Grinsen wütend machte.
„Raus?“ fragte dieser mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ja raus!“ Nathan schrie fast. Seine Nerven waren angespannt. „Oh, raus ist nicht das Problem!“ Der Mann drehte sich um. “Aber ob sie wieder in
das Hotel rein kommen kann ich ihnen nicht versprechen.“ „Hören Sie-“ sofort senkte Nathan wieder die Stimme. Seine Hände waren feucht vor Anstrengung. “Eine klare Information reicht mir. Haben Sie das verstanden?“ Der Mann schluckte und nickte dann. Er wies mit der Hand nach rechts und Nathan verstand. Ihm blieb nur der Hinterausgang. Ein kahler Flur ohne Teppiche in dem es nach abgestandenen Wasser und Essen roch. Ihm überkam Mitleid. Als er die eisenbeschlagene Tür öffnete fand er sich in der hoteleigenen Garage wieder. Auch hier waren einige Männer damit beschäftigt, die Türen zu sichern. Aber es ging routinierter zu. Diese Männer schienen direkt von der Security zu sein. „Sir, kann ich Ihnen helfen?“ „Äh, ja. Ich würde gern raus auf die Straße.“ Selbst dieser einfach Wunsch kam ihm jetzt grade fast unmöglich vor. Doch der Mann der ihn angesprochen hatte nickte nur. „Folgen Sie mir.“ Und dann ging alles ganz schnell. Nathan spürte, wie er am Arm gepackt wurde. Die Security bellten etwas in ihre Walkie-Talkies, die wie der den Polizisten am Revers ihrer Hemden befestigt waren und dann wurde er durch eine Menge dunklen Anzugstoffes geschoben.
Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie erst wieder, als er die Luft spürte, die seinen Lungen jetzt füllte. An der Ecke sah er die Menschen. Viele Frauen. Alle hatten T-Shirts und andere
Symbole ihres Idols wie ein Hut oder ein Handschuh, die sie mit Stolz trugen. Die Gesichter waren verschwitzt und sie schrieen, dass es Nathan in den Ohren rauschte. Der junge Mann atmete ein paar Mal kräftig durch, dann drehte er sich um und begann zu rennen. Es wurde Zeit von hier zu verschwinden.