DerKlassiker schrieb:Da wir uns inhaltlich doch zunehmend verhaken, macht es m. E. wenig Sinn, da immer weiter vorwärts zu treiben, am Ende schaffen wir nur eine neuerliche Jahrtausenderinnerung im Rechthaben :) . Offensichtlich bestehen grundlegend unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen bzgl. der Wissenschaft.
Daß wir bei solcherart Wissenschaftsbashing, wie Du es betreibst, "
grundlegend unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen bzgl. der Wissenschaft" haben, versteht sich von selbst. Was das Rechthaben betrifft, so bin ich immer wieder überrascht, wie just solche Leute, die verdammt gut darin sind, unliebsame kritische Einwände zu übergehen statt sich sachlich damit auseinanderzusetzen, denen es also gar nicht um eine ergebnisoffene Pro-Contra-Diskussion geht, daß diese Leute dann schnell ein "Rechthaben" als Diskussionsmotiv in die Runde werfen. Beeindruckenderweise, das muß und will ich anerkennen, hast Du Dich dabei nicht ausgeklammert, es also nicht einfach nur mir vorgeworfen.
DerKlassiker schrieb:Es war bestimmt nicht meine Absicht, hier zu diffamieren. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass es nicht sinnvoll ist, über lokale Mythen einfach hinwegzugehen, möglicherweise findet man etwas, was man nicht gedacht hätte. Du hast das selber beschrieben mit dem Wikingergrab in Schleswig-Holstein. Die Leute in der entsprechenden Region wussten immerhin, dass dort etwas war.
Dein "
von vornherein als Hirngespinst abtun" ist eindeutig bewußt abschätzig formuliert und unterstellend. Das war kein Versehen, kein "mißverständlich ausgedrückt". Vor allem war es genau das, was Du selbst vorwirfst. Etwas negativ zu bewerten (Hirngespinst), und zwar nicht aus Sachgründen, sondern aus ner Einstellung heraus (von vornherein), um ihm so die sachliche Relevanz abzusprechen (abtun) - genau das ist Diffamieren.
Mein Freund, von dem ich das mit der Bootsbestattung habe, wies mich radiojerewanesk darauf hin, daß dies nicht in seiner Heimat passierte, sondern in Niedersachsen, in Ostrfriesland, und daß es nicht wikingerzeitlich war, sondern vorchristlich (bronzezeitlich) Richtig ist, daß die Erinnerung "Dor hett mol een groot Für brannt" authentisch klingt. Doch was die ursprüngliche Sage mal berichtet hat, ist dem nicht zu entnehmen. Die Halbwertszeit für Sagen hat die Sage auf eine einzige authentische Erinnerung runtergekürzt. Wäre diese Sage nicht einfach nur zusammengeschrumpft, sondern wie zumeist mit anderen Versatzstücken aufgefüllt und so im Laufe der Zeit nahezu komplett umerzählt, wir wüßten nicht, welches eine Element an dieser Sage noch das Authentische wäre und was sekundäre Ausschmückung.
Nicht daß es kein methodisches Handwerkszeug gäbe, aus einer Überlieferung älteres Material, einen früheren Überlieferungsstand, herauszuarbeiten. Das gibt es wohl, und damit die Überlieferungsgeschichte einer Erzählung zu beschreiben, das gehörte zu meinem Studium. Doch geht dies eben nur, wenn die Überlieferung aus mehr als nur einem Element besteht. Und der rekonstruierbare frühere Überlieferungsstand ist dann auch nur eine, vielleicht zwei Etappen der Überlieferung früher. Je tiefer man so in die Überlieferung eintaucht, desto unsicherer, spekulativer wird es.
