Tommy57 schrieb:Die Bibel enthält Hunderte prophetische Äusserungen und die 100% Quote ihrer Erfüllung beweist die Inspiration der Bibel und das berechtigt dann zur Überzeugung, das der ganze Text von Gott inspiriert wurde.
Logische Zirkel
Im Teufelskreis des Glaubens
Viele Glaubensüberzeugungen beruhen auf logischen Zirkeln (die erste Falle des Trilemmas). Wir finden in der Bibel massenweise Beispiele dafür, aber noch mehr im Denken der Gläubigen.
Logische Zirkel sind Begründungsmuster von folgender Konstruktion:
Wir nehmen an, die Prämisse A sei wahr. Diese Annahme wird nicht begründet (sie muss auch nicht begründet werden). Aus der (angenommen) Wahrheit der Prämisse A können wir logische Schlussfolgerungen ziehen. Es ergibt sich die Schlussfolgerung B. B ist wahr, wenn A auch wahr ist (allerdings ist B auch falsch, wenn A falsch ist). Nun benutzen wir B als neue Prämisse und leiten daraus A ab. Wenn B wahr ist, dann ist A als Schlussfolgerung auch wahr. Damit stützt sich die "Wahrheit" der Prämissen gegenseitig.
Beispiel:
In der Bibel wird vor falschen Propheten gewarnt, die aus der Bibel Deutungen beziehen, die nicht eintreffen werden. Die Bibelstelle (zitiert nach der Elberfelder):
→2 Petrus 1:19-21
19 Und so besitzen wir das prophetische Wort [um so] fester, und ihr tut gut, darauf zu achten als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in euren Herzen aufgeht,
20 indem ihr dies zuerst wißt, daß keine Weissagung der Schrift aus eigener Deutung geschieht.
21 Denn niemals wurde eine Weissagung durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern von Gott her redeten Menschen, getrieben vom Heiligen Geist.
Es gibt also Leute, die die Bibel auslegen. Diese Menschen nennen wir Propheten. Da aber "keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Deutung ist" braucht es die Inspiration durch den heiligen Geist.
Nehmen wir an, wir haben zwei Propheten, nennen wir sie A und B. Beide behaupten, sie seien getrieben worden vom Heiligen Geist und hätten im Namen Gottes geredet (wie in Vers 21). Und nehmen wir einmal an, beide Vorhersagen widersprechen einander, und es kann daher nur einer Recht haben. Woher wissen wir, welcher der beiden Propheten Recht hat? Denn beide berufen sich auf den Heiligen Geist.
Nun wird also die Vorhersage eines Propheten eintreffen, die andere nicht (weil sich beide widersprechen). Jetzt können wir sehen, welcher der beiden Propheten vom Heiligen Geist inspiriert war, und wer nicht. Denn offensichtlich kann nur der wahrhaft Inspirierte die richtige Prophezeiung aussprechen. Nennen wir den richtigen, inspirierten Propheten den "guten Propheten", den uninspirierten den "schlechten Propheten".
Wer erkennt den Zirkel? Gläubige haben damit meist große Probleme. Es sieht doch alles richtig aus!
Das Problem ist: Vor dem Eintreffen der Vorhersage können wir nicht unterscheiden, wer inspiriert ist und wer nicht. Nach dem Eintreffen einer der beiden Vorhersagen wissen wir es und uns wird (subtil) suggeriert, dass wir damit auch erkennen, wer inspiriert war und wer nicht. Man kann diese Inspiration aber eben keinesfalls vorher erkennen, man ist auf Raten angewiesen. Erst nachher können wir sagen: A war der "gute Prophet", B war der "schlechte Prophet" (oder umgekehrt).
Wir erkennen den guten Propheten daran, dass seine Vorhersage eintrifft. Und wir schließen daraus, dass er inspiriert war vom Heiligen Geist. Aber dieser Schluss ist nicht nahe liegend. Könnten wir beweisen, dass der "gute Prophet" uninspiriert war, der "schlechte Prophet" hingegen nicht? Nein, denn wir haben kein Kriterium dafür, sondern nur das Eintreffen oder Nichteintreffen selbst.
