Ozeanwind schrieb:Meine ersten sexuellen Erlebnisse fanden gegen meinen Willen statt
Also erstmal tut mir das sehr Leid. Traumata hinterlassen tiefe Wunden, die vieles verändern - so ist das bei mir auch. Ich habe in meiner Kindheit auch viele Traumata miterlebt - ich habe an anderer Stelle schon mal davon geschrieben. Und auch bei mir sind viele Bedürfnisse, die andere Menschen als wichtig empfinden, kaum ausgeprägt oder nicht vorhanden. Ich kann es also aus dieser Perspektive durchaus nachvollziehen. Ich hoffe, du hast professionelle oder gute Hilfe bekommen, das alles zu verwinden.
Auch in der Familie meiner Frau gab es ähnliche Fälle wie den deinen. Ohne, dass sie, soweit sie sich erinnert, betroffen gewesen wäre, hat auch sie ein eher zwiespältiges Verhältnis dazu.
Ozeanwind schrieb:dass es solch einen großen Stellenwert in den Leben anderer darstellen sollte.
Nun will ich mein Plädoyer auch nicht so Missverstanden wissen - bei mir ist der Begriff Sexualität wie ich schon meinte auch gar nicht auf den reinen Koitus beschränkt. Sondern dazu gehört überhaupt jedes Bedürfnis nach emotionaler oder körperlicher Nähe, das romantische Gefühle beinhaltet, als Abgrenzung zur Freundschaft. Es umfasst nicht nur das Verlangen nach Sex.
Und da gebe ich dir auch völlig Recht, ich habe das auch nie so Recht verstanden. Ich bin ohnehin jemand, der sich, eben durch meine Traumata, ohnehin nur schwer bindet, dann aber RICHTIG. Mir war daher "rumvögeln" immer äußerst suspekt. Meine erste Beziehung ging direkt 4 Jahre, von 15 bis 19. Mein erstes Mal war klasse, ich hatte also einen guten Einstieg, und in dieser Beziehung war mir das auch noch recht wichtig, auch, weil es eine Wochenendbeziehung war und Sex ja auch emotionale Nähe schafft, die ich z.B. in meiner jetzigen Beziehung auch daher schöpfe, dass man viel mehr Zeit miteinander verbringt. Aber auch nicht so wichtig, dass ich es unbedingt nötig gehabt hätte.
Ich habe mit 21 geheiratet, das bin ich auch bis jetzt noch (heute 28). Zwischen meinen Beziehungen hatte ich eine Bekanntschaft mit einem Mädchen, mit dem ich sehr bald eine sehr innige, und sehr tiefe Freundschaft verband. Mit dieser Person hatte ich zwei Mal Sex und da habe ich ehrlich gesagt überhaupt erst begriffen, was es bedeutet,
guten Sex zu haben, was das mit einem macht, mit dem eigenen Selbstbewusstsein und Selbstbild. Ich habe da mich selbst auf einer tieferen Ebene kennengelernt. Das war kein "Liebe machen", das war eine Reise zu meinen tiefsten animalischen Urtrieben, eben das "Tier". Und ich glaube, ich habe da wirklich viel von mir selbst verstanden.
Vielleicht kann das der ein oder andere ja nachfühlen.
Jetzt bin ich verheiratet und bleibe das auch. Mir ist Sex echt relativ schnuppe, denn ich kann mit dieser - meine Liga weit übertreffende ehrlich gesagt - Frau noch mein ganzes Leben schlafen. Und manchmal ist der Aufwand viel zu hoch, da sitze ich lieber vor meinem Rechner und schreibe bei Allmy während auf dem anderen Monitor die Merkel sich vorm Bundestag erklärt und ich bin viel zufriedener.
Also, ja, ich versteh schon was du meinst
:D Aber nach diesem zweiten Erlebnis, das ich beschrieb, hab ich halt begriffen, wie gut es für einen ist, mit dieser, tief in uns allen sitzenden Seite, mal in Kontakt zu treten.
Sich seiner inneren Bedürfnisse klar zu werden ist immer gut.
Ozeanwind schrieb:obwohl der eine oder die andere gar nicht wirklich das Bedürfnis dazu hat.
So war das bei meiner Frau auch. Das realisiert man dann später und hat ein noch schwierigeres Verhältnis dazu.
Ozeanwind schrieb:Deshalb reagiere ich auch sehr empfindlich auf "Täterverhätscherlei". Damit meine ich dann aber auch wirklich diejenigen, die zum Täter wurden und andere als Opfer hinterließen.
Das verstehe ich. Ich habe, und ich hoffe, dass ist dir auch bewusst, auch gar nicht die Täter in Schutz genommen, sondern die, die es noch nicht sind. Denn die brauchen halt Hilfe.
