Sagen aus Eurer Heimat...
11.09.2008 um 20:19Der Hexentanz auf der Gerlosplatte
Der Schuss, der nach hinten losging
Im Jahre 1800 schrieb der Direktor des Salzburger Lehrerseminars und Reise-schriftsteller Franz Michael Vierthaler im „Salzburger Intelligenzblatt”, dass nach dem Salzburger Landespatron Rupert kein geistlicher oder sonstiger „Herr” mehr „zu der Quelle der Salzach gewandert” sei. Wenn der von seinen Anhängern als „Salzburger Pestalozzi” apostrophierte Pädagoge recht hatte, dann dürfen wir uns nicht weiter wundern, dass gerade im Oberpinzgau, den die hohen fürst-erzbischöflichen Landesherren offensichtlich gerne links liegen ließen, so viele Spuren des alten vorchristlichen Glaubens erhalten geblieben sind.
Von einer erstaunlich großen Anzahl „Heiden” bis hinein in den engsten Ver-wandtschaftskreis hätte auch jener gottesfürchtige und diensteifrige Jäger aus Krimml erzählen können, von dessen letztem Abenteuer wir hier gleich hören. Doch hatte ihm seine unfreiwillige Zeugenschaft an der blühenden Konjunktur des ausgelassenen Kultes der Ahnen und seiner gottlosen Zusammenkünfte so zugesetzt, dass er seit jener sagenhaften Begebenheit rasch dahinsiechte und binnen einem halben Jahr verstarb.
In einer Zeit, als die Gemsen landauf landab noch Gemsen hießen, und kein Lehrer seine Schüler anleiten musste, sie als „Gämsen” aufzuschreiben, „vor Jahren” also - irgendwann nach der Erfindung des Schießpulvers und vor jener der neuen Rechtschreibung - da ging einmal ein Jäger von Krimml, dem letzten Ort im hintersten Salzachtal, in die Wildgerlos hinauf auf die Jagd nach der einen oder anderen Gams.
In seinem Jagdeifer übersah der gute Mann allerdings ordentlich die Zeit und verspätete sich für seinen Rückweg so sehr, dass er erst bei Anbruch der Dunkelheit wieder auf die „Gerlosplatte” kam, wo heute noch drei Hütten stehen (und dazu mittlerweile einige Hotels). Da dem Jägersmann die Gegend wohlvertraut war, und er schon öfter auswärts übernachtet hatte, war seine Verspätung - wie er meinte - weiter nicht schlimm. Weil er ja in der Finsternis ohnehin nicht mehr weiterkommen konnte - und wer weiß schon, wie viele erschossene G(a)emsen er zu schleppen hatte -, betrat er eine der drei genannten Almhütten, verzichtete auf Abendbrot und Abendtoilette, legte sich auf den Heustock und schlief ein.
Des müden Jägers Ruhe dauerte aber nicht sehr lange. Gar plötzlich wurde er aus dem Schlaf geschreckt; er horchte und hörte in nächster Nähe eine Klarinette spielen. Verdutzt richtete er sich auf. Und tatsächlich: die Musiktöne erklangen deutlich aus der nächstgelegenen Hütte. Nachdem an Schlaf nicht mehr zu denken war und Fernsehen noch nicht erfunden, erhob sich der Jäger und schlich zur Nachbarhütte hinüber. Er guckte erst durch das eine, dann durch das andere kleine Fenster ins Innere. Alles war finster. Als er aber durch das dritte Fensterlein spähte, hatte er das tollste Programm vor Augen. Er sah eine hellerleuchtete Stube. Und mittendrin auf der Ofensäule saß eine riesengroße, schwarze Katze, die hatte ihren langen Schweif im Maul und spielte darauf wie auf einer Klarinette.
Der tierische Musikant erfreute sich einer großen Anhängerschar. Die Stube war voller Menschen; es handelte sich um reiche Bauersleute aus der Umgebung, da-runter auch einige aus seiner nächsten Verwandtschaft. Der Späher kannte sie alle. Sie tanzten mit wilder Leidenschaft; je schneller das Spiel der schwarzen Katze wurde, desto toller sprang die Schar in der kleinen Stube umher, und der Hals des Voyeurs am Fenster wurde länger und länger, bis er plötzlich erschrocken zu sich selbst sprach: „Das ist der Hexentanz!”