Aber gar 10.000 Jahre, wenn nicht weit tiefer in solch eine Erzählung einzutauchen und zu hoffen, da noch authentische Reste von entdecken zu können, das ist jenseits des Machbaren. Dazu bräuchte es schon eines anderen Kontextes wie etwa eine weltweite Verbreitung der Überlieferung, und selbst da stoßen wir auf reichlich Spekulation und Unwägbarkeiten. Und selbst wenn es da möglich wäre, eine allen weltweiten Bersionen voraufgehende Überlieferung zu rekonstruieren, ist von dieser weder klar, ob sie Historisches enthält, oder ob diese die ursprüngliche Überlieferung darstellt und nicht selbst noch eine Überlieferungsgeschichte besitzt.
DerKlassiker schrieb:Das ist ja toll, ich plädiere für mehr Offenheit in der Frage und du unterstellst mir Schwarz-Weiß-Denken, widerspricht sich das nicht irgendwie? Das mit den 100% ist auch "nur"^^ ein Mythos, darum geht es mir überhaupt nicht. Gleichzeitig hälst du wohl deine Herangehensweise, alles grundsätzlich auszuschließen, was nicht in dein Muster passt, für Grautöne?
Ja was erwartest Du denn! Soll ich vielleicht auch offen sein dafür, daß Menschen lebende (Nicht-Vogel-)Dinos erlebt haben? Da nichts sicher ist, ist ja alles möglich! Wo ziehst Du denn die Grenzen des Möglichen, wenn Du nicht nur "entweder 100 pro sicher oder alles möglich" siehst, also nicht nur schwarz-weiß!
Daß der Homo sapiens und der Homo floresiensis Zeitgenossen waren, das ist so sicher wie nur irgendwas. Auch da sehe ich überhaupt keine Möglichkeit für ein "Offensein", daß es sich anders verhalten könnte. Genauso sicher, wie ich es ausschließe, daß Menschen und Dinos (ohne Vögel) Zeitgenossen waren. Da schei* ich auf "mehr Offenheit",nur weils keine 100% Gewißheit gibt. HS und HF waren Zeitgenossen, da beißt die Maus keinen Faden ab. - Stellen sich nur die Fragen, a) ob sie auch Raumgenossen waren, und b) ob eine Erinnerung daran bis heute erhalten geblieben sein kann. Für a) kann aufgrund der Faktenlage nur sagen kann, daß es derzeit überhaupt nicht danach aussieht, nicht einmal ansatzweise, da zwischen den bisherigen Fossilfakten 50.000 Jahre liegen, zwischen den Artefaktindizien immerhin noch 40.000. Und für b) stelle ich fest, daß verschiedene Formen des kulturellen Gedächtnisses unterschiedliche Halbwertszeiten für den Erhalt ihrer Inhalte besitzen, abhängig vom Gegenwartswert der jeweiligen Überlieferung, daß aber selbst die Gedächtnisarten mit dem größten Gegenwartswert, die langlebigsten also, über das magischeAlter von 10.000 Jahren kaum noch Sicheres anbieten können. Umso weniger solche Formen des kulturellen Gedächtnisses, deren Gegenwartswert deutlich geringer ausfällt.
Gerade meine Ausführungen zu b) sind weitaus gesicherter als die zu a). Da immerhin erwarte ich durchaus noch Veränderungen, und es würde mich nicht wundern, daß wenn das Aussterben des Floresiensis in die Zeit der Ankunft des und der Begegnung mit Homo sapiens zusammenfiele, wie es auch beim europäischen Neandertalensis und dem ostasiatischen Erectus der Fall war, womöglich auch beim zentralasiatischen Denisovaner. Ebenso, was die Megafauna Amerikas, Australiens und Madagaskars betraf, als der Sapiens dort erschien. Nein, es würde mich nicht wundern. Aber zur Zeit sieht es überhaupt nicht danach aus, und jegliche Spekulation darüber ist ohne Belang.
