lanegan schrieb:Die Lebensumstände sind halt eine Folge der Depression. Ich hatte früher, als die Depressionen noch nicht ganz so schlimm waren, einen guten Job, hatte Freunde und alles.
Hm... war bei mir ähnlich...
Tatsächlich war es aber so, dass sich beides auf mehr oder weniger komplexe Weise gegenseitig bedingte. Den anderen Teil, bei dem meine "Depression" eine Folge der Lebensumstände war, hatte ich allerdings verdrängt (logisch). Es ist halt eben
nicht wie bei den klassischen Krankheiten, wo bestimmte Ursachen (bspw. Grippeviren) zu bestimmten Folgen bzw. Symptomen (bspw. Erkältung) führen, sondern weitaus komplexer. Und auch erst jetzt im Nachhinein ergibt es für mich Sinn, obwohl es eigentlich so trivial war, dass bspw. der soziale Abstieg die "Depression" weiter verstärkt hat und vise versa.
lanegan schrieb:Finanziell sieht es auch jetzt noch in Ordnung aus obwohl ich arbeitsunfähig bin.
Nee, selbst da sah's bei mir damals ganz schlimm aus... Jemand mit Hartz IV hatte weitaus mehr...
lanegan schrieb:Bei mir hat es wohl wirklich eine körperliche Ursache, der Kopf spielt manchmal einfach bekloppt.
Sollten auch noch andere psychosomatische Leiden in Betracht kommen, verkompliziert das die ganze Sache natürlich.
lanegan schrieb:Essen na ja, schön das es bei Dir noch funktioniert.
Stellt sich bspw. die Frage, ob eher der
Hunger oder eher der
Appetit fehlt...
lanegan schrieb:Ja ich habe eine fatalistische Einstellung, was hast Du dagegen gemacht, oder machen können?
Erst einmal nichts! Es war weder Hoffnung da, noch Antrieb, geschweige denn ein Plan. Der Berg an Problemen, Sorgen usw. war auch einfach viel zu groß. Und ich hatte permanent dieses Gefühl, dass das eines Tages richtig bitter enden wird...
Angefangen hab ich mit winzig kleinen Schritten. Eine neue Hose, ein neuer Pullover, damit man sich auch mal wieder auf die Straße traut, um ggf. weitere Dinge zu erledigen... dann nach all den Jahren auch endlich mal wieder zum Friseur... so Kleinigkeiten eben. Aber natürlich hatte sich mein Leben ansonsten nicht geändert und alles blieb beim alten. Man hat ja auch nicht 5-10 "gute Tage" hintereinander, sondern vielleicht alle paar Wochen mal. Irgendwann hatte ich dann bspw. wieder einen "guten Tag" und machte mir eine Liste (im Kopf), was ich gerne ändern würde bzw. mich "depressiv" macht. Und die Liste war lang...
Entsprechend war's dann auch ein ziemlich langer und steiniger Weg... und es war auch viel Glück im Spiel.
lanegan schrieb:Man ist nicht einfach traurig, wenn ich meine Phase habe bin ich nicht einmal mehr traurig, da ist gar nichts. Man ist innerlich einfach tot
Solltest du bspw. apathisch auf dem Sofa sitzen und einfach nur die Wand anstarren, ist das definitiv akut. So war es bei mir nie...
