Der heilsame Verzicht auf Gläubigkeiten
08.12.2004 um 22:37Die Faszination des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ist zu einer Normalität unseres Lebens geworden. Obwohl kaum jemand in der Lage ist, sämtliche Ergebnisse der modernen hoch spezialisierten Forschung nachzuvollziehen, gibt es eine kollektive Identifikation mit allen Errungenschaften.
Sobald aber das biblische Menschenbild in Frage gestellt wird, erhebt sich Widerspruch - nicht nur von Seiten der religiös Gläubigen.
Die Rationalität unserer Zeit steht in einem merkwürdigen Kontrast zu den Bindungen kultureller Traditionen an Heilslehren, die im geistigen Freiraum ihre bunte Palette von Wahrheiten anbieten. In einer Welt voller Hightech erklingen Lobpreisungen der Einfalt. Auf dem Mond wurde die Schöpfungsgeschichte zitiert - spektakulärer lässt sich der zwiespältige biologische Entwicklungsstand des blauen Planeten nicht demonstrieren.
Religiöser Glaube ist für viele Menschen von gewiss positiver Bedeutung. Man verdrängt, dass aller Glaube planmäßig anerzogen wird. Für die beruflich Zuständigen gehört Verdrängung zum Metier - sie wollen nicht wahrhaben:
Gläubigkeit ist keine Tugend.
Sittlichkeit bedarf keiner transzendenten Verheißungen.
Religionen bereiten das geistige Klima für weitere ideologische Manipulationen.
Jenseits und Seelenheil - Kirchen und Sekten verkündigen mit Inbrunst und kümmern sich um latente Ängste; man darf die Dinge beim Namen nennen: wie Priesterschaften der Antike genießen sie hausgemachte Kompetenz.
Nach geologischem Zeitmaß begann Kultur vor Sekunden.
Schon immer wendet sich missionarischer Glaubenseifer gegen Andersgläubige. Der Glaube - im Grunde unglaublich; austauschbar nach Belieben.
Die Diskrepanz zwischen Glauben und Wissen hat vielfältige Auswirkungen; es entstehen auch neue Gläubigkeiten.
Der Mensch fragt nach dem Woher und Wohin, nach einem Sinn - Fragestellungen, die als solche reichlich glorifiziert werden, deren Sinnlosigkeit aber schon lange bekannt ist.
'Ich weiß, dass ich nichts weiß.' Heute wissen wir: Wie jedes Organ so ist auch das Gehirn im Rahmen zweckgebundener Evolution entstanden. Erkenntnisfähigkeit hat vorgegebene Grenzen.
Aber: die Welt bleibt uns nicht verschlossen - weil sich das Gehirn als ein Teil der Welt gebildet hat. Wissenschaft setzt Maßstäbe. Sie findet Gesetzmäßigkeiten, die unergründlich schienen: Energie und Materie, Korpuskel und Welle, Theorien von Zeit und Raum - rein mathematische Beschreibungen werden experimentell geprüft. Das bedeutet Verstehen; Vorstellbarkeit ist kein Kriterium.
Der Schöpfungsgedanke enthält letztlich keine Antwort auf die Frage nach einem Anfang der Zeit - er entstammt der naiven Übertragung des Kausalprinzips unserer Lebenswelt auf den Kosmos. Es gibt kosmologische Modelle, die keinen Zeitbeginn erfordern.
Der Ungläubige glaubt nicht, dass die Kirche etwas weiß.
Entstehung und Institutionalisierung religiöser Anmaßungen sind leicht erklärbar. Die wechselseitigen Unvereinbarkeiten von kirchlicher Lehre und Naturwissenschaft lassen sich nicht überbrücken.
Naturwissenschaft erlaubt sich kein Credo.
Zum Vergleich: die Demut der Ebenbilder.
Der Zeitbegriff der neuen Physik und die begründete Skepsis gegenüber unserer Wahrnehmung von Realität erschließen ein weites Feld für individuelle Kontemplation.
Auch Menschen mit religiöser Grundeinstellung sollten sich von ihrem eigenen Denken leiten lassen - als einer verpflichtenden göttlichen Gabe.
Erziehung zum Glauben wirkt nachhaltig. Die fortschreitende Technisierung erzeugt zusätzlich eine reaktionäre Neigung zur Esoterik; wissenschaftlich verbrämte Gläubigkeiten dominieren die Vernunft.
Fast jeder glaubt, der Mensch verfüge über okkulte Eigenschaften jenseits der Naturgesetze. Da die Forschung noch weit vom Verständnis des Gehirns entfernt ist, folgert man nur zu bereitwillig: naturwissenschaftlich nicht Erklärbares ist nicht natürlich. Umkehrung der Wissenschaft, akademische Todsünde - nützlich bei der Anerkennung von Wundern.
Einst betrachtete man die Natur als unbegreifliche Werke der Götter und Dämonen. Das Weltbild hat sich gründlich verändert - unser Selbstverständnis ist quasi-religiös geblieben.
Seit den ersten Kulturen besteht die vage Vorstellung einer Seele. Die meisten Menschen sind davon überzeugt, neben dem wundersamen Gehirn noch irgendetwas Gespenstisches in ihrem Innern zu besitzen. Der kultische Dualismus, der Glaube an eine der Natur übergeordnete, nur dem Menschen vorbehaltene Spiritualität.
