@Thalassa Hier ein schöner Artikel dazu:
Tierhalter
Auf den Mensch gekommen
Hunde dienen als Kinderersatz und Lebenspartner. Das lassen sich Herrchen und Frauchen einiges kosten – zur Freude der Industrie.
Statt in der Hütte schläft der moderne Hund in seinem Wasserbett
Humanisierung heißt der Trend, der die Heimtierbranche erfasst hat. Der Mensch hat den Menschen im Tier entdeckt. Der moderne Hund ist Kinderersatz, Mitbewohner, Lebensabschnittsgefährte oder Lifestyle-Subjekt. Und was dem Tier an menschlichen Qualitäten nicht ins Körbchen gelegt wurde, bietet die Industrie zum Kauf an. Das kommerzielle Hundedasein beginnt bei Z wie Züchter, wo ein Welpe schon mal 1.000 Euro kostet, und endet bei A wie Asche – im Transportbehälter für fünf Euro oder in der Urne als industriell gefertigter Diamant für 2.000 Euro. Dazwischen liegen für die 5,3 Millionen Hundehalter in Deutschland durchschnittlich zwölf Jahre zur freien Entfaltung jeglicher Konsumblüten.
»Accessoires sind definitiv der Bereich, der am meisten wachsen wird«, prophezeit de Jong von Knebel. Der Durchschnittshundehalter gab dafür im vergangenen Jahr gerade mal 25 Euro aus. Doch demnächst könnte die Zeit definitiv vorbei sein, als Fiffi und Schnuffi noch in der Hundehütte über Haus und Garten wachten. Heute schlafen Jule, Laila oder Herbert auf Ledersofa, Wasserbett oder im Designerkörbchen. »Das Heimtier wird als idealer Kinderersatz gesehen«, erklärt Marktforscher Lee Linthicum von Euromonitor. »Der Unterhalt kostet weniger, und es erfordert keine konstante Aufmerksamkeit.«
Tierhalter
Auf den Mensch gekommen
Hunde dienen als Kinderersatz und Lebenspartner. Das lassen sich Herrchen und Frauchen einiges kosten – zur Freude der Industrie.
Für Jule war es ein mieses Wochenende. Der HSV hat verloren. Unzufrieden lässt Jule sich auf ihr Fatboy-Kissen sinken. Das blaue HSV-Halstuch passt gut zu ihrem goldblonden Haar und den langen Wimpern. Jule ist eine Hundedame der neuen Generation. Das Halsband ist aus Elchleder, ihr Liegekissen farblich auf die Designermöbel abgestimmt. Und natürlich hat Jule auch ihren Onlineauftritt: bei stadthunde.com , dem StudiVZ für Hunde. Typ: Prinzessin. Lieblingsfressen: Pansen. Lieblingsverein: HSV. Herrchen: Christian.
Herrchen heißt mit Nachnamen Köhler und hat das Portal stadthunde.com im Oktober 2007 in Hamburg gestartet. 3.500 Hunde sind inzwischen in 15 Großstädten registriert, geben sich virtuell Pfötchen oder verabreden sich zum Spazierengehen. Zudem teilen Experten ihr Wissen zur Fellpflege oder Anwendung von Schüßler-Salzen mit – und die Industrie platziert zielgenau ihre Werbung.
Statt in der Hütte schläft der moderne Hund in seinem Wasserbett
Humanisierung heißt der Trend, der die Heimtierbranche erfasst hat. Der Mensch hat den Menschen im Tier entdeckt. Der moderne Hund ist Kinderersatz, Mitbewohner, Lebensabschnittsgefährte oder Lifestyle-Subjekt. Und was dem Tier an menschlichen Qualitäten nicht ins Körbchen gelegt wurde, bietet die Industrie zum Kauf an. Das kommerzielle Hundedasein beginnt bei Z wie Züchter, wo ein Welpe schon mal 1.000 Euro kostet, und endet bei A wie Asche – im Transportbehälter für fünf Euro oder in der Urne als industriell gefertigter Diamant für 2.000 Euro. Dazwischen liegen für die 5,3 Millionen Hundehalter in Deutschland durchschnittlich zwölf Jahre zur freien Entfaltung jeglicher Konsumblüten.
Hamburg, ABC-Straße. Die Boutique Koko von Knebel führt Mode und Accessoires für den Hund. Winzige Kleidchen aus rosa Blümchenstoff, Plüschanzüge mit silbernem Stepp, blau-weiß geringelte Strickschläuche – mit vier Löchern für die Pfoten. »Das sind eigentlich die Trends aus der Menschenmode«, erklärt Friederike de Jong von Knebel, Geschäftsführerin der Koko von Knebel Trading und zudem Jurymitglied bei der Vox-Sendung Top Dog – Deutschland sucht den Superhund. Sie sagt: »Genau wie es Frauen mit vielen Handtaschen gibt, gibt es Menschen, die viele Hundetaschen haben.« Wem der Liebling zu schwer geworden ist, der kann auch zum Hunde-Buggy greifen (170 Euro).