Bei guten Propheten trifft die Vorhersage ein, bei schlechten Propheten trifft sie nicht ein.
Aha. Dieser Satz ist ganz offensichtlich wahr. Er enthält aber keinerlei neue Erkenntnis. Wir können nun noch beliebig viele andere Attribute (die man nicht erkennen kann) hinzufügen, der Satz wird dadurch nicht besser:
Bei guten, inspirierten Propheten trifft die Vorhersage ein, bei schlechten, uninspirierten Propheten trifft sie nicht ein.
Dieser Satz ist zwar noch teilweise wahr, enthält jetzt aber eine zusätzliche Behauptung.
Genauer sieht man es, wenn man eine Fallunterscheidung macht. Folgende vier Fälle können in unserem (vereinfachten) Beispiel auftreten: 1.Prophet A ist inspiriert, seine Vorhersagen treffen ein. Prophet B ist uninspiriert, seine Vorhersagen treffen nicht ein.
2.Wie 1., aber umgekehrt
3.Prophet A ist inspiriert, seine Vorhersagen treffen jedoch nicht ein. Prophet B ist uninspiriert, seine Vorhersagen treffen aber ein.
4.Wie 3., aber umgekehrt
Die Fälle 3 und 4 können nicht eintreten, denn es wird sofort argumentiert, wenn A oder B inspiriert wären, würden ihre Vorhersagen auch eintreffen, da sie aber nicht eintreffen, können sie auch nicht inspiriert gewesen sein. Also können nur 1. oder 2. zutreffen. Dies gilt sogar für einzelne Propheten - treffen ihre Vorhersagen ein, waren sie zu der Zeit der Prophetie inspiriert, sonst eben nicht. Wir finden dieses Erklärungsmuster übrigens auch in Pseudo-Wissenschaften wieder und es ist eine Schande unseres Bildungssystems, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, diesen schmutzigen Trick zu durchschauen!
Angenommen, für gute Prophetie gäbe es noch eine weitere wichtige Eigenschaft eines Propheten. Ein guter Prophet muss mockfallastisch sein (das Wort habe ich mir gerade ausgedacht, ich hoffe, es hat keine Bedeutung). Ein schlechter Prophet ist nicht mockfallastisch. Dann lautet der Satz:
Bei guten, mockfallastischen Propheten trifft die Vorhersage ein, bei schlechten, nicht mockfallastischen Propheten trifft sie nicht ein.
Haben wir damit gezeigt, dass es die Eigenschaft "mockfallastisch" gibt? Nein, denn das ist reiner Unsinn. Wir haben zu dem Satz reinen Unsinn hinzugefügt. Genau wie die Bibel dies getan hat! In meinem Beispiel ist der Unsinn offensichtlich, weil ich ein nicht existierendes Wort genommen habe, bei der Bibel ist es nicht ganz so offensichtlich, wenn man an den Heiligen Geist glaubt. Genauer gesagt: Nur durch die Annahme, dass der Heilige Geist nicht existiert, kann man den Unsinn erkennen.
Das Schöne an dem Beispiel ist: der Bibelvers (und Teile der Bibel) sind damit gegen Kritik immunisiert, sie sind durch diesen Taschenspielertrick gegen jede Form der Widerlegung gefeit.
Zu allen Zeiten haben Leute Prophezeiungen aus der Bibel abgeleitet. Viele davon waren falsch. Nun kann man im Nachhinein sehen, welche falsch und welche richtig waren. Die falschen Prophezeiungen wurden eben durch die nicht vom Heiligen Geist inspirierten Propheten getätigt. Damit kann man sich gezielt die "richtigen" Vorhersagen herauspicken und damit die Bibel als "bestätigt" ansehen. Die falschen Vorhersagen lässt man "unter den Tisch fallen", weil sie nicht inspiriert waren. Damit ist die Bibel auch durch falsche Vorhersagen nicht widerlegbar (während in der Wissenschaft eine falsche Vorhersage als Widerlegung einer Hypothese gilt).
