Nemon schrieb:Wenn ich mir diese Route ansehe, komme ich weder auf „tagelang“, noch gibt es keine Möglichkeiten, Holz zu sammeln.
In dem Fall müsstest du mir diese Höhenroute bitte einmal konkret erläutern. Aus dem Auspiya-Tal gibt es zwei sinnvolle Routenoptionen in Richtung Otorten. Option 1: Überqueren des ‚Dyatlov-Passes‘ Abstieg zur Baumgrenze, Folgen eines Nebenflusses zur Lozva, anschließend Folgen der Lozva bis zum Otorten. Option 2: Von der Passhöhe nicht wieder absteigen, sondern entlang des Hauptkamms in einem Linksbogen in Richtung Otorten bewegen. (von der Strecke her nehmen die sich nicht viel, vom Zeitfaktor eventuell wohl schon). Von diesem Kamm gehen einigermaßen rechtwinklig die Täler der Lozva-Nebenflüsse ab. Sicher hat auch der Hauptkamm keine durchgehende Höhe, jedoch fiel er zumindest im Jahr 1959 nicht unter die Waldgrenze und beim Weg am Hang sollten sich die Höhenmeter in Grenzen halten. Möchte man einen Weg mit Brennholz haben, tangiert man notwendigerweise entweder die Täler der Nebenflüsse oder muss allabendlich absteigen und morgens wieder auf. Hierbei würde man hunderte zusätzliche Höhenmeter fressen und käme außerdem ständig wieder in den Tiefschnee; man würde also massig Zeit verlieren. Wahrscheinlich könnte man zeitlich dann sogar die Lozva-Route nehmen. Sprich: Wenn ich auf der Höhenroute, so wie ich sie verstehe, Zugriff auf Feuerholz haben möchte, dann kombiniere ich den negativen Zeitfaktor der Lozva-Route mit dem Sturm auf der Höhenroute. Wäre das sinnvoll?
Nemon schrieb:Warum sollten sie sich nicht gesagt haben, versuchen wir es einfach mal. Es fehlte ja nicht viel und bei weniger Wind könnte es vielleicht funktioniert haben.
Ich muss hier wieder ausholen; ich hoffe, das nimmt mir keiner übel. Die Gesamt-Route der Gruppe beschrieb ein grobes Rechteck. Die nordwestliche Ecke bildete der Kholat Syakhl. An dieser Stelle war der „Rundkurs“ zu verlassen und ein Abstecher einige Kilometer nach Norden zu machen – zum Otorten. Da es anschließend nach Süden weiter gehen sollte, wäre man erneut am Kholat vorbeigekommen und hätte den Dyatlov-Pass passieren müssen, weil 'Berg 880' wie ein Riegel im Weg steht. Dies bedeutet, dass der südliche Fuß des Passes einer der wenigen überhaupt möglichen und der mit Abstand sinnvollste Punkt der gesamten Reise war, um ein Lager anzulegen. Also warum wurde über den sinnvollen Ort für ein Vorratslager hinweggegangen, um das Gepäck unbedingt auf diesen Berg hinaufschleppen zu müssen? In dem Wissen, dass es auf der „Höhenroute“ auch keine Option mehr geben würde, ein Lager anzulegen? Die sinnvollste Antwort hierauf ist: Dyatlov wollte eigentlich kein Lager anlegen. Und zwar entweder, weil er Sorge um das Material hatte (Mansi) oder weil er nicht vorhatte, auf dem Rückweg noch einmal ins Auspiya Tal abzusteigen, sondern auf der „Höhenroute“ Richtung Süden bleiben wollte. Ergo hat er sich kurzfristig umentschieden. Dafür spricht auch, dass im Tagebucheintrag dieses Abends das Vorratslager und das Campen am Berg überhaupt das allererste mal mit einem Wort erwähnt wurden. („Can’t imagine such comfort on the ridge, with howling wind outside,“). Hätte Dyatlow den Hang am 31.01. erklimmen und nicht wieder ins Tal absteigen wollen, dann hätte er den Satz wohl am Vortag ins Tagebuch geschrieben.
Nemon schrieb:Aber ich weiß nicht, was du mit östlicher meinst … da wäre ja keine Route gewesen.
Nun, ich habe ja dargelegt, dass ich an einen kurzfristigen Wechsel von Routenoption 1 (Abstieg vom Pass, Lozva-Nebenfluss folgen) zu Option 2 (Höhenroute) glaube. Für die ursprünglich angepeilte Option 1 gingen sie aber zu weit westlich den Berg hinauf. Der eigentliche Passübergang ist mehr als einen Kilometer östlich, nicht unwesentlich niedriger und hat einen sanfteren Aufstieg. Aber wahrscheinlich hat man den richtigen Moment verpasst, sich von der Auspiya zu lösen.
Um das mit meinen Gedanken von gestern zusammenzufügen: Ob das alles Dyatlovs Autorität gutgetan hat, wenn es darum geht, in einer schwierigen Situation das Ruder zu behalten - mh.
Etwas anderes würde gelten, wenn schon im Vorhinein der Plan gewesen wäre, sich aufgrund der schweren Bedingungen zwischen Kholat-Otorten-und-zurück am Hang, außerhalb des Waldes und des Tiefschnees fortzubewegen. Immerhin sind die ungünstigen Bedingungen in den Tagebüchern fortwährendes Thema. Dann hätte die Gruppe allerdings ein wirklich heftiges Brett vor der Brust gehabt. Und ich würde dann einfach erwarten, dass dazu mal irgendeiner irgendetwas schreibt - nicht erst, wenn es so weit ist.
Da meine zwei kleinen Fragen von heute morgen bei dir ja so gut angekommen ist, stell ich gleich mal noch zwei in die Runde
;)1. Ist bekannt, ob die Gruppe einen Linkshänder hatte?
2. Gibt es eigentlich einen Erklärungsansatz für den Herrn Rempel auf Zinas Buchdeckel?