thunderlizard schrieb:Zur Wettersituation (interessiert mich sehr, habe ich mich aber noch nicht tiefergehend mit beschäftigt) am Dyatlov-Pass habe ich was bei den St. Petersburgern (die haben übrigens ein tolles Archiv bzgl. Bergsteigen etc., muss ich mal mit Zeit ausgiebig drin stöbern) gefunden, weiss nicht, ob das schon mal verlinkt wurde:
https://translate.googleusercontent.com/translate_c?depth=1&hl=de&rurl=translate.google.de&sl=ru&sp=nmt4&tl=en&u=http://...
Der Inhalt ist im Wesentlichen das was wir schon wissen zur Temperatur in der Nacht des 1./2. Februar:
Verschiedene Wetterstationen mit ihrer Lage zum Unfallort und den Wetterdaten werden ausgewertet, auch die Tage vor und nach dem Vorfall. Besonders interessant dabei aber (und neu für mich) die Daten die die Schlussfolgerungen im Text zulassen, dass es einen Temperatursturz von -5 ' C nachmittags auf -28' C bei Sonnenuntergang des ersten Februar gab. Mehr als 20 Grad in wenigen Stunden, die Wetterdaten zeigen einen arktischen Zyklon.
Windgeschwindigkeit laut Text am "Unfallort" 10 ..15 m/s, möglicherweise wurden auch Spitzen von 30 m/s erreicht. Temperatur und Windgeschwindigkeit zusammen ergeben Windchilleffekt mit -45' C .. 51' C. Im Dokument wird davon ausgegangen dass man mit der vorgefundenen Bekleidung maximal
2 .. 3 h handlungsfähig war, unter Umständen aber etwas länger "gelebt" hat.
Erwähnt wird, dass kein signifikanter Schneefall stattfinden konnte aber explizit darauf hingewiesen dass die Windgeschwindigkeit ausreichend war, um den Neuschnee von den Bergspitzen/kämmen und den früher gefallenen Schnee teilweise mit Orkangeschwindigkeit ( bis 30 m/s) (...ins Tal) zu blasen.
Geschlussfolgert (mit Begründung) wird weiterhin, dass unter diesen Bedingungen selbst mit warmen Sachen und Schuhen, aber ohne Windschutz und Wärmequelle, die Überlebenszeit nur wenige Stunden betragen hätte... Soweit die Kurzfassung.
Es ist klar, im Zelt haben die Spechte keinen echten Schutz vor Kälte - und nur bedingt vor Wind - gehabt. Wasser und Proviant sind bei -28' C nur mit Feuerstelle/Kocher zuzubereiten/zu genießen. Selbst mit einer intakten Feuerstelle dann das Trinkwasser für alle aus Schnee zu schmelzen würde Stunden erfordern, ist aber
in einer sicheren, windgeschützten Unterkunft klar das kleinere Problem. Nicht nur das Essen, auch feuchte/nasse Sachen gefrieren in Minuten. Zum Trocknen müsste noch ausreichend Körperwärme durch die (mal angenommene) gewechselte trockene Kleidung auf die darüber gezogene befindliche feuchte/nasse Kleidung zum Trocknen gelangen (Methode ist gebräuchlich und wurde hier im Forum beschrieben). Habe selbst mehrere Tage bei - 10' Innentemperatur in einer Schneehöhle auf 5200 m im Tienschan zugebracht bei intensivem Schneefall, ohne Ofen oder Lagerfeuer natürlich. Wir hatten alles was wir hatten mit im Schlafsack und das war auch Anfang der 90-er Jahre Hightech-Bekleidung. Die Spechte hatten ja wohl sogar auch nur Kunstfaserpelz und Wollmantel als Expeditions-Ausrüstung dabei. Da bleibt die Feuchtigkeit erst recht dort wo sie aufgenommen wird.
Da wäre es nach Kenntnis dieses Wetterberichtes sogar auch gut möglich, dass kein Schneebrett/Schneelast, sondern eben sogar die Einsicht in die Notwendigkeit einer Suche nach einer windgeschützten Unterkunft mit der Möglichkeit, dort eine Wärmequelle mit ausreichend Nachschub zu betreiben, zum Verlassen des Zeltes führte. Man war schlicht nicht vorbereitet auf so einen Wettersturz und warum sollten sie dort im Zelt ausharren wo es schon nach kurzer Zeit lebensbedrohlich kalt war (...ohne sich zu bewegen zu können wie in den Stunden zuvor) und die ausgezogenen Stiefel vermutlich unbrauchbar weil hart geworden waren.
Die Petersburger gehen dann später auf die Lawinentheorie ein (nach Erläuterung und Bewertung der Wetterdaten).