Manch imposantes philosophisches Gedankengebäude, entstanden unter dem Einfluss von Religion: Variationen falscher Ansätze. Die fatalen Konsequenzen: Gläubigkeiten sanktionieren Pseudowissen - reversibel.
Endlich meldet sich die Naturwissenschaft zu Wort. Geist und Seele werden zu Objekten interdisziplinärer Forschung. Nicht ungestört; ein Chor sich gegenseitig Bestätigender beklagt solches Sakrileg - nostalgische Schwanengesänge.
Die Hirnforschung löst eine Renaissance aus: Philosophie besinnt sich auf ihre klassische Bestimmung.
Neuorientierung hat begonnen - eine Zäsur, viel tiefer als die sogenannten Kränkungen, die mit den Namen Kopernikus und Darwin verbunden sind:
Nicht nur das Erkennen unserer Identität, unsere Gedanken, der sich selbst bestaunende Geist - auch psychische Erscheinungen sind den Naturgesetzen unterworfene Gegebenheiten und Abläufe in einer Galaxis aus Neuronen. Unser Wesen ist mechanistisch bedingt - Physik und Chemie des Körpers.
Erstaunlich an dieser Einsicht ist der späte Zeitpunkt.
Evidenz dringt in die Allgemeinbildung.
Wieder empört sich gekränktes Selbstwertgefühl.
Eine weitere, noch größere Herausforderung ist unausweichlich: die Hinterfragung von 'Willensfreiheit'.
Diesem Wort kommt eine Schlüsselrolle zu.
In Bezug auf das Verhalten gibt es für 'Freiheit' keine Definition - es sei denn, das zu Definierende wird als Prämisse verwendet; nach der Logik nicht zulässig.
'Willensfreiheit' ist unwissenschaftlich.
Es liegt auf der Hand, dass es sich um eine Täuschung handelt - eine mit dem Bewusstsein auftretende Empfindung. Nichts spricht dagegen, Entscheidungen als Output komplexer Determinationen zu betrachten. Auch unser Unvermögen, diese Tatsache einfach hinzunehmen, ist Endglied einer Kette von Bedingtheiten.
Ein Vergleich der Begriffe Bewusstsein und Willensfreiheit zeigt unsere Verstrickung in einem Konglomerat von Gläubigkeiten: Bewusstsein wird mystifiziert, obwohl es sich definieren und nachweisen lässt; wie selbstverständlich berufen wir uns auf das Phantom 'Willensfreiheit'.
Dies alles macht den Laien nicht einmal nachdenklich;
er vertauscht die Beweispflicht - basta.
Geistige Eliten verlassen nur zögerlich den Elfenbeinturm.
Das Thema Willensfreiheit steht unter dem Vorzeichen einer emotionalen Verweigerung. Jedes Abstraktionsvermögen ist total überfordert und eher hinderlich; Rückkopplungen erzeugen Unbehagen.
An Willensfreiheit scheiden sich die Geister.
Auch Wissenschaftler, die für sich in Anspruch nehmen, keiner Gläubigkeit zu unterliegen, erörtern 'Willensfreiheit', als ginge es um ein wissenschaftlich, also objektiv beobachtetes Phänomen.
Wie ist das möglich?
'...weil nicht sein kann, was nicht sein darf.'
Man erklärt Willensfreiheit für axiomatisch, jeden Zweifel für geradezu ungehörig - oder argumentiert: Ein fiktiver freier Wille ist gekennzeichnet durch Unberechenbarkeit; vieles in der Natur ist nicht berechenbar - ergo kann Willensfreiheit als ein Produkt physiologischer Vorgänge existent sein. Unschärferelation, Chaostheorie, Quantenmechanik - das Zauberwort lautet: Indetermination; allen Ernstes versucht man, daraus 'Freiheit' herzuleiten.
Oder man greift doch lieber auf die Religion zurück; schlaue Kirchenmänner haben ja die Seele mit einem Willen ausgestattet. Also Fremdbestimmung? Nein, die Seele gehört zum Menschen. Ist der Mensch für seine Seele verantwortlich? Ein unauflösbares Dilemma.
'Willensfreiheit' ist Nonsens - nicht frei von Komik:
Ein Organ plädiert für seine Übernatürlichkeit.
Wer der Sache auf den Grund gehen will, muss sich zunächst klar machen: Wir sagen 'unser' Gehirn - das 'Ich' ist aber Funktion des Gehirns. Diese Binsenwahrheit scheint unzumutbar; ein Hauch von Narzissmus beflügelt die Suche nach Antworten auf falsch gestellte Fragen.
Vielschichtig wie das Ich ist auch der Wille.
Wir tun was wir wollen - bestimmen aber nicht, was wir wollen;
genauer: wir wollen das, was wir tun.
Es gibt messbare Zeitspannen zwischen Entscheidungen und deren Bewusstwerdung. Wenn wir glauben, etwas zu entscheiden, dann hat die bereits erfolgte Entscheidung unser Bewusstsein erreicht.
(So interessant diese Messungen sind - für eine Falsifikation von 'Freiheit' werden sie nicht benötigt; auch wenn nachgewiesen würde, dass alle Entscheidungen bewusst entstehen, wäre dies kein Nachweis von 'Freiheit'.)