Dazu müssen sie sich halt auch bewusst sein, dass sie ein Problem haben, sie müssen das erkennen und reflektieren - und das muss auch die Erwartung an sie sein. Wer nicht in der Lage ist, das zu tun, und die Kontrolle über sich verliert, bevor er sich Hilfe sucht, der ist ein - man findet eigentlich keine Worte dafür, die beschreiben, was so ein Mensch ist. Oftmals wären selbst lebenslange, körperliche Qualen nicht Strafe genug für die klaffenden, seelischen Wunden, die sie hinterlassen, ich weiß das wohl selbst.
Aber wenn so ein Mensch, bevor er eine Tat begeht, sich an andere wendet, dann müssen wir als Gesellschaft diesen Menschen auch mit - so weit wie möglich zumindest - geöffneten Armen empfangen, um zu verhindern, dass er ein Täter wird.
Und ich finde, wenn jemand, bis er einen solchen Schritt machen kann, sich beispielsweise über Puppen ein Ventil sucht, so ist das für dich und mich widerlich und krank. Ich glaube aber, statt einem Einfuhrverbot, eine schriftliche Informationsbeigabe mit Hilfsstellungen, Telefonnummern und Beratungsstellen für eben solche Programme, die etwaigen Betroffenen eine Hilfe sein können, mehr Erfolg hätte, als ein Einfuhrverbot, das letztlich ohnehin irgendwie umgangen werden wird.
Bilder, das kann ich verstehen, das ist eine schlimme Grauzone. Und Videomaterial ist indiskutabel.
Da habe ich ja aber die Scheinminderjährigkeit erwähnt, das ist tatsächlich ein Problem, weil dich das auch betreffen kann, wenn du gar nicht Pädophil bist, aber mal über so ein Video gesurft bist. Da werden Leute wirklich unnötig kriminalisiert.
Ozeanwind schrieb:Mich macht es sehr wütend, wenn Täter entschuldigt werden und teilweise wirklich fassungslos. Da kann ich auch wohl niemals von außen drauf schauen, weil ich zu sehr drinnen bin.
devil075 schrieb:habe ich deshalb lieber nichts gesagt, da ich keine Worte hatte
Also nochmal -
niemand nimmt Täter in Schutz. Ich sage, wir müssen
noch nicht straffällig Gewordene vor sich selbst schützen. Und dazu muss man nun mal auch differenzieren, wovon man gerade spricht, und nicht direkt in Schnappatmung verfallen.
nairobi schrieb:Schlechter wäre es wohl, sie durch Süchte zu unterdrücken.
Tatsächlich haben ihr ihre Benzos und Alkohol wohl sehr beim Tippen "geholfen"
:D Man kann auch alles kombinieren. Wie gesagt, das kann - konnte? Hab Twitter selbst nicht - alles nachgelesen werden. Ich habs über andere Foren damals mitverfolgt.
Ozeanwind schrieb:das geht oftmals unter.
Also, ehrlich gesagt, das liegt halt auch daran, dass man das auch als nicht Betroffener nicht fassen kann. Ich sags jetzt doch mal, weil oben auch schon erwähnt: Ich bin halt über 11 Jahre körperlich schwer misshandelt worden, von meinen (teils Stief)eltern. Und glaubst du, da begreift auch nur jemand, was das wirklich angerichtet hat, der es nicht selbst erlebt hat?
Klar sagen alle, "Oh, Opfer häuslicher Gewalt, gerade Kinder, sind echt arm dran!" - dass ich mich mit Händen und Füßen dagegen wehren muss, dass mich meine Psychologin zum Frührentner erklärt, weil ich regelmäßig Psychosen fuhr und erst seit 2 Jahren auf dem Weg der Besserung bin, dass interessiert halt auch niemanden. Und das kann auch nie jemand wirklich verstehen, der nicht ähnliches erlebt hat - so wie ich dich auch verstehe. Ich komme in diesem Fall aber zu einem anderem Ergebnis, nämlich, dass ich es ja keinem Übel nehmen kann, nicht dasselbe oder ähnliches erlebt zu haben, um eben in der Lage zu sein, sowas zu verstehen.
Mit meiner erwähnten ersten Freundin ging es auch deswegen auseinander, weil sie es eben nicht verstehen konnte, WAS da in mir vorgeht. Und ich hab ihr auch gegrollt, warum sie es denn nicht verstehen könne - ja, es tue ihr Leid, aber davon konnt ich mir nichts kaufen.
Dann traf ich meine Frau, und die Verstand mich. Weil sie dasselbe erlebte. Und das brach mir fast das Herz und ich wünschte mir, sie könne mich nicht verstehen.
So wie ich mir wünsche, dass du das verstehst - auch wenn du die Meinung nicht teilen musst, vielleicht ist dir die Perspektive eine Erleichterung.
Sei wütend auf die Schuldigen, aber nicht die, die Gottlob ein schöneres Leben als wir haben konnten.
Ozeanwind schrieb:Ich jedenfalls musste mir selbst Hilfe suchen
Ich hoffe, du hast sie gekriegt.