@Tajna, ich hatte mit 200 kg/m³ Schneemasse gerechnet, die bei Auftreffen auf eine Fläche von < 1 cm² einen Knochenbruch erzeugen kann wie beschrieben mit dem Hinweis auf die Gerichtsmedizinervorlesung aus dem Kampfsportforum. Wenig überraschend gibt es mehr BWL-Vorlesungsskripte im Netz als Gerichtsmediziner, die ihr Wissen preisgeben, deshalb nur dieser Link. Aber ein Anfang.
Wenn man die vierfache Schneemasse (... also Dichte) annimmt, bricht der Knochen unter den gleichen Bedingungen bereits bei Einwirken auf (ausschliesslich) eine Fläche von < 2 cm x 2 cm, und viel schwerer kann dann eine Schneemasse auch naturgemäß nicht sein.
Für das Zelt hatte ich vereinfachend ein Flachdach genommen, Schneelast also senkrecht mit sozusagen 100 % Wirkungsgrad. Das Zelt hatte allerdings kein solches, deshalb wäre die Energie bei einem Spitzdach zwangsläufig geringer bei Annahme einer kollabierenden Schneelast als Ursache.
An eine Schneebrettberechnung wie unter b) beschrieben wollte ich mich natürlich nicht ranwagen, letztendlich muss aber die einwirkende Kraft am Knochen dann mindestens genauso groß sein wie oben beschrieben. (... wenn der preisgebende Gerichtsmediziner im Kampfsportforum nicht schon zu viele Schläge einstecken musste und die richtige Zahl genannt hat. Und ja, ganz sicher brechen Knochen bei unterschiedlichen Belastungen, die Angabe war Untergrenze der Schädelknochen. Wenn ich die Zeit hätte würde ich mich einfach mal vor die Gerichtsmedizin stellen an unserer Uniklinik und dort nachfragen). Die notwendige kinetische Energie muss aber am Ende irgendwo herkommen, da reicht 1 m Rutschen/Gleiten vom Schneebrett in Richtung Zelt definitiv nicht aus.
Unbestritten ist, dass Zeltbahnen der Zelte aus dieser Zeit aus schwerer Baumwolle hergestellt waren, die der Schneebelastung standhielten (
http://www.altenfelder.net/kai/pla/node32.html (Archiv-Version vom 16.05.2013)), Kunststoffzelte kamen später. Die Konstruktion des Zeltes selbst hätte aber diese Tonnen Maximalbelastung wohl kaum stützen können.
Zelteingang/ausgang: Die Zelteingänge wurden üblicherweise mit vielen Schlaufen die durch jeweils ein Loch und die nächste Schlaufe entweder von links/rechts und von unten nach oben oder umgekehrt, geführt wurden, geschlossen. Da hatte man selbst in trockenem Zustand im Dunkeln Probleme das Zelt zügig zu öffnen, wenn dazu noch gefrorene Schlaufen dazukamen wurde es noch schlimmer. Schlimm zu öffnen war es auch immer wenn man was getrunken hatte und nachts schnell rausmusste ...
;) .
Ob das exakt die gleiche Knüpfmethode war beim Zelt der Spechte konnte ich bis jetzt aber auf den Fotos nicht erkennen.
...Aber ich habe auch hier im Forum gelesen, dass die großen Schnitte nicht von den Spechten gemacht wurden sondern erst später beim Bergen entstanden sind ... ? In den Zeugenaussagen vom Bergungsteam habe ich dazu nix gefunden (...oder ich habe nicht alle gelesen).
Hier im Forum wurde ja zum Schluss ganz schön ausgeteilt dass ich fast dachte beim Dyatlovpassvorfall würde es bald noch mehr Opfer geben. So ein Forum ist natürlich nur bedingt eine Möglichkeit, ein Problem gemeinsam und systematisch sowie transparent für alle über einen langen Zeitraum zu analysieren.
Falls noch nötig in ein paar Wochen könnte man eine für alle einsehbare, übersichtliche und ganz einfache Datenbank schaffen. Wo nur die gesicherten Fakten (nicht die Theorien zum Ablauf ) zum Wetter, Ausrüstung, Verletzungen mit Bewertung (...die erwarteten gebündelten Expertenmeinungen), Zeittafel, Positionen, Entfernungen, Berechnungen jeweils unter einem Kapitel tabellarisch zusammengefasst sind mit der Quellenangabe und denen alle zustimmen könnten. Bzw. auch Zweifel ( bei dubiosen Quellen) dazu kenntlich machen um dann Fakten und Unwahrheiten zu trennen.
Auf das kann man sich dann hier im Forum beziehen. Sozusagen der kleinste Nenner der aktuell 376 Seiten als Ergebnis der Schwarmintelligenz. Das spart Zeit und Nerven. Gibst es ja auch schon x-mal im Netz aber offensichtlich oft lückenhaft oder falsch.
Das Ganze wäre unter Google Docs relativ einfach machbar - aber eben nur nötig wenn die Datenlage unklar ist.