Es gab in meinem Fall auch nie eine tatsächlich gestellte Diagnose einer "Depression", muss ich gestehen. Höchstens vielleicht von anderen Mitmenschen und eher als Verdacht geäußert. Ich persönlich sehe in meinem Fall auch bestenfalls eine
leichte Depression (wenn überhaupt), wie es neulich auch mal irgendein Test im Internet bestätigte. Aber dem stehen auch gewisse Lebensumstände und damit berechtigte Gründe gegenüber, die nicht ganz so erfreulich sind, auch wenn es mir alles in allem durchaus gut geht (Job, Wohnung, Geld, Gesundheit, Freizeit/Hobbies...). Dazu bin ich halt auch generell eher introviert, vergrab' mich also eben auch gerne mal zu Hause, bin außerdem relativ sensibel (und beides auch schon immer gewesen), d.h. reagiere eben auch empfindlicher auf gewisse Dinge. Es ist halt nicht jeder Mensch so "unternehmungslustig", "kontaktfreudig" und "lebenslustig". Insbesondere sehe ich also weniger eine "Krankheit" vorliegen, sondern eher ein Resultat von Lebensumständen, Erfahrungen, Sozialisation, Charaktereigenschaften usw., kurz: Ich bin einfach so.
:)Mir ist das insofern, ehrlich gesagt, also auch ziemlich egal, ob eine (leichte) Depression vorliegt/vorlag oder nicht, denn ich habe immer klar
Gründe in meinem Leben gesehen, die ich als für meine Stimmung verantwortlich gesehen hab: Je nach Uhrzeit, Tag, Wetter, Jahreszeit... eine bizzare Mischung aus Trauer, Unzufriedenheit, Frust, Antriebslosigkeit, Melancholie... das eine und das andere mal mehr und mal weniger... und keiner der Begriffe trifft es für sich alleine richtig. Und sowieso überlasse ich solche Schubladen wie "depressiv" usw. auch lieber denen, die gerne in Schubladen denken.
Zu guter Letzt... Schauen wir doch mal nach, was man zum Thema eigentlich so findet...
"Schätzungen zufolge leiden weltweit inzwischen circa 350 Millionen Menschen unter einer Depression. Bis zum Jahr 2020 werden Depressionen oder affektive Störungen laut Weltgesundheitsorganisation weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein."https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/depression.htmlAha, Depression also sogar eine Volkskrankheit. Echt jetzt? 350 Mio. Menschen... das sind bei ca. 7 Mrd. Weltbevölkerung ca. 5%, also etwa 1 von 20. In meiner Liegenschaft arbeiten beispielsweise ca. 200 Menschen, ca. 10 davon sind also - rein statistisch betrachtet - depressiv und ich bin dann wohl einer davon. Ja, schon klar... Ich glaube eher, dass hier etwas zu einer Krankheit erklärt wird, was gar keine Krankheit im engeren Sinne ist, als dass ich weiten Teilen der Bevölkerung - inkl. mir - die Generaldiagnose "Depression" unterstellen würde, die nur noch mit Medikamenten und Therapien zu behandeln sei.
:DHier noch eine Quelle...
"Betrachtet man das gesamte bisherige Leben, so waren 17,1 % der erwachsenen Deutschen (18 – 65 Jahre) mindestens einmal an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung erkrankt, das ist ca. jeder fünfte Bürger. (Jacobi et al., 2004*) Diese Zahl erhöht sich noch einmal um Kinder und Jugendliche und Menschen über 65 Jahre, die in dieser Studie nicht erfasst wurden, aber ebenfalls an Depression erkranken können."https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/was-ist-eine-depression/haeufigkeitDas wären in meiner Liegenschaft dann sogar schon
40 Menschen...
Ja, gut, wenn ich mir bspw. so manche Weiber (oder Kerle) in der Altersgruppe 40+ bis 50+ bei uns so anschaue, die vermutlich schon seit 10 Jahren oder länger keinen Sex mehr hatten oder wo anderweitig "tote Hose" im Leben eingekehrt ist, würde mich dat nicht wundern, wenn der/die eine oder andere da an einer "anhaltenden depressiven Störung" erkrankt. Dann kommt das mit den Zahlen ja vielleicht doch ganz gut hin.
:D Und natürlich helfen da auch Medikamente oder Therapien nix.
:Dlanegan schrieb:Kaum jemand hat Ahnung was Depression ist.
Weil es da - außer einer Schublade - einfach nichts gibt!