Streusel schrieb:Wenn man annimmt, dass ein oder mehrere Personen gesundheitliche Probleme hatten, oder aber die Wetterbedingungen ein Weitergehen unmöglich machten, macht ein Zeltaufbau mitunter schon Sinn.
Die gesundheitlichen Probleme kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Am Vorabend ist nichts davon im Tagebuch zu lesen; anders als bei Yudin, wo dies notiert wurde. Am Morgen dann wurde Labaz errichtet. Hätte man hier schon einen schwerer Verletzten gehabt, hätte man den Pass nicht überquert. Man hätte je nach Grad der Verletzung einen leichten Weg gewählt, bei dem man jederzeit in geschützter Lage rasten konnte, einen Ruhetag eingelegt oder sogar Maßnahmen für den Rückweg eines Teils der Gruppe ergriffen (->Hilfe holen. Schneemobil, Hubschrauber.)
Es folgte auf den Bau von Labaz ein kontinuierlicher Aufstieg bei teilweise recht tiefem Schnee. Man hat sich von Labaz aus ausschließlich bergauf bewegt. Ich bezweifle, dass man sich zu einem Zeitpunkt an diesem Tag mit mehr als 2-3m/s fortbewegt hat. Es ist schwer, sich hier ein Szenario für eine schwerwiegende Verletzung vorzustellen, zumal es im Zelt auch keine Hinweise hierfür gab.
Man könnte sicherlich noch annehmen, einer der Wanderer wäre (schleichend) krank geworden. Beginnendes Fieber am Morgen, Verschlimmerung während des Aufstiegs, Schwächeanfall am Kholat. Dann wäre die Frage, wie man mit einem solch ernsthaft Kranken verfahren wäre. Man war viel zu weit in der Wildnis, um einen Kranken allein umkehren zu lassen. Schweres Fieber legt sich ja üblicherweise nicht ganz so schnell; man war noch nicht mal auf halber Strecke. Ist es realistisch, dass man dann auf der Höhenroute das Lager aufgeschlagen hätte, um möglichst wenig Zeit zu verlieren? Wäre eine kurze Pause und dann ein Abstieg (notfalls mit gestütztem Kranken) Richtung Wald samt Wärmequelle nicht eher das Mittel der Wahl?
Trotzdem ist es nicht auszuschließen, das stimmt. Jedoch sehe ich dann eigentlich nicht, dass das etwas ändern würde. Die Sichtverhältnisse könnten auch bei Tag miserabel gewesen sein. Die natürlichen Erklärungsansätze für die Zeltflucht funktionieren grundsätzlich auch am Nachmittag, auch wenn sie bei Nacht noch etwas glaubhafter sind. Auch bei Sturm und Schneefall wäre das Zelt bei Tag mit gewissem Abstand nicht mehr zu finden gewesen. Und selbst wenn man von einem "Beginn" bei Licht ausgehen möchte, wäre es dann darauffolgend recht zeitnah dunkel geworden und die Ereignisse hätten im Dunkeln fortgedauert. Wir reden eben vom ersten Februar in ziemlich nördlichen Breiten.
Tatsache ist, dass die Nacht die Beteiligung Dritter noch unrealistischer macht, als sie ohnehin schon ist. (Zelt finden - Flucht ermöglichen - dann doch wieder alle finden, um sie dann erst zu töten). Deshalb verstehe ich, dass Konsorten wie Rakitin bemüht sind, Tageslicht herbei zu denken - denn ohne Tageslicht funktioniert ihr Szenario nun mal nicht. Ich finde das nicht seriös, denn die Mehrheit der Indizien spricht nun mal für ein Szenario bei Nacht. Genau genommen, gibt es nicht ein einziges Indiz, welches einigermaßen eindeutig für Tageslicht spricht. Selbst an der Taschenlampe kann man herumdiskutieren, wie man möchte. Ja, die
könnte in der Tasche gesteckt haben und raus gefallen sein. Aber ist das das Realistischste, was einem zur Beteiligung einer Taschenlampe einfällt? Eher nicht. Dass sie obendrein angeblich auf "an" stand, kommt ja noch hinzu. Eine angeschaltete Taschenlampe, die in der Tasche steckt und dann raus fällt? Eine Taschenlampe, die sinnloserweise in der Hand gehalten und dann weggeworfen wird? Come on.
Wir haben eine Taschenlampe. Wenn ich eine Schwimmbrille sehe, dann denke ich auch: "Oh, Wasser". Und nicht: "Oh, da wollte einer tauchen, dann war aber kein Wasser da und deshalb hat er sie weggeworfen.
Dann wären noch die Wetterbedingungen. Hierzu muss ich sagen, dass ich natürlich keine Ahnung vom Wandern unter solchen Bedingungen habe.
Ich persönlich würde mich bei sich stetig verschlechternden Wetterbedingungen, welche ein Weitergehen unmöglich machen, schleunigst an eine geschütztere Stelle verziehen und mein Zelt nicht an einem der exponiertesten Plätze aufstellen, die man finden kann. Bergab gehen kann man immer. Nichtsdestotrotz: Wenn sie wirklich aufgrund des Wetters eher anhielten, als geplant, dann wäre es doch ein verflucht großer Zufall, wenn nicht auch genau darin (also im Wetter) der Grund für dieses Ganze Desaster liegen würde, oder? Und dann wäre es wiederum auch wieder egal, ob es bei der Zeltflucht (gerade noch) hell, oder schon dunkel war.