Der ständige Eindruck, zwischen Verhaltensweisen zu wählen, macht Willensfreiheit einzigartig: eine vorprogrammierte Gläubigkeit - ein übermächtiger Glaube. Nicht wenige halten ihn für absolut notwendig.
Tatsächlich ist es schier unmöglich, sich jederzeit der Zusammenhänge bewusst zu sein. Das ist auch nicht nötig. Berechtigte Frage: wozu dann diese provokanten Überlegungen - wir sehen die Sonne aufgehen, über den Himmel wandern und untergehen; die Erdrotation ist von überwiegend wissenschaftlichem Interesse - warum können wir nicht auch mit der Illusion eines freien Willens leben?
Antwort geben Historie und Gegenwart.
Aus vermeintlicher Willensfreiheit wird folgerichtig 'Schuld'.
Hier liegt die Wurzel des Übels.
Die Schuld - probates Instrument religiöser Indoktrination.
Auch der strafrechtliche Begriff Schuld im Sinne von Schuldfähigkeit beruht auf purer Gläubigkeit; er hält einer kritischen Überprüfung nicht länger stand.
Veranlagungen zum Sozialverhalten sind differenziert; aber niemand wurde als Verbrecher, als Terrorist, Massenmörder, Selbstmörder geboren. (und wenn es so wäre?)
Man betreibt Ursachenforschung; doch auch die Experten haben das Wort Schuld in ihrem Vokabular - ohne zu wissen, wovon sie sprechen.
Mit 'Schuld' kaschieren wir eine Schande: den Tätern wird etwas angetan. Der Staat verhält sich wie alle Täter; er stellt Nutzen vor Moral. Anachronismus mit Relikten finaler Scheußlichkeit.
Die verstaubte Monstranz Schuld, ein Tabu; professorales Pathos im Beharren statt Professionalität.
Eine schizophrene Situation - nicht die einzige.
Noch immer gibt es die Verklärung von Idolen und Ideen -
Keimzelle für Fanatismus und Gewalt.
Religionen haben modellhaften Charakter für alle Ideologien.
Die Strategie der Macht: Man erklärt sich zum Hüter des Guten und errichtet eine Glaubensgemeinschaft; in deren Dienst werden angeborene Hemmungen schlichtweg abgeschaltet.
Die ganze Tragik der sorgsam kultivierten Gläubigkeit 'Schuld' manifestiert sich in den Kriegen. Gegenseitige Schuldzuweisungen markieren die Leidenswege der Menschheit. Trotz schlimmster Erfahrungen - noch immer werden tödliche Rituale von Schuld und Vergeltung zelebriert.
Auch demokratische Staaten pflegen spezifische Gläubigkeiten.
So kann auch hier der Zweck die Mittel heiligen - buchstäblich.
Nationalstolz - ein Glaube mit bluttriefender Symbolik;
Gräuel im Namen der Ehre,
feierliche Berufung auf den Friedfertigen - unsäglich.
'Soldaten sind Bürger in Uniform'? Bürger müssen ihre Taten verantworten - Uniformen legalisieren das Töten. Schuld wird delegiert. Die gegnerischen Bürger in Uniform sind natürlich alle schuldig, dürfen getötet werden - man unterscheidet sie treffsicher von den unschuldigen Zivilisten. Es gibt Unvermeidbares - man bedauert.
Was nur befähigt brave Familienväter, Familien zu verbrennen? Gläubigkeit - der Glaube an eine Mission. Gerechte bombardieren gegen das Böse. Kreuzzug-Syndrom.
Die Gemetzel des 20. Jahrhunderts - in ihrer Ungeheuerlichkeit liegt der Zugang zum Verständnis: Würde man Willensfreiheit unterstellen - die Menschheit müsste ihre Selbstachtung aufgeben und jede Hoffnung begraben.
Dieses Verständnis ist Trost und Chance.
Das zigmillionenfache sinnlose Sterben mahnt zur Besinnung und zu einer lückenlosen Bilanzierung.
Wir haben uns in einer Zivilisation der Schlachtfelder und Gefängnisse etabliert und erteilen ihr Weihen.
Gläubigkeiten verschleiern den Stand der Wissenschaft - Fundamentalismus hat viele Gesichter. Es geht darum, mentale Ressourcen auszuschöpfen, die Hintergründe des Welttheaters zu durchschauen. Programmänderung ist überfällig.
Der Glaube an Freiheit des Willens - ein Element archaischer Verhaltensmuster, die uns so erschreckend leicht beeinflussbar machen. Wir blieben ihnen schicksalhaft ausgeliefert, wenn das Hirn nicht die Fähigkeit der Selbstreflexion entwickelt hätte.
Der Einblick des Gehirns in die eigenen Funktionen öffnet neue Wege. Der Begriff Willensfreiheit eignet sich gut als Ausgangspunkt für ein neues Selbstverständnis.
Die Kirche braucht 'Willensfreiheit'.
Wir brauchen Objektivität und Logik.
Schon im 18. Jahrhundert bezeichnete G. C. Lichtenberg eine Freiheit des Willens als Illusion.
Er war seiner Zeit zu weit voraus; Logik bekommt Resonanz nur aus einem entsprechenden Umfeld.
Später schrieb Arthur Schopenhauer:
"Eine Tatsache des Bewusstseins ist das völlig deutliche und sichere Gefühl der Verantwortlichkeit für das, was wir tun, der Zurechnungsfähigkeit für unsere Handlungen, beruhend auf der unerschütterlichen Gewissheit, dass wir selbst die Täter unserer Taten sind."