Was heute massenhaft in mehr oder weniger lustigen Kinderbüchern Platz hat, war damals einem gestanden Jäger zwischen dem Pinzgau und dem Zillertal einfach zuviel. Statt an der Lustbarkeit teilzunehmen, schlich der brav katholische Mann lieber wieder in seine leere Hütte zurück, um sich dort auf das Heulager zu betten. Aber der bis tief in seine Seele verstörte Weidmann konnte nicht mehr so recht einschlafen. Aufgewühlt vom erblickten Treiben wälzte er sich hin und her und vermeinte dabei immer deutlicher den Drang des eifrigen Ordnungshüters zu spüren. Die Gerlos darf kein Rummelplatz werden! Und prompt sprach schließlich eine innere Stimme mahnend zu ihm und forderte ihn zum nötigen Einschreiten auf: „Jäger, gehe hinüber und mache dem sündhaften Tanz ein Ende!”
Als hätte er auf diesen Ruf nur gewartet, sprang er von seinem Lager hoch, packte den Kugelstutzen und machte sich neuerlich zur Nachbarhütte auf. Er trat dort aber nicht in Heldenmanier durch die Vordertür, sondern verlegte sich statt dessen auf einen Hinterhalt. Dazu schlich er wieder hinüber zu seinem Spähposten am Fenster, legte die Büchse auf das Fensterkreuz und nahm die Teufelskatze aufs Korn. Von seiner Mission tief erfüllt hielt er kurz die Luft an. Dann drückte er ab. „Peng!”
Da erhob sich in der Stube ein wilder Lärm, die Katze purzelte von der Ofensäule. Und jetzt fielen dem Jäger fast die Augen aus den Höhlen. Die „Groupies” des schwarzen Musikanten, eine Schar von kreischenden Weibern, setzten sich auf eine Ofenschaufel und schrien: „Hiazt fahr man auf und davon und ninderscht (nirgends) mehr oa (hinunter).” Darauf erhoben sie sich in die Lüfte und flogen rittlings auf den Ofenschaufeln durch das Fenster davon.
Den Moralwächter und Weidmann fasste hingegen ein Entsetzen. Ganz gebrochen wankte er in seine Hütte zurück. Bewusstlos sank er auf sein Lager nieder. Da lag er stundenlang wie hingestreckt und erwachte erst am nächsten Tag aus seiner tiefen Ohnmacht. Als er endlich nach Krimml zurückkam, erkannte anfangs sogar sein Weib nicht mehr ihren einst so kräftigen Mann, den sie für lebensfroh gehalten hatte. Langsam siechte er seit dieser Begebenheit dahin, und nach einem halben Jahr trug man den Jäger zu Grab. Das war die Rache der Hexen, weil er es gewagt hatte, ihre gottlosen Zusammenkünfte zu stören!
Der Schuss, der nach hinten losging
Im Jahre 1800 schrieb der Direktor des Salzburger Lehrerseminars und Reise-schriftsteller Franz Michael Vierthaler im „Salzburger Intelligenzblatt”, dass nach dem Salzburger Landespatron Rupert kein geistlicher oder sonstiger „Herr” mehr „zu der Quelle der Salzach gewandert” sei. Wenn der von seinen Anhängern als „Salzburger Pestalozzi” apostrophierte Pädagoge recht hatte, dann dürfen wir uns nicht weiter wundern, dass gerade im Oberpinzgau, den die hohen fürst-erzbischöflichen Landesherren offensichtlich gerne links liegen ließen, so viele Spuren des alten vorchristlichen Glaubens erhalten geblieben sind.
Von einer erstaunlich großen Anzahl „Heiden” bis hinein in den engsten Ver-wandtschaftskreis hätte auch jener gottesfürchtige und diensteifrige Jäger aus Krimml erzählen können, von dessen letztem Abenteuer wir hier gleich hören. Doch hatte ihm seine unfreiwillige Zeugenschaft an der blühenden Konjunktur des ausgelassenen Kultes der Ahnen und seiner gottlosen Zusammenkünfte so zugesetzt, dass er seit jener sagenhaften Begebenheit rasch dahinsiechte und binnen einem halben Jahr verstarb.
In einer Zeit, als die Gemsen landauf landab noch Gemsen hießen, und kein Lehrer seine Schüler anleiten musste, sie als „Gämsen” aufzuschreiben, „vor Jahren” also - irgendwann nach der Erfindung des Schießpulvers und vor jener der neuen Rechtschreibung - da ging einmal ein Jäger von Krimml, dem letzten Ort im hintersten Salzachtal, in die Wildgerlos hinauf auf die Jagd nach der einen oder anderen Gams.
In seinem Jagdeifer übersah der gute Mann allerdings ordentlich die Zeit und verspätete sich für seinen Rückweg so sehr, dass er erst bei Anbruch der Dunkelheit wieder auf die „Gerlosplatte” kam, wo heute noch drei Hütten stehen (und dazu mittlerweile einige Hotels). Da dem Jägersmann die Gegend wohlvertraut war, und er schon öfter auswärts übernachtet hatte, war seine Verspätung - wie er meinte - weiter nicht schlimm. Weil er ja in der Finsternis ohnehin nicht mehr weiterkommen konnte - und wer weiß schon, wie viele erschossene G(a)emsen er zu schleppen hatte -, betrat er eine der drei genannten Almhütten, verzichtete auf Abendbrot und Abendtoilette, legte sich auf den Heustock und schlief ein.