Unternehmer wie de Jong von Knebel sind angetreten, um das Geschäft im gesättigten Heimtiermarkt anzukurbeln. Denn während das traditionelle Geschäft nur leicht zunimmt, wachsen die Segmente Luxus und Zubehör überdurchschnittlich. Je nach Berechnungsgrundlage liegen sie bei rund drei bis fünf Prozent.
»Accessoires sind definitiv der Bereich, der am meisten wachsen wird«, prophezeit de Jong von Knebel. Der Durchschnittshundehalter gab dafür im vergangenen Jahr gerade mal 25 Euro aus. Doch demnächst könnte die Zeit definitiv vorbei sein, als Fiffi und Schnuffi noch in der Hundehütte über Haus und Garten wachten. Heute schlafen Jule, Laila oder Herbert auf Ledersofa, Wasserbett oder im Designerkörbchen. »Das Heimtier wird als idealer Kinderersatz gesehen«, erklärt Marktforscher Lee Linthicum von Euromonitor. »Der Unterhalt kostet weniger, und es erfordert keine konstante Aufmerksamkeit.«
Vor allem aber geht es beim Hund immer noch ums Fressen. Fertignahrung im Wert von 190 Euro verschlingt der Durchschnittshund pro Jahr, Leckereien vom Metzger nicht eingerechnet. Insgesamt verfütterten die Deutschen laut Industrieverband Heimtierbedarf im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden Euro an ihre 23,2 Millionen Hausgenossen, drei Viertel des Branchenumsatzes. Deshalb versucht die Industrie auch hier den Trend zur Vermenschlichung nach Kräften zu fördern. »Nicht mehr, aber teurer fressen« lautet die Devise. »Das menschliche Ernährungsverhalten wird auf die Tiernahrung übertragen«, erklärt Torsten Toeller, Chef der Fressnapf-Gruppe, die europaweit Tiernahrung und Zubehör verkauft.
Inzwischen zeigt sich bei den Tieren ein der Menschenwelt wohlbekanntes Phänomen: Die Mittelschicht bröckelt. »Es gibt diese Sanduhr, die in der Mitte dünn ist, im unteren und im oberen Preisbereich aber stark«, sagt Fressnapf-Chef Toeller. Entweder kommt das Billigste in den Napf – oder das Beste. Mehr als die Hälfte setzen die Tiernahrungshersteller laut Euromonitor mit Premiumprodukten um. Unten regiert die Masse, oben die Marge.
Die ersten Hunde-Liftings für den faltenfreien Auftritt gab es auch schon
In Bargteheide bei Hamburg hat man sich traditionell eher mit der Masse beschäftigt. In grüner Idylle produziert hier das Familienunternehmen Flexi Bogdahn Zehntausende Rollleinen pro Tag, die weltweit vertrieben werden. Neuerdings gehört neben dem Standardmodell (ab zehn Euro) auch eine Glamourversion zum Sortiment, in zartem Rosa, mit Strass besetzt. Preis: 120 Euro. »Einen Premiumtrend haben wir schon aus dem Hang zur Individualisierung heraus«, erklärt Junior-Chef Lars Bogdahn. Wie das Herrchen, so das Geschirr. Der Hund als Lifestyle-Faktor macht ihn auch für andere Industrien wirtschaftlich interessant. Der Verlag Gruner + Jahr startete mit Dogs ein Lifestyle-Magazin für Hundehalter, die Porzellan-Traditionsmarke Rosenthal lancierte Luxusnäpfe für Hund und Katz.
Die Anbieter hoffen darauf, dass sich die Deutschen ein Beispiel am Ausland nehmen. »Andere Länder sind schon viel weiter«, sagt Flexi-Chef Bogdahn. In Italien hängen Hundekleider in jedem Tiergeschäft, in Großbritannien tragen Hund und Halter die gleichen schmucken Klämmerchen im Haar. Reiche Brasilianer färben ihren Vierbeiner gleich passend zum Outfit ein, neureiche Russen hüllen ihre Schätzchen in edle Pelze und behängen sie mit Diamanten. Die ersten Hunde-Liftings gab es auch schon.
Es muss nicht gleich die Schönheits-OP sein: Ein Tier geht heute öfter zum Arzt. Die Zahl der Tierarztpraxen stieg laut Bundesverband praktizierender Tierärzte von 2000 bis 2005 um 7,4 Prozent, der Umsatz sogar um 25,7 Prozent. Herrchen und Frauchen plagen heute dieselben Probleme wie Mütter und Väter: Jule hört nicht, Bruno ist zu dick, Herbert spielt nicht mit anderen. »Wenn ich all diese Probleme lösen könnte, dann wäre das sensationell«, schwärmt Fressnapf-Chef Toeller. Der Dienstleistungssektor fürs Tier steckt derart in den Kinderschuhen, dass niemand die Umsatzzahlen verzeichnet hat. Hunde-Kita, Wellness-Wochenende oder 5-Gänge-Menü im Hunderestaurant. Gassi-geh-Service und Tiertaxi. Tierpsychologische Beratung und Hundemasseure. Krankenversicherung für Hund oder Katz. Insgesamt, schätzt Toeller, schlummert im tertiären Sektor ein weiterer Markt von mehr als drei Milliarden Euro.
Quelle :
http://www.zeit.de/2008/16/Tiermarkt?page=all