Er analysiert und kommt zu dem Schluss:
"Alles was geschieht, vom Größten bis zum Kleinsten, geschieht notwendig. ... Sind einem gegebenen Menschen, unter gegebenen Umständen, zwei Handlungen möglich, oder nur eine? - Antwort aller Tiefdenkenden: Nur Eine."
Er ahnte bereits: das 'völlig deutliche und sichere Gefühl' ist genauso determiniert wie die Taten.
Erst nach Schopenhauer sind die neuen Bereiche der Naturwissenschaft entstanden - mit exponentiellem Zuwachs. Die Ordnung der Welt liegt jetzt wie ein offenes Buch vor uns - im Originaltext. Der Mensch ist Teil dieser Ordnung.
'Willensfreiheit' gehört auf den Spielplatz Theologie.
Ideologische Konstrukte haben gezeigt was sie vermögen.
Garant kultureller Höherentwicklung ist die exakte Wissenschaft;
Voraussetzung: kompromisslose Integration des Geistigen.
Oder weiterhin Geisterglaube neben Neurologie und Genetik?
Wir sind hinreichend ausgestattet - wir können die essenzielle Trennung vom Primitiven vollziehen, die verhängnisvolle Fehlinterpretation 'Willensfreiheit' korrigieren.
Es gibt aber keinen leichten Weg; Kontrolle der Subjektivität ist eine gewaltige Einübung disziplinierten Denkens.
Eine Gesellschaft ohne den Freiheitsbegriff - eine Utopie?
Diese Frage stellt sich nicht wirklich. Die menschliche Intelligenz als Gemeinschaftsleistung kann gar nicht vor einer Illusion kapitulieren - nicht für immer.
Wir dürfen uns einiges zutrauen.
Immanuel Kant: '...das moralische Gesetz in mir'.
Jeder würde es als verwerflich empfinden, an einer Werteordnung festzuhalten, deren Grundlage sich als falsch erweist.
Das falsche religiöse Menschenbild steht sich selbst im Wege, behindert die Entfaltung einer feineren Sensibilität.
'Liebet eure Feinde' - die überragende Weisheit - blockiert durch einen dogmatisierten Irrtum: Schuld - von jeher und überall die Legitimation infantiler Grobheit.
Nichts ist dringlicher, als Mut zur Wahrheit.
'Das Undenkbare denken'.
Als Alternative bliebe nur Scham.
Die volle Aktivierung des intellektuellen Potenzials - das Ende bequemer Simplifizierungen. Gläubige und Traditionalisten verteidigen vehement ihre Besitzstände. Bei derart gemixten Debatten wird Toleranz zur Falle: Es entsteht der Eindruck, Glaubensinhalte seien verfügbare Ergänzungen der Wissenschaft, eine Berücksichtigung von Befindlichkeiten sei diskutabel.
Kein Glaube hat argumentative Bedeutung. Weder die Beliebtheit von Phantastereien noch die Gewöhnung an ein Trugbild begründen deren Notwendigkeit. Der persönliche Respekt vor Gläubigen rechtfertigt keinen Artenschutz für Gläubigkeiten.
Wer tradierte Voreingenommenheiten und die Eitelkeit des Ego ablegt, der sieht sich und seine Mitmenschen als biologische Systeme, eingebunden in einem gigantischen Netz innerer und äußerer Wirkungen; Primaten mit extremen Gehirnen - höchst leistungsfähig, aber in beinahe somnambuler Befangenheit.
Die wissenschaftliche Sichtweise ist auch ethisch überlegen.
Nicht ein entrücktes Streben nach Metaphysischem, sondern nüchternes Denken führt zur Güte des Verstehens, zur jener extrovertierten warmherzigen Humanität, die keinen Hass kennt - unverzichtbarer Bestandteil eines Pragmatismus, der Probleme des Zusammenlebens an ihren Ursprüngen löst.
Abkehr vom Hochmut der Lehren, Hinwendung zur bewährten Methodik; es gibt Vorboten für einen globalen Konsens. Erkenntnisse lassen sich nicht unterdrücken: 'Körper, Geist und Seele' bezeichnet eine Einheit, eine von vielen Formen der allumfassenden Natur; uralte Thesen, die den Menschen aus der Natur herausloben, verstummen allmählich - Grund zum Optimismus. Die gern bejammerte Entzauberung unseres Daseins ist ein evolutionärer erster Schritt in eine vielversprechende Epoche.
Überwindung der Illusion Willensfreiheit - der Durchbruch zum wahren Homo sapiens. Ein emanzipatorischer Prozess.
Das Wissen um die Zwangsläufigkeiten prägt die Willensbildung.
An die Stelle der Illusion Freiheit tritt autonomes Bewusstsein.
Dann findet auch das große Postulat der unantastbaren Würde eines jeden Menschen gebührende Akzeptanz.
Künftige Generationen werden mit Schaudern vernehmen, was Unwissende sich einst zugefügt haben.
Das existenziell notwendige Umdenken erfordert eine langfristig angelegte fachgemäße Initiative. Informations-Technologie bietet nie dagewesene Möglichkeiten.