Widerlegbar wäre die Bibel hier nur dann, wenn folgendes Ereignis möglich wäre:
Prophet A ist als inspiriert erkannt und macht eine Vorhersage. Diese Vorhersage trifft nicht ein. Damit wäre die Behauptung, man könne aus der Bibel Vorhersagen beziehen, widerlegt.
Aber wir können eben nicht erkennen, wer inspiriert war und wer nicht, außer beim Eintreffen der Vorhersage. Dann aber wird bei falschen Vorhersagen sofort gesagt: Aha, der Prophet war uninspiriert. D. h. der Fall zur Widerlegung der Bibel kann niemals eintreffen. Das ist logisch unmöglich.
Diese Strategie bezeichnet man als "Immunisierung gegen Kritik ". Dazu kann man logische Zirkel hervorragend verwenden.
Wenn etwas nicht widerlegt werden kann, dann ist es reiner Unsinn, mehr nicht. Was Gläubige nicht sehen (wollen) ist, dass man jeden Unfug immunisieren kann. Und dass man auf diese Art und Weise die Existenz von nahezu jeder beliebigen, nicht für sich prüfbaren Eigenschaft zu beliebigen Ereignissen hinzuschmuggeln kann.
Was "gewinnt" man durch diese Art der zirkulären Logik? Man gewinnt Pseudo-Gewissheit auf Kosten der geistigen Beweglichkeit. Die Gedanken drehen sich im Kreis und können die "vorgeschriebenen" Bahnen nicht verlassen. In Wahrheit handelt es sich aber um totes, nutzloses Denken, mit dem Erkenntnis vorgegaukelt wird, wo keine ist. Ideologien benutzen denselben Trick.
Bewegt man sich eine zeitlang in diesen ausgetretenen Denkzirkeln, so ist ein Entkommen aus eigener Kraft kaum möglich. Wenn dieser Zirkel durch Indoktrination und Gemeinschafts-Erlebnisse noch verstärkt wird, dann ist ein Entkommen ohne fremde Hilfe fast unmöglich (wie viele Leute, die ihre Angehörigen an eine Sekte verloren haben, aus schmerzlicher Erfahrung wissen).
Wir finden jede Menge dieser zirkulären Muster in der Bibel. Dies ist einer der Gründe, warum sie so weit verbreitet hat: Sie hält lauter Fallen für die Arglosen bereit. Wenn man nun eine Prüfung vornimmt und sich darauf einlässt, so zu tun, "als ob" sie wahr wäre, dann tappt man unversehens in diese Falle. Ein echter Teufelskreislauf.
Dieses Denken in Zirkeln ist es, was die Argumentationsweise von Fundamentalisten so starr und unzerbrechlich macht. Übrigens findet man diese Denkweise nicht nur in der Religion, sondern auch im alltäglichen Leben bis hin zur Politik. Es ist unglaublich schwer, diese Zirkel bei sich selbst zu entdecken, meist braucht man dazu die Hilfe von anderen.
Besonders verwerflich ist vor allem, dass das Ganze noch zusätzlich durch schwere Strafandrohungen geschützt wird.
Im nächsten Abschnitt beschreibe ich die Kunst der Prophetie - oder wie man dafür sorgt, dass Vorhersagen immer richtig sind.
Im übernächsten Abschnitt beschreibe ich, wie die Wissenschaft mit Zirkeln umgeht, und warum dieser Umgang so anders ist.
Konfusius, er zitiert: "Wenn Christus, wie er es getan hat, sagt: 'Ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen sondern das Schwert' [→Matthäus 10:34, VD], dann ist dies die einzige Prophezeiung des Neuen Testaments, die sich wortwörtlich erfüllt hat." (Robert Green Ingersoll)
http://www.dittmar-online.net/alt/religion/zirkel/index.html