Aber was b) betrifft, da gibt es nun mal genügend proof! Da ist der Faktenbefund nicht zu dürftig, um gesicherte Aussagen über ein maximales Alter gesicherter mündlicher Erinnerung auszumachen. Gerade die neuen Forschungsrichtungen, die ich erwähnt habe, also die Untersuchung von sog. Geomythen etc., gerade die scheitern bisher gehörig daran, ihre Arbeitshypothese, Erinnerungen bis an den Rand des Paläolithikums zurückzuverfolgen, auf eine gesicherte Grundlage zu heben. Bisher können sie das hohe Alter der Überlieferungen nur behaupten, aber nicht aufzeigen. Und das wundert mich nicht ein Bißchen angesichts der bisherigen Forschung zum Alter der verschiedensten Überlieferungsformen, zur Halbwertszeit des Erinnerten.
Du kennst Dich, vermute ich mal ganz stark, nicht wirklich aus mit wissenschaftlicher Überlieferungskritik. Kann ja nicht jeder alles kennen und können. Und wenn man über ein Themenfeld wenig bescheid weiß, hält man verständlicherweise viel mehr - oder auch viel weniger - für möglich, als dann real möglich ist. Wie ein hiesiger User in seinem Avatar zu stehen hat: "wer nichts weiß, muß alles glauben". Muß er vielleicht nicht, aber er sollte sich vielleicht mit Behauptungen zurückhalten, was nun real möglich ist und was nicht. Wenn Du darüber dann aber diskutieren willst, dann mach Dich am besten schlau. Was Du für möglich hältst und was nicht, ist ohne Einarbeiten in die Materie schlicht nichts wert, solange Du also mit Deinem persönlichen Unwissen argumentierst. Ich für meinen Teil argumentiere hier ebenfalls nicht mit einem "ich hab das studiert, ich weiß alles, Du mußt mir schon glauben", sondern versuche, meine Darlegungen auch zu unterfüttern (siehe die Reichweite der Sprachforschung oder die ostfriesische Erinnerung der Bootsbestattung). Und ich streue auch Hinweise ein, in welche Richtung man recherchieren kan, wenn man sich da etwas einarbeiten will (Geomythen etc).
Aber ein "weil nix sicher ist, ist alles möglich", das ist nun mal ein Denken nur in Extrema, also in "entweder schwarz oder weiß". Wenn Du für "mehr Offenheit" plädierst, wo ich aber eben Grenzen
kenne, sie also nicht einfach nur vermute oder veranschlage, dann werde ich Dir da weiterhin widersprechen. Und nein, ich halte Dein Verhalten nicht für Grautöne, diese von mir angesprochenen Grenzen "
grundsätzlich auszuschließen, was nicht in dein Muster passt". Dein Verhalten, nicht meines.
DerKlassiker schrieb:denn keiner von ihnen behauptet im Gegensatz zu gewissen Usern hier, dass Homo floresiensis schon vor 50.000 Jahren ausgestorben sei.
Na die User zitier mal. Aber richtig, bitte!
DerKlassiker schrieb: "Offen" bedeutet, dass er jederzeit in den letzten 50.000 Jahren verschwunden sein kann oder sogar noch existiert, irgendwo im Wald, wo ihn keiner findet ;)
Nein, das bedeutet der Satz bei Wikipedia "
Wann Homo floresiensis ausgestorben ist, wurde in der im Fachblatt Nature publizierten Revision der Datierung ausdrücklich als „offene Frage“ benannt" keinesfalls! Das "daß" des Aussterbens steht fest, nur das "wann" ist noch offen.
Ist ja auch völlig normal. Eine Spezies, deren historische Existenz gesichert ist, deren gegenwärtige Existenz aber durch keine dokumentierte Sichtung belegt werden kann, eine solche Spezies gilt als ausgestorben. Und je länger der letzte gesicherte Beleg der Existenz zurückliegt, umso sicherer ist dieses "ausgestorben". Sollte sich mal was anderes herausstellen, dann können wir dann noch den Status ändern. Bis dahin aber gilt: ausgestorben.