Früher oder später - die Spezies wird ihre von Gläubigkeiten bestimmte gefährliche Entwicklungsphase hinter sich bringen.
________
nicht von mir, aber ich freue mich auf eine wirkliche diskussion mit vielen streitpunkten.
Sobald aber das biblische Menschenbild in Frage gestellt wird, erhebt sich Widerspruch - nicht nur von Seiten der religiös Gläubigen.
Die Rationalität unserer Zeit steht in einem merkwürdigen Kontrast zu den Bindungen kultureller Traditionen an Heilslehren, die im geistigen Freiraum ihre bunte Palette von Wahrheiten anbieten. In einer Welt voller Hightech erklingen Lobpreisungen der Einfalt. Auf dem Mond wurde die Schöpfungsgeschichte zitiert - spektakulärer lässt sich der zwiespältige biologische Entwicklungsstand des blauen Planeten nicht demonstrieren.
Religiöser Glaube ist für viele Menschen von gewiss positiver Bedeutung. Man verdrängt, dass aller Glaube planmäßig anerzogen wird. Für die beruflich Zuständigen gehört Verdrängung zum Metier - sie wollen nicht wahrhaben:
Gläubigkeit ist keine Tugend.
Sittlichkeit bedarf keiner transzendenten Verheißungen.
Religionen bereiten das geistige Klima für weitere ideologische Manipulationen.
Jenseits und Seelenheil - Kirchen und Sekten verkündigen mit Inbrunst und kümmern sich um latente Ängste; man darf die Dinge beim Namen nennen: wie Priesterschaften der Antike genießen sie hausgemachte Kompetenz.
Nach geologischem Zeitmaß begann Kultur vor Sekunden.
Schon immer wendet sich missionarischer Glaubenseifer gegen Andersgläubige. Der Glaube - im Grunde unglaublich; austauschbar nach Belieben.
Die Diskrepanz zwischen Glauben und Wissen hat vielfältige Auswirkungen; es entstehen auch neue Gläubigkeiten.
Der Mensch fragt nach dem Woher und Wohin, nach einem Sinn - Fragestellungen, die als solche reichlich glorifiziert werden, deren Sinnlosigkeit aber schon lange bekannt ist.
'Ich weiß, dass ich nichts weiß.' Heute wissen wir: Wie jedes Organ so ist auch das Gehirn im Rahmen zweckgebundener Evolution entstanden. Erkenntnisfähigkeit hat vorgegebene Grenzen.
Aber: die Welt bleibt uns nicht verschlossen - weil sich das Gehirn als ein Teil der Welt gebildet hat. Wissenschaft setzt Maßstäbe. Sie findet Gesetzmäßigkeiten, die unergründlich schienen: Energie und Materie, Korpuskel und Welle, Theorien von Zeit und Raum - rein mathematische Beschreibungen werden experimentell geprüft. Das bedeutet Verstehen; Vorstellbarkeit ist kein Kriterium.
Der Schöpfungsgedanke enthält letztlich keine Antwort auf die Frage nach einem Anfang der Zeit - er entstammt der naiven Übertragung des Kausalprinzips unserer Lebenswelt auf den Kosmos. Es gibt kosmologische Modelle, die keinen Zeitbeginn erfordern.
Der Ungläubige glaubt nicht, dass die Kirche etwas weiß.
Entstehung und Institutionalisierung religiöser Anmaßungen sind leicht erklärbar. Die wechselseitigen Unvereinbarkeiten von kirchlicher Lehre und Naturwissenschaft lassen sich nicht überbrücken.
Naturwissenschaft erlaubt sich kein Credo.
Zum Vergleich: die Demut der Ebenbilder.
Der Zeitbegriff der neuen Physik und die begründete Skepsis gegenüber unserer Wahrnehmung von Realität erschließen ein weites Feld für individuelle Kontemplation.
Auch Menschen mit religiöser Grundeinstellung sollten sich von ihrem eigenen Denken leiten lassen - als einer verpflichtenden göttlichen Gabe.
Erziehung zum Glauben wirkt nachhaltig. Die fortschreitende Technisierung erzeugt zusätzlich eine reaktionäre Neigung zur Esoterik; wissenschaftlich verbrämte Gläubigkeiten dominieren die Vernunft.
Fast jeder glaubt, der Mensch verfüge über okkulte Eigenschaften jenseits der Naturgesetze. Da die Forschung noch weit vom Verständnis des Gehirns entfernt ist, folgert man nur zu bereitwillig: naturwissenschaftlich nicht Erklärbares ist nicht natürlich. Umkehrung der Wissenschaft, akademische Todsünde - nützlich bei der Anerkennung von Wundern.
Einst betrachtete man die Natur als unbegreifliche Werke der Götter und Dämonen. Das Weltbild hat sich gründlich verändert - unser Selbstverständnis ist quasi-religiös geblieben.
Seit den ersten Kulturen besteht die vage Vorstellung einer Seele. Die meisten Menschen sind davon überzeugt, neben dem wundersamen Gehirn noch irgendetwas Gespenstisches in ihrem Innern zu besitzen. Der kultische Dualismus, der Glaube an eine der Natur übergeordnete, nur dem Menschen vorbehaltene Spiritualität.
Manch imposantes philosophisches Gedankengebäude, entstanden unter dem Einfluss von Religion: Variationen falscher Ansätze. Die fatalen Konsequenzen: Gläubigkeiten sanktionieren Pseudowissen - reversibel.