Des müden Jägers Ruhe dauerte aber nicht sehr lange. Gar plötzlich wurde er aus dem Schlaf geschreckt; er horchte und hörte in nächster Nähe eine Klarinette spielen. Verdutzt richtete er sich auf. Und tatsächlich: die Musiktöne erklangen deutlich aus der nächstgelegenen Hütte. Nachdem an Schlaf nicht mehr zu denken war und Fernsehen noch nicht erfunden, erhob sich der Jäger und schlich zur Nachbarhütte hinüber. Er guckte erst durch das eine, dann durch das andere kleine Fenster ins Innere. Alles war finster. Als er aber durch das dritte Fensterlein spähte, hatte er das tollste Programm vor Augen. Er sah eine hellerleuchtete Stube. Und mittendrin auf der Ofensäule saß eine riesengroße, schwarze Katze, die hatte ihren langen Schweif im Maul und spielte darauf wie auf einer Klarinette.
Der tierische Musikant erfreute sich einer großen Anhängerschar. Die Stube war voller Menschen; es handelte sich um reiche Bauersleute aus der Umgebung, da-runter auch einige aus seiner nächsten Verwandtschaft. Der Späher kannte sie alle. Sie tanzten mit wilder Leidenschaft; je schneller das Spiel der schwarzen Katze wurde, desto toller sprang die Schar in der kleinen Stube umher, und der Hals des Voyeurs am Fenster wurde länger und länger, bis er plötzlich erschrocken zu sich selbst sprach: „Das ist der Hexentanz!”
Was heute massenhaft in mehr oder weniger lustigen Kinderbüchern Platz hat, war damals einem gestanden Jäger zwischen dem Pinzgau und dem Zillertal einfach zuviel. Statt an der Lustbarkeit teilzunehmen, schlich der brav katholische Mann lieber wieder in seine leere Hütte zurück, um sich dort auf das Heulager zu betten. Aber der bis tief in seine Seele verstörte Weidmann konnte nicht mehr so recht einschlafen. Aufgewühlt vom erblickten Treiben wälzte er sich hin und her und vermeinte dabei immer deutlicher den Drang des eifrigen Ordnungshüters zu spüren. Die Gerlos darf kein Rummelplatz werden! Und prompt sprach schließlich eine innere Stimme mahnend zu ihm und forderte ihn zum nötigen Einschreiten auf: „Jäger, gehe hinüber und mache dem sündhaften Tanz ein Ende!”
Als hätte er auf diesen Ruf nur gewartet, sprang er von seinem Lager hoch, packte den Kugelstutzen und machte sich neuerlich zur Nachbarhütte auf. Er trat dort aber nicht in Heldenmanier durch die Vordertür, sondern verlegte sich statt dessen auf einen Hinterhalt. Dazu schlich er wieder hinüber zu seinem Spähposten am Fenster, legte die Büchse auf das Fensterkreuz und nahm die Teufelskatze aufs Korn. Von seiner Mission tief erfüllt hielt er kurz die Luft an. Dann drückte er ab. „Peng!”
Da erhob sich in der Stube ein wilder Lärm, die Katze purzelte von der Ofensäule. Und jetzt fielen dem Jäger fast die Augen aus den Höhlen. Die „Groupies” des schwarzen Musikanten, eine Schar von kreischenden Weibern, setzten sich auf eine Ofenschaufel und schrien: „Hiazt fahr man auf und davon und ninderscht (nirgends) mehr oa (hinunter).” Darauf erhoben sie sich in die Lüfte und flogen rittlings auf den Ofenschaufeln durch das Fenster davon.
Den Moralwächter und Weidmann fasste hingegen ein Entsetzen. Ganz gebrochen wankte er in seine Hütte zurück. Bewusstlos sank er auf sein Lager nieder. Da lag er stundenlang wie hingestreckt und erwachte erst am nächsten Tag aus seiner tiefen Ohnmacht. Als er endlich nach Krimml zurückkam, erkannte anfangs sogar sein Weib nicht mehr ihren einst so kräftigen Mann, den sie für lebensfroh gehalten hatte. Langsam siechte er seit dieser Begebenheit dahin, und nach einem halben Jahr trug man den Jäger zu Grab. Das war die Rache der Hexen, weil er es gewagt hatte, ihre gottlosen Zusammenkünfte zu stören!