Endlich meldet sich die Naturwissenschaft zu Wort. Geist und Seele werden zu Objekten interdisziplinärer Forschung. Nicht ungestört; ein Chor sich gegenseitig Bestätigender beklagt solches Sakrileg - nostalgische Schwanengesänge.
Die Hirnforschung löst eine Renaissance aus: Philosophie besinnt sich auf ihre klassische Bestimmung.
Neuorientierung hat begonnen - eine Zäsur, viel tiefer als die sogenannten Kränkungen, die mit den Namen Kopernikus und Darwin verbunden sind:
Nicht nur das Erkennen unserer Identität, unsere Gedanken, der sich selbst bestaunende Geist - auch psychische Erscheinungen sind den Naturgesetzen unterworfene Gegebenheiten und Abläufe in einer Galaxis aus Neuronen. Unser Wesen ist mechanistisch bedingt - Physik und Chemie des Körpers.
Erstaunlich an dieser Einsicht ist der späte Zeitpunkt.
Evidenz dringt in die Allgemeinbildung.
Wieder empört sich gekränktes Selbstwertgefühl.
Eine weitere, noch größere Herausforderung ist unausweichlich: die Hinterfragung von 'Willensfreiheit'.
Diesem Wort kommt eine Schlüsselrolle zu.
In Bezug auf das Verhalten gibt es für 'Freiheit' keine Definition - es sei denn, das zu Definierende wird als Prämisse verwendet; nach der Logik nicht zulässig.
'Willensfreiheit' ist unwissenschaftlich.
Es liegt auf der Hand, dass es sich um eine Täuschung handelt - eine mit dem Bewusstsein auftretende Empfindung. Nichts spricht dagegen, Entscheidungen als Output komplexer Determinationen zu betrachten. Auch unser Unvermögen, diese Tatsache einfach hinzunehmen, ist Endglied einer Kette von Bedingtheiten.
Ein Vergleich der Begriffe Bewusstsein und Willensfreiheit zeigt unsere Verstrickung in einem Konglomerat von Gläubigkeiten: Bewusstsein wird mystifiziert, obwohl es sich definieren und nachweisen lässt; wie selbstverständlich berufen wir uns auf das Phantom 'Willensfreiheit'.
Dies alles macht den Laien nicht einmal nachdenklich;
er vertauscht die Beweispflicht - basta.
Geistige Eliten verlassen nur zögerlich den Elfenbeinturm.
Das Thema Willensfreiheit steht unter dem Vorzeichen einer emotionalen Verweigerung. Jedes Abstraktionsvermögen ist total überfordert und eher hinderlich; Rückkopplungen erzeugen Unbehagen.
An Willensfreiheit scheiden sich die Geister.
Auch Wissenschaftler, die für sich in Anspruch nehmen, keiner Gläubigkeit zu unterliegen, erörtern 'Willensfreiheit', als ginge es um ein wissenschaftlich, also objektiv beobachtetes Phänomen.
Wie ist das möglich?
'...weil nicht sein kann, was nicht sein darf.'
Man erklärt Willensfreiheit für axiomatisch, jeden Zweifel für geradezu ungehörig - oder argumentiert: Ein fiktiver freier Wille ist gekennzeichnet durch Unberechenbarkeit; vieles in der Natur ist nicht berechenbar - ergo kann Willensfreiheit als ein Produkt physiologischer Vorgänge existent sein. Unschärferelation, Chaostheorie, Quantenmechanik - das Zauberwort lautet: Indetermination; allen Ernstes versucht man, daraus 'Freiheit' herzuleiten.
Oder man greift doch lieber auf die Religion zurück; schlaue Kirchenmänner haben ja die Seele mit einem Willen ausgestattet. Also Fremdbestimmung? Nein, die Seele gehört zum Menschen. Ist der Mensch für seine Seele verantwortlich? Ein unauflösbares Dilemma.
'Willensfreiheit' ist Nonsens - nicht frei von Komik:
Ein Organ plädiert für seine Übernatürlichkeit.
Wer der Sache auf den Grund gehen will, muss sich zunächst klar machen: Wir sagen 'unser' Gehirn - das 'Ich' ist aber Funktion des Gehirns. Diese Binsenwahrheit scheint unzumutbar; ein Hauch von Narzissmus beflügelt die Suche nach Antworten auf falsch gestellte Fragen.
Vielschichtig wie das Ich ist auch der Wille.
Wir tun was wir wollen - bestimmen aber nicht, was wir wollen;
genauer: wir wollen das, was wir tun.
Es gibt messbare Zeitspannen zwischen Entscheidungen und deren Bewusstwerdung. Wenn wir glauben, etwas zu entscheiden, dann hat die bereits erfolgte Entscheidung unser Bewusstsein erreicht.
(So interessant diese Messungen sind - für eine Falsifikation von 'Freiheit' werden sie nicht benötigt; auch wenn nachgewiesen würde, dass alle Entscheidungen bewusst entstehen, wäre dies kein Nachweis von 'Freiheit'.)
Der ständige Eindruck, zwischen Verhaltensweisen zu wählen, macht Willensfreiheit einzigartig: eine vorprogrammierte Gläubigkeit - ein übermächtiger Glaube. Nicht wenige halten ihn für absolut notwendig.
Tatsächlich ist es schier unmöglich, sich jederzeit der Zusammenhänge bewusst zu sein. Das ist auch nicht nötig. Berechtigte Frage: wozu dann diese provokanten Überlegungen - wir sehen die Sonne aufgehen, über den Himmel wandern und untergehen; die Erdrotation ist von überwiegend wissenschaftlichem Interesse - warum können wir nicht auch mit der Illusion eines freien Willens leben?
Antwort geben Historie und Gegenwart.
Aus vermeintlicher Willensfreiheit wird folgerichtig 'Schuld'.
Hier liegt die Wurzel des Übels.
Die Schuld - probates Instrument religiöser Indoktrination.
Auch der strafrechtliche Begriff Schuld im Sinne von Schuldfähigkeit beruht auf purer Gläubigkeit; er hält einer kritischen Überprüfung nicht länger stand.
Veranlagungen zum Sozialverhalten sind differenziert; aber niemand wurde als Verbrecher, als Terrorist, Massenmörder, Selbstmörder geboren. (und wenn es so wäre?)
Man betreibt Ursachenforschung; doch auch die Experten haben das Wort Schuld in ihrem Vokabular - ohne zu wissen, wovon sie sprechen.
Mit 'Schuld' kaschieren wir eine Schande: den Tätern wird etwas angetan. Der Staat verhält sich wie alle Täter; er stellt Nutzen vor Moral. Anachronismus mit Relikten finaler Scheußlichkeit.
Die verstaubte Monstranz Schuld, ein Tabu; professorales Pathos im Beharren statt Professionalität.
Eine schizophrene Situation - nicht die einzige.
Noch immer gibt es die Verklärung von Idolen und Ideen -
Keimzelle für Fanatismus und Gewalt.
Religionen haben modellhaften Charakter für alle Ideologien.
Die Strategie der Macht: Man erklärt sich zum Hüter des Guten und errichtet eine Glaubensgemeinschaft; in deren Dienst werden angeborene Hemmungen schlichtweg abgeschaltet.
Die ganze Tragik der sorgsam kultivierten Gläubigkeit 'Schuld' manifestiert sich in den Kriegen. Gegenseitige Schuldzuweisungen markieren die Leidenswege der Menschheit. Trotz schlimmster Erfahrungen - noch immer werden tödliche Rituale von Schuld und Vergeltung zelebriert.
Auch demokratische Staaten pflegen spezifische Gläubigkeiten.
So kann auch hier der Zweck die Mittel heiligen - buchstäblich.
Nationalstolz - ein Glaube mit bluttriefender Symbolik;
Gräuel im Namen der Ehre,
feierliche Berufung auf den Friedfertigen - unsäglich.
'Soldaten sind Bürger in Uniform'? Bürger müssen ihre Taten verantworten - Uniformen legalisieren das Töten. Schuld wird delegiert. Die gegnerischen Bürger in Uniform sind natürlich alle schuldig, dürfen getötet werden - man unterscheidet sie treffsicher von den unschuldigen Zivilisten. Es gibt Unvermeidbares - man bedauert.
Was nur befähigt brave Familienväter, Familien zu verbrennen? Gläubigkeit - der Glaube an eine Mission. Gerechte bombardieren gegen das Böse. Kreuzzug-Syndrom.
Die Gemetzel des 20. Jahrhunderts - in ihrer Ungeheuerlichkeit liegt der Zugang zum Verständnis: Würde man Willensfreiheit unterstellen - die Menschheit müsste ihre Selbstachtung aufgeben und jede Hoffnung begraben.
Dieses Verständnis ist Trost und Chance.
Das zigmillionenfache sinnlose Sterben mahnt zur Besinnung und zu einer lückenlosen Bilanzierung.
Wir haben uns in einer Zivilisation der Schlachtfelder und Gefängnisse etabliert und erteilen ihr Weihen.
Gläubigkeiten verschleiern den Stand der Wissenschaft - Fundamentalismus hat viele Gesichter. Es geht darum, mentale Ressourcen auszuschöpfen, die Hintergründe des Welttheaters zu durchschauen. Programmänderung ist überfällig.
Der Glaube an Freiheit des Willens - ein Element archaischer Verhaltensmuster, die uns so erschreckend leicht beeinflussbar machen. Wir blieben ihnen schicksalhaft ausgeliefert, wenn das Hirn nicht die Fähigkeit der Selbstreflexion entwickelt hätte.
Der Einblick des Gehirns in die eigenen Funktionen öffnet neue Wege. Der Begriff Willensfreiheit eignet sich gut als Ausgangspunkt für ein neues Selbstverständnis.
Die Kirche braucht 'Willensfreiheit'.
Wir brauchen Objektivität und Logik.
Schon im 18. Jahrhundert bezeichnete G. C. Lichtenberg eine Freiheit des Willens als Illusion.
Er war seiner Zeit zu weit voraus; Logik bekommt Resonanz nur aus einem entsprechenden Umfeld.
Später schrieb Arthur Schopenhauer:
"Eine Tatsache des Bewusstseins ist das völlig deutliche und sichere Gefühl der Verantwortlichkeit für das, was wir tun, der Zurechnungsfähigkeit für unsere Handlungen, beruhend auf der unerschütterlichen Gewissheit, dass wir selbst die Täter unserer Taten sind."
Er analysiert und kommt zu dem Schluss:
"Alles was geschieht, vom Größten bis zum Kleinsten, geschieht notwendig. ... Sind einem gegebenen Menschen, unter gegebenen Umständen, zwei Handlungen möglich, oder nur eine? - Antwort aller Tiefdenkenden: Nur Eine."
Er ahnte bereits: das 'völlig deutliche und sichere Gefühl' ist genauso determiniert wie die Taten.
Erst nach Schopenhauer sind die neuen Bereiche der Naturwissenschaft entstanden - mit exponentiellem Zuwachs. Die Ordnung der Welt liegt jetzt wie ein offenes Buch vor uns - im Originaltext. Der Mensch ist Teil dieser Ordnung.
'Willensfreiheit' gehört auf den Spielplatz Theologie.
Ideologische Konstrukte haben gezeigt was sie vermögen.
Garant kultureller Höherentwicklung ist die exakte Wissenschaft;
Voraussetzung: kompromisslose Integration des Geistigen.
Oder weiterhin Geisterglaube neben Neurologie und Genetik?
Wir sind hinreichend ausgestattet - wir können die essenzielle Trennung vom Primitiven vollziehen, die verhängnisvolle Fehlinterpretation 'Willensfreiheit' korrigieren.
Es gibt aber keinen leichten Weg; Kontrolle der Subjektivität ist eine gewaltige Einübung disziplinierten Denkens.
Eine Gesellschaft ohne den Freiheitsbegriff - eine Utopie?
Diese Frage stellt sich nicht wirklich. Die menschliche Intelligenz als Gemeinschaftsleistung kann gar nicht vor einer Illusion kapitulieren - nicht für immer.
Wir dürfen uns einiges zutrauen.
Immanuel Kant: '...das moralische Gesetz in mir'.
Jeder würde es als verwerflich empfinden, an einer Werteordnung festzuhalten, deren Grundlage sich als falsch erweist.
Das falsche religiöse Menschenbild steht sich selbst im Wege, behindert die Entfaltung einer feineren Sensibilität.
'Liebet eure Feinde' - die überragende Weisheit - blockiert durch einen dogmatisierten Irrtum: Schuld - von jeher und überall die Legitimation infantiler Grobheit.
Nichts ist dringlicher, als Mut zur Wahrheit.
'Das Undenkbare denken'.
Als Alternative bliebe nur Scham.
Die volle Aktivierung des intellektuellen Potenzials - das Ende bequemer Simplifizierungen. Gläubige und Traditionalisten verteidigen vehement ihre Besitzstände. Bei derart gemixten Debatten wird Toleranz zur Falle: Es entsteht der Eindruck, Glaubensinhalte seien verfügbare Ergänzungen der Wissenschaft, eine Berücksichtigung von Befindlichkeiten sei diskutabel.
Kein Glaube hat argumentative Bedeutung. Weder die Beliebtheit von Phantastereien noch die Gewöhnung an ein Trugbild begründen deren Notwendigkeit. Der persönliche Respekt vor Gläubigen rechtfertigt keinen Artenschutz für Gläubigkeiten.
Wer tradierte Voreingenommenheiten und die Eitelkeit des Ego ablegt, der sieht sich und seine Mitmenschen als biologische Systeme, eingebunden in einem gigantischen Netz innerer und äußerer Wirkungen; Primaten mit extremen Gehirnen - höchst leistungsfähig, aber in beinahe somnambuler Befangenheit.
Die wissenschaftliche Sichtweise ist auch ethisch überlegen.
Nicht ein entrücktes Streben nach Metaphysischem, sondern nüchternes Denken führt zur Güte des Verstehens, zur jener extrovertierten warmherzigen Humanität, die keinen Hass kennt - unverzichtbarer Bestandteil eines Pragmatismus, der Probleme des Zusammenlebens an ihren Ursprüngen löst.
Abkehr vom Hochmut der Lehren, Hinwendung zur bewährten Methodik; es gibt Vorboten für einen globalen Konsens. Erkenntnisse lassen sich nicht unterdrücken: 'Körper, Geist und Seele' bezeichnet eine Einheit, eine von vielen Formen der allumfassenden Natur; uralte Thesen, die den Menschen aus der Natur herausloben, verstummen allmählich - Grund zum Optimismus. Die gern bejammerte Entzauberung unseres Daseins ist ein evolutionärer erster Schritt in eine vielversprechende Epoche.
Überwindung der Illusion Willensfreiheit - der Durchbruch zum wahren Homo sapiens. Ein emanzipatorischer Prozess.
Das Wissen um die Zwangsläufigkeiten prägt die Willensbildung.
An die Stelle der Illusion Freiheit tritt autonomes Bewusstsein.
Dann findet auch das große Postulat der unantastbaren Würde eines jeden Menschen gebührende Akzeptanz.
Künftige Generationen werden mit Schaudern vernehmen, was Unwissende sich einst zugefügt haben.
Das existenziell notwendige Umdenken erfordert eine langfristig angelegte fachgemäße Initiative. Informations-Technologie bietet nie dagewesene Möglichkeiten.
Früher oder später - die Spezies wird ihre von Gläubigkeiten bestimmte gefährliche Entwicklungsphase hinter sich bringen.
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nicht von mir, aber ich freue mich auf eine wirkliche diskussion mit vielen